Vor Präsidentenwahl in Italien: Bewährungsprobe für Matteo Renzi
2015 verabschiedet sich Präsident Napolitano vorzeitig aus dem Amt. Die Wahl eines Nachfolgers wird zur Nagelprobe für die Regierung.
ROM taz | Der erst im April 2013 wiedergewählte Staatspräsident Giorgio Napolitano macht schon seit Monaten kein Geheimnis aus seiner Amtsmüdigkeit; in der letzten Woche dann erklärte der 89-Jährige, sein Rücktritt stehe „unmittelbar“ bevor. Direkt nach der Weihnachtspause erwarten die meisten politischen Beobachter diesen Schritt. Dies hieße, dass die beiden Kammern des italienischen Parlaments und die 58 Vertreter der Regionen voraussichtlich Anfang Februar zusammentreten, um Napolitanos Nachfolger zu küren.
Zu einer Wahl, die automatisch auch zur entscheidenden Bewährungsprobe für den seit nunmehr zehn Monaten amtierenden Ministerpräsidenten Matteo Renzi würde. Traditionell gilt in Italien, dass die in geheimer Abstimmung erfolgende Präsidentenwahl eine einzigartige Gelegenheit darstellt, um politische Rechnungen zu begleichen, um auch Partei-interne Intrigen zu spinnen, um Favoriten zu stürzen und mit ihnen zusammen womöglich auch gleich die Regierung zu Fall zu bringen.
So wurde der Wahlgang vor knapp zwei Jahren zum Desaster für den damaligen Chef der gemäßigt linken Partito Democratico, Pierluigi Bersani. Bersani, schon stark geschwächt durch das sehr bescheidene Resultat der PD bei den Parlamentswahlen – im Februar 2013 hatte seine Partei bloß knappe 25 Prozent geholt – schickte als Präsidentenkandidaten zunächst den Linkskatholiken Franco Marini ins Rennen; der aber wurde von starken Truppen aus den eigenen PD-Fraktionen, unter anderem von den Gefolgsleuten Matteo Renzis, abgeschossen.
Daraufhin wählte Bersani als neuen Kandidaten den Ex-Regierungschef und Ex-EU-Kommissionspräsidenten Romano Prodi. Zum Schock für die PD wurde dessen Resultat: 101 Parlamentarier aus den eigenen Reihen verweigerten Prodi die Gefolgschaft. Am Ende blieb als Notlösung nur die Wiederwahl Napolitanos, um eine schwere Parlamentskrise zu vermeiden.
Ungünstiges Vorbild
Bersani hatte daraufhin seinen Rücktritt als Parteichef eingereicht – und den Weg für den Aufstieg Renzis erst zum PD-Vorsitzenden, dann zum Ministerpräsidenten freigemacht. Und der Jungstar der italienischen Politik nutzte seine Chance, um sich als entscheidungsfreudiger Neuerer zu inszenieren. Anfang Dezember brachte er die Arbeitsmarktreform per Vertrauensabstimmung durchs Parlament, und gegenwärtig treibt er sowohl die Wahlrechts- als auch die Verfassungsreform voran.
Sein Problem allerdings ist, dass alle diese Reformwerke auf die tiefe Abneigung der linken Flügel seiner eigenen Partei stoßen. Sie wiederum könnten die Wahl des Staatspräsidenten nutzen, um mit Renzi abzurechnen. Denn klare Mehrheiten im Parlament gibt es nicht.
Die PD allein kommt nur auf 400 Abgeordnete und Senatoren; bis zu 100 von ihnen gelten als Renzi-Gegner. Die Fraktionen von Beppe Grillos Movimento5Stelle zählen gut 140 Mitglieder, ein Kompromiss mit ihnen gilt jedoch als so gut wie ausgeschlossen. Deshalb sucht der Ministerpräsident die Absprache auch mit Silvio Berlusconis Forza Italia und mit der rechtspopulistisch-fremdenfeindlichen Lega Nord.
Renzi selbst gibt sich optimistisch. Er steuere auf eine Lösung zu, bei der er 750 der 1000 Wahlmänner und –frauen im Boot habe, verkündete er. Und er traf sich zu einem zweistündigen Gespräch mit Romano Prodi. Auch der hatte auf dem Papier vor zwei Jahren eine klare Mehrheit, bevor er gnadenlos abserviert wurde. Vielleicht wollte Renzi ja nähere Details erfahren, denn eines ist sicher: Noch einmal steht Giorgio Napolitano nicht als Notnagel zur Verfügung.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!