Vor den Parlamentswahlen in Frankreich: Linkes Bündnis gegen Macron
Frankreichs Linksparteien haben eine Allianz geschmiedet, um im Juni die Nationalversammlung zu erobern. Doch bei den Sozialisten regt sich Widerstand.
![Menschen mit einem Plakat, auf dem Jean-Luc Mélenchon zu sehen ist Menschen mit einem Plakat, auf dem Jean-Luc Mélenchon zu sehen ist](https://taz.de/picture/5542478/14/Frankreich-Linksbuendnis-1.jpeg)
Zuerst fanden am Montag die Linkspartei La France insoumise (LFI) von Jean-Luc Mélenchon und die Grünen (EELV) zusammen. Dann schlossen sich am Dienstag nach einem Verhandlungsmarathon die Kommunisten (PCF) und zuletzt die Sozialisten (PS) dieser „Nouvelle Union Populaire, Ecologique et Sociale“ (NUPES) an. Auch kleinere Organisationen wie Génération*s, eine Abspaltung des linken PS-Flügels, wollen dabei sein.
Bei den Präsidentschaftswahlen hatten die linken Parteien herbe Verluste einstecken müssen. Einzig Mélenchon von der LFI konnte als Drittplatzierter hinter Marine Le Pen Erfolge feiern. Dieses Ergebnis hat die gespaltenen Linksparteien zur Einsicht gebracht, dass sie mehr verbindet als trennt.
In kürzester Zeit haben sie einen gemeinsamen Nenner gefunden, der von LFI bereits als „historisch“ gefeiert wird: Zusammen streben sie die Senkung des Rentenalters auf 60 Jahre an, die Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns auf monatlich 1.400 Euro Netto, Festpreise für Grundnahrungsmittel und andere Konsumgüter zum Schutz gegen Teuerung, einen Stopp der Atomenergie und ein „Prinzip des Ungehorsams“ bezüglich EU-Regeln wie der Haushaltsdisziplin.
Feilschen mit den Sozialisten
Historisch ist auch der Bezug auf das sogenannte Programme commun, auf das sich 1972 Sozialisten und Kommunisten geeinigt und damit den Grundstein für die Wahl von François Mitterrand 1981 zum Präsidenten gelegt hatten. PCF-Chef Fabien Roussel betonte hingegen, bei der Allianz handle es sich mehr um eine Koalition und nicht um ein Einheitsprogramm, da jede der Parteien ihre politische Selbständigkeit behalte.
Schwieriger als die Verhandlungen um eine programmatische Basis gestalteten sich angeblich die Diskussionen um die gemeinsamen Kandidaturen für die Wahl der Abgeordneten der Nationalversammlung in den 577 Wahlkreisen. Die Sozialisten, die bei den Präsidentschaftswahlen besonders schlecht abgeschnitten hatten, wollten ihren Anschluss möglichst teuer verkaufen. Ihre Fraktion zählte 2012 noch 295 Abgeordnete, 2017 nur noch 31.
Ihre Delegation feilschte bis Mittwoch um zusätzliche Wahlkreise, die für sie „reserviert“ werden sollten. LFI hat ihnen 70 Wahlkreise zugestanden. Den Grünen werden 100 und den Kommunisten 50 Wahlkreise überlassen. Die Vereinbarung zwischen Sozialisten und LFI wird am Donnerstagabend der Parteileitungsinstanz zur Verabschiedung vorgelegt.
Kein Platz neben Macron
Mehrere Persönlichkeiten des PS, darunter der frühere Staatspräsident François Hollande, sehen in der Einigung eine Unterordnung unter die Partei des Linkspopulisten Mélenchon. Rund tausend lokale Parteimitglieder haben dem Parteichef Olivier Faure am Dienstag schriftlich mitgeteilt, sie seien mit dem Vorgehen über ihre Köpfe hinweg nicht einverstanden.
Hollandes früherer Premierminister Bernard Cazeneuve und sein Ex-Landwirtschaftsminister Stéphane Le Foll haben angekündigt, sie würden aus der Partei austreten. Mélenchons „Geschwafel“ von einem „linken Sieg“ sei eine „Legende oder ein Vorwand“, sagte Le Foll.
Nach dem katastrophalen Ergebnis ihrer Kandidatin Anne Hidalgo, die bei der ersten Runde der Präsidentschaftswahl weniger als 2 Prozent gewann, kämpft die einstige Regierungspartei ums Überleben. Einige bisherige PS-Abgeordnete ziehen es vor, im Juni als Parteilose für ihre Wiederwahl zu kandidieren. 2017 hatten sich zahlreiche Mitglieder dem Wahlsieger Macron angeschlossen, und während des Wahlkampfs im April wechselten weitere prominente Sozialisten ins Lager des nun wiedergewählten Staatschefs über.
Zwischen Macron und Mélenchon bleibt immer weniger Raum für eine sozialdemokratische Reformpartei. Und auch die Konservativen von Les Républicains haben zwischen der breiten politischen Mitte des Präsidenten und der extremen Rechten dasselbe Problem.
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