Vor Donald Trump geflüchtet: Oh Kanada, oh Kanada
Seit einem Jahr ist Trump US-Präsident. Tausende zogen seitdem ins Nachbarland Kanada. Manche freiwillig, andere, weil sie keinen anderen Ausweg sahen.
Sechs Wochen zuvor hatte US-Präsident Trump die Executive Order 13769 unterschrieben. Den sogenannten Muslim Ban. Für Mohammed, der seinen Nachnamen aus Sicherheitsgründen nicht in der Zeitung lesen möchte, ist das Dekret ein klares Signal: Menschen wie ihn wollen sie in den USA nicht mehr. Als ihm dann der Polizist droht, sieht er für sich nur noch eine Chance: Er muss nach Kanada.
Mohammed ist nicht der Einzige mit diesem Plan. Seit Anfang des Jahres sind Tausende legal und illegal aus den USA nach Kanada gekommen. Sie alle suchen Zuflucht vor der Politik der neuen US-Regierung.
„Gewinnt Trump, gehen wir nach Toronto“, haben auch Doria und Andres vor der Wahl gescherzt. Ein Schwur, von dem die beiden nicht erwarten, ihn einlösen zu müssen. Ihr Plan war eigentlich ein ganz anderer: Lange Flitterwochen in Australien wollten sie machen, ein halbes Jahr Work & Travel und anschließend noch ein bisschen durch Südostasien reisen. Die Flugtickets und Arbeitsvisa hatten sie schon. Doch dann kam die Wahlnacht.
Andres, 29, und Doria, 30, – auch sie wollen wegen noch unklarer Visafragen ihren Nachnamen nicht nennen – wohnen damals in Boston. Für sie ist Clinton die richtige Kandidatin. „Sie war der beste Kompromiss“, sagt Doria. Zuversichtlich gehen die beiden in den Wahlabend im November 2016. Sie sind bei Dorias Eltern, die Mutter hat Champagner kaltgestellt.
Kisten packen zur Vereidigung
Doch je später es wird, desto unruhiger werden alle. Immer mehr Wahlbezirke färben sich auf der USA-Karte im Fernsehen rot – die Farbe der Republikanischen Partei. Als dann auch noch die für Clinton sicher geglaubten Bundesstaaten Michigan und Wisconsin an Trump gehen, ist sicher: Dieser Mann wird tatsächlich Präsident der Vereinigten Staaten.
Doria ist so aufgewühlt, dass sie eine Schlaftablette schluckt. „Ich hatte die Hoffnung, wenn ich aufwache, dass es dann andere Resultate gibt“, sagt sie. Andres bleibt bis zum Morgen wach. Er recherchiert im Internet, wie sie ihre Flüge nach Australien stornieren können. Das Geld brauchen sie jetzt für etwas anderes. „Noch in der Wahlnacht“, sagt Andres mit der gleichen Entschlossenheit wie damals, „war mir klar, dass wir nach Kanada gehen.“
Für Andres und Doria war Toronto immer ein möglicher gemeinsamer Wohnort gewesen. Andres ist hier geboren, hat deshalb neben einem US-amerikanischen auch einen kanadischen Pass. Als er zwei Monate alt ist, ziehen seine Eltern mit ihm in die USA. Später kommt er zum Studieren nach Toronto zurück. Doria hat ihn damals häufig besucht. Beide lieben die Stadt.
An dem Tag, an dem Donald Trump als 45. Präsident der Vereinigten Staaten vereidigt wird, packen Doria und Andres Kisten in ihrer neuen Wohnung in Toronto aus.
Wo mal eine Wand war, klafft ein riesiges Loch
In dem gepflegten Hinterhofgarten in Toronto, in dem Mohammed im Sommer 2017 sitzt und in kurzen, knappen Sätzen von seiner Flucht erzählt, ist der Krieg in Syrien weit weg. Nicht aber für Mohammed. Der 47-Jährige stammt aus Syrien, aus Homs. Nach unzähligen Bombardierungen ist von der einst drittgrößten Stadt des Landes heute nicht mehr viel übrig. Auf seinem Smartphone zeigt Mohammed Fotos seines zerstörten Hauses. Grauer Schutt, überall. Da, wo mal eine Außenwand war, klafft ein riesiges Loch. Während er mit seinen Fingern über den Bildschirm wischt, plingt sein Handy immer wieder. „Meine Tochter …“, sagt er entschuldigend.
