Vor den NFL-Playoffs: In Boston ist die Lust zurück
Die New England Patriots haben ihre Durststrecke im Football überwunden. Quarterback Drake Maye und Chefoach Mike Vrabel stehen für den Aufbruch.
M ike Vrabel war erstaunlich unterkühlt nach dem 52:10-Sieg seiner New England Patriots über die New York Jets am vergangenen Sonntag. Immerhin bedeutete der Sieg den ersten Auftritt von New England in den NFL Playoffs seit 2021 und das gleich mit einem Titelgewinn in der American Football Conference. Doch Vrabel merkte nur trocken an: „Ja, ich bin stolz auf diese Mannschaft. Aber es gibt noch viel zu tun.“
Klar, einer wie Vrabel lässt noch nicht die Champagnerkorken knallen, nur weil seine Mannschaft es in die Playoffs schafft. Schließlich war Vrabel ein zentrales Mitglied jener Dynastie der Patriots um Bill Belichick und Tom Brady, die 20 Jahre lang die Liga dominiert hatten. Sechs Meisterschaften, neun Finalteilnahmen, 19 Playoff-Teilnahmen, die Zahlen sprechen für sich. Um diese Jahreszeit setzte bis vor fünf Jahren im Football-Amerika gewöhnlich eine beklemmende Schwere ein, denn die Playoff-Wochen würden mit einer ermattenden Unweigerlichkeit eben wieder einmal eine große Patriots-Show werden.
Seit Brady im Jahr 2020 nach Florida zog, ist das jedoch nicht mehr so. Ohne den Superstar auf dem Platz waren dem Supertrainer Belichick die Flügel gestutzt. Bevor er 2023 seinen Hut nahm, wurde alles immer schlimmer, Belichick war dabei, seine Aura als Supertrainer zu verspielen. Und auch im Jahr eins nach Belichick, 2024, sah es nicht rosiger aus: Die Patriots gewannen gerade einmal vier ihrer 17 Spiele. Boston verlor das Interesse am Football und wendete sich den deutlich erfolgreicheren Basketballern der Celtics zu.
In den vergangenen Monaten ist jedoch in Boston wie auch im übrigen Nordosten wieder eine neue Football-Lust erwacht. Die Art, wie die neuen Patriots unter Vrabel spielen, macht Spaß und ist erfolgreich. Mit Vrabel und dem neuen, jungen Star-Quarterback Drake Maye ist ein neues Erfolgsduo an der Spitze des einstigen Superclubs. Sogar das Gerede um eine neue „Dynastie“ geht um.
Solche Sprüche sind freilich voreilig. Ob die jetzigen Patriots das Zeug dazu haben, auch nur bis in die Super Bowl vorzudringen, müssen sie in den kommenden Wochen erst noch beweisen. Doch nach dem vorzeitigen Ausscheiden der Kansas City Chiefs stehen ihre Chancen so gut wie die jeder anderen Mannschaft. Mit 13 Spielen haben sie fünf mehr gewonnen als in den vergangenen zwei Jahren zusammen. Auswärts ist ihre Bilanz mit 8-0 makellos.
Die Jahre nach Tom Brady
Der Hauptgrund für die Renaissance der Patriots ist zweifellos der 23 Jahre alte Maye, den viele in seiner zweiten Profisaison bereits für den besten Quarterback der Liga halten. In seiner ersten Saison bei den Patriots ließ er bereits sein Sondertalent aufblitzen. Er spielte den besten Football eines Rookies auf der Position, so lange selbst die eingefleischtesten Experten sich erinnern konnten. Doch seine Mitspieler in der Offensive konnten mit ihm nicht mithalten und die Patriots-Defensive blieb wie die Jahre zuvor eine Peinlichkeit.
Die Wende kam mit der Rückkehr von Vrabel und dem Offensiv-Koordinator Josh McDaniels. Beide waren Teil der goldenen Patriot-Ära und mit ihnen ist die Magie zurück in das Patriots-Stadion in Foxboro gekommen. „Wir haben einfach wieder eine Erfolgskultur“, sagt Maye. Eine Kultur eben, die eine Playoff-Teilnahme noch nicht als Grund für Straßenfeste sieht.
Hilfreich für Vrabel war freilich die Tatsache, dass er inmitten des Scherbenhaufens, den Belichick und sein Nachfolger Jerod Mayo hinterlassen hatten, viel Geld da war. Mit 130 Millionen Dollar Spielraum bis zur Gehaltsobergrenze konnte er bequem einkaufen gehen. Und mit seinem sicheren Gespür und seiner Erfahrung stellte er dem größten Quarterback-Talent seit Patrick Mahomes ein feines Mitarbeiterteam zusammen. Insbesondere Stefon Driggs und Garrett Bradbury harmonieren bestens mit Maye, während Morgan Moses die Verteidigung neu organisiert.
So freut man sich in Boston und Umgebung zum ersten Mal seit sechs Jahren wieder auf die Playoffs. Und der Rest des Publikums freut sich mit ihnen – was in der schier unendlichen Zeit der erdrückenden Patriots-Dominanz nicht immer der Fall war.
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