Vor den Kommunalwahlen in Thüringen: Der überparteiliche Wahlkampf
Am Sonntag finden in Thüringen Kommunalwahlen statt. Sie werden auch eine Abstimmung über die rot-rot-grüne Koalition auf Landesebene sein.
Onno Eckert ist zwar SPD-Mitglied, aber darauf findet sich in der Kurzvita seiner Homepage nicht einmal ein Hinweis. Überparteilichkeit ist angesagt in diesem Kommunalwahlkampf. Zumal er zu den wenigen der rund 100 Kandidaten für die Posten der Bürgermeister, Oberbürgermeister und Landräte zählt, die sich einer Unterstützung aus dem Bündnis von Linken, SPD und Grünen auf Landesebene erfreuen können. Im Februar beschloss der Linken-Kreisverband Gotha, zugunsten Eckerts auf einen eigenen Landratskandidaten zu verzichten, nicht aber auf einen eigenen Oberbürgermeisterkandidaten.
So unterschiedlich ist die Gemengelage in Thüringen vor einer Wahl, bei der die oppositionelle Union die Chance wittert, RRG nach dem gescheiterten Zentralprojekt der Gebietsreform einen Denkzettel zu verpassen und zugleich die Weichen Richtung Landtagswahl im Herbst des kommenden Jahres zu stellen. Deshalb lauert die CDU nur auf tatsächliche oder vermeintliche Spannungen in der Koalition, die einen Verstoß gegen einen angenommenen Lagerwahlkampf signalisieren. Der Linken-Landtagsabgeordnete Frank Kuschel leistete dem auch noch Vorschub, wenn er die Kandidatur des SPD-Landesgeschäftsführers Michael Klostermann gegen die einzige Linken-Oberbürgermeisterin Katja Wolf in Eisenach kritisiert.
Dabei liegt die Besonderheit der Thüringer Kommunalwahl eher darin, dass sich schon vor dem ersten Wahlgang etwa in einem Drittel der 17 Landkreise parteiübergreifende Bündnisse gebildet haben. Eben dann, wenn es sich um bewährte Platzhirsche oder Hoffnungsträger wie Onno Eckert handelt. Die Konstellation im Kreis Gotha war günstig. Der Amtsinhaber hört auf, Nachfolgekandidaten erschienen wenig aussichtsreich. Eckert redete mit möglichen Unterstützern, bei der Linken mit Erfolg. Er ist zwar streng genommen kein Thüringer Originalgewächs, wuchs das erste Lebensdrittel in Duisburg auf, bevor sein Vater eine Professur in Erfurt antrat. Mit 25 sammelte er erste kommunalpolitische Erfahrungen als ehrenamtlicher Bürgermeister des Dorfes Crawinkel, dem Lebensmittelpunkt der Familie.
„Wir brauchen Meinungsverschiedenheiten“
Crawinkel, die Beinahe-Stadt mit 1.500 Einwohnern, klingt nach „Krähwinkel“. Onno Eckert hat hier Bodenhaftung geübt, als Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr und als Fußballschiedsrichter. So hielt er es auch während seines Jurastudiums in Halle. „Jurist werden und Mensch bleiben!“, verkündet er. Deshalb empfindet er auch die Arbeit im Landesverwaltungsamt keineswegs als zu trocken.
Von einer Richtungswahl für 2019 mag Eckert gar nicht sprechen. Auch der Begriff vom Lagerwahlkampf passt ihm nicht. „Das klingt nach zentralen Vorgaben“, meint er. Sein SPD-Landesgeschäftsführer, eben der wegen seiner Eisenacher OB-Kandidatur kritisierte Michael Klostermann, hielte einen vom bundesweit einmaligen Rot-Rot-Grün-Bündnis auf Landesebene suggerierten Lagerwahlkampf für Unfug. Linke, SPD und Grüne müssten in ihrem Selbstverständnis sichtbar bleiben und ihre jeweilige Klientel ansprechen. „Wir werden die Linke nicht links überholen wollen“, sagt Klostermann. Es sei abwegig, von Konkurrenzkandidaturen auf das Koalitionsklima in Erfurt schließen zu wollen.
Das hält Linken-Wahlkampfchef Steffen Dittes für ungleich entspannter als das zwischen CDU und SPD in der Agonie der vorigen Thüringer GroKo vor fünf Jahren. „Wir brauchen Meinungsverschiedenheiten“, sagt der Parteilinke sogar. Aus diesem Grund solle man nicht leichtfertig auf eigene Kandidaten verzichten und möglichst breite Wählerschichten ansprechen. Dittes teilt aber nicht ganz die von SPD-Geschäftsführer Klostermann aufgestellte Regel, man solle sich zusammenschließen, wo die CDU stark ist wie auf dem „flachen Land“, und könne sich in den Städten getrost Konkurrenz leisten. Linke, SPD und Grüne wissen, dass sie ihre stärksten Wählergruppen in den größeren Städten haben.
Größte Unbekannte vor der Wahl am 15. April ist die AfD, der es noch mehr als anderen Parteien an Kandidaten mangelt. Ihr Steinzeitimage hat sie gepflegt, als sie durch das Landesverfassungsgericht vergeblich die Teilnahme von Jungwählern ab 16 untersagen lassen wollte. Über die reichliche Handvoll Linksbündnisse schon im ersten Wahlgang hinaus wird es am 29. April dann aber auf klare Unterstützungen bei der Stichwahl ankommen. Die haben vor fünf Jahren ganz gut geklappt, die SPD stellt trotz ihrer Schwäche im Landtag fast so viele kommunale Amtsträger wie die Union. Ob Bündnisse allerdings gegen den schier übermächtigen Beistand helfen, den sich die CDU kürzlich holte, steht dahin. Die Landesspitze unternahm in der Karwoche eine „Pilgerreise“ nach Budapest zum heiligen Orbán und ließ sich erklären, wie man Wahlen gewinnt.
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