Seine Ehefrau lebt noch mit den drei gemeinsamen Kindern in Dubai, sie hat dort einen halbwegs guten Job. Mohammed hatte seine Familie dorthin gebracht, als der Krieg losging. Warum ist er nicht auch geblieben? „Das Leben in Dubai ist viel zu teuer. Und als Syrer kann man sich nie sicher sein, dass sie einen nicht ausweisen.“
2015 beschließt Mohammed, in die Vereinigten Staaten zu kommen. Einer seiner Brüder lebt in Houston. Mit dem Flugzeug fliegt er von Dubai nach Texas. Dort angekommen, beantragt Mohammed ein Bleiberecht als Geflüchteter.
Mohammed hatte sich viel von Houston versprochen. Er wollte Geld verdienen, um seine Familie nachzuholen. Texas sollte ein neues Zuhause werden für ihn, seine Frau und die drei Kinder.
Existenzangst und Ekel
Doch die ersten sechs Monate darf er nicht arbeiten. Dann findet er nur Aushilfsjobs. Mal putzt er Autos, mal fährt er Lebensmittel aus. Von dem wenigen Geld, das er verdient, kann Mohammed kaum etwas zurücklegen. „5.000 Dollar musste ich einem Anwalt für das Aufenthaltsverfahren zahlen“, erzählt er und kneift dabei seine Augen leicht zusammen. So viel Geld, so wenig Ertrag. Denn auch der Anwalt schafft es nicht, Klarheit über seinen Status zu bekommen. Nach fast zwei Jahren hat Mohammed immer noch keine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung, seine Unsicherheit wächst. Und dann wird Donald Trump Präsident der Vereinigten Staaten.
Mohammed hat sich aus Existenzangst zur Flucht entschieden. Vor was aber sind Doria und Andres geflohen?
Während des Wahlkampfes sind sie angewidert von Trumps Sexismus und Rassismus. „Am meisten stört mich aber, dass er keine Scheu davor hatte, den Leuten ins Gesicht zu lügen“, sagt Andres. Trump habe die Sorgen der Arbeiter ausgenutzt, habe den Autobauern in Michigan und den Kohlekumpels in Wyoming Jobs und Wohlstand versprochen, obwohl er genau wisse, dass all das nicht mehr zurückkomme. In seinem Job als Zimmermann hat Andres auf Baustellen viele getroffen, die an diese Verheißungen geglaubt haben.
Doria sorgt sich, was Trump mit der Umwelt in den USA anrichten wird. Als Umweltpädagogin fuhr sie in Boston von Schule zu Schule, hat den Kindern lebende Käfer gezeigt und ihnen so erklärt, was Biodiversität bedeutet. Der von Trump angekündigte Ausstieg aus dem Pariser Klimaabkommen und die Deregulierung von Umweltgesetzen – all das werde Folgen haben: „Trump sorgt dafür, dass ganze Ökosysteme in den USA für immer verschwinden.“
Rückschritt statt Fortschritt
Allerdings erklären all diese Punkte nicht, weshalb Andres und Doria fast schon panikartig die USA verlassen haben. Der Grund für ihre Flucht liegt tiefer. Es scheint, als hätte Trump ein Grundvertrauen zerstört, mit dem die beiden aufgewachsen sind – nämlich die Annahme, in einem Land des gesellschaftlichen Fortschritts zu leben.
Doria stammt aus einer jüdisch-demokratischen Ostküstenfamilie. Andres wird im kalifornischen Berkeley groß, die Universitätsstadt gilt als Keimzelle des liberalen Amerikas. Zum ersten Mal wählen durften beide 2008. „Obama war wie eine Befreiung“, sagt Andres. Für einen kurzen Moment schien es, als könnten Rassismus und Ungleichbehandlung tatsächlich überwunden werden. „Es fühlte sich wirklich nach Fortschritt an.“ Fortschritt, der eigentlich dazu führen sollte, dass es 2016 zum ersten Mal eine Frau an die Spitze der USA schafft.
Doch diese Idee fällt in der Wahlnacht in sich zusammen. Trump war für Andres und Doria der Beweis, dass eine Mehrheit in den Vereinigten Staaten gar keinen Fortschritt will. „Für mich war da klar: Ich bin fertig mit den USA“, sagt Andres.
Das Ehepaar will bald Kinder haben. Doch die Entfremdung von ihrer Heimat ist so groß, dass sie sich nicht mehr vorstellen können, dort eine Familie zu gründen.
Hysterie wirft ihnen keiner mehr vor
Weil sie sich all das vor ihrem Umzug überlegt haben, verstehen Doria und Andres ihre Entscheidung auch nicht als Kurzschlussreaktion – so wie manch einer in ihrem Umfeld. „Hysterisch“ würden sie sich verhalten, meint Andres’ Familie, als er ihnen von dem Umzug erzählt. Damit seien sie doch genauso angstgesteuert und impulsiv wie die Leute, die Trump erst zum Präsidenten gemacht haben.
Doch je mehr Zeit vergeht, desto besser verstehen die Leute die beiden. „Mittlerweile wirft uns niemand mehr vor, hysterisch zu sein. Weil alle den Wahnsinn namens Trump erleben“, so Andres.
Ein Wahnsinn, der bei Heather Segal dafür sorgt, dass ihr Telefon nicht mehr stillsteht. Segal ist Anwältin für Einwanderungsrecht in Toronto und berät Menschen, die nach Kanada immigrieren wollen. Sie ist gerade erst mit ihrem Team in ein neues Büro gezogen. Überall stehen noch Umzugskisten. Aber das Bild hinter ihr an der Wand, das hängt schon. Es sieht aus wie von Jackson Pollock. „Hat mein Sohn in der Schule gemalt“, sagt Segal.
Für gewöhnlich kommen ihre Klienten aus Europa oder Asien. Seit Anfang des Jahres sind es aber vor allem US-Amerikaner. Es ist nicht das erste Mal, dass sich auf einen Schlag so viele US-Amerikaner bei Segal melden. Als George W. Bush 2000 zum Präsidenten gewählt wurde, sei das ähnlich gewesen. Allerdings haben damals lediglich zwei der Anrufer Segals Dienste auch wirklich in Anspruch genommen. Anders jetzt bei Trump: „Die Leute meinen es ernst.“
Die Dreamers werden folgen
Eine Massenauswanderung in Richtung Kanada ist bislang allerdings ausgeblieben. Lediglich 1.900 US-Amerikaner haben im ersten Quartal 2017 eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung in Kanada beantragt. Kurz nach der Wahl hatte es noch Meldungen gegeben, dass die Webseite der kanadischen Einwanderungsbehörde zusammengebrochen sei, weil zu viele Menschen aus den USA gleichzeitig auf sie zugegriffen hatten.
Für einen deutlichen Einwanderungsschub in Richtung Kanada könnte aber eine Anfang September getroffene Entscheidung von Trump sorgen. Der Präsident hatte beschlossen, den Abschiebeschutz von Kindern illegal Eingewanderter zu beenden. Sollte der Kongress keine Regelung finden, dann droht den sogenannten Dreamers ab März nächsten Jahres die Abschiebung. Viele der rund 800.000 jungen Menschen könnten dann versuchen nach Kanada zu kommen.
Auch jetzt schon sind unter Segals Klienten Menschen, die ohne gültige Papiere in den USA leben und hoffen, in Kanada einen gesicherten Aufenthaltsstatus zu bekommen.
Segal erzählt in ihrem Büro in Toronto aber auch von anderen Anrufern, etwa von dem weißen Ehepaar mit ihrem Adoptivsohn aus Lateinamerika. Die Eltern fürchten, dass ihrem Kind wegen seiner Herkunft etwas angetan werden könnte. Sie wollen ihn nicht in einem Land großziehen, in dem der Präsident Einwanderer aus Südamerika „Vergewaltiger und Kriminelle“ nennt. „Es wird gerade alles in Frage gestellt, was nicht zum Mainstream gehört“, so Segal. „Und Mainstream heißt, weiß zu sein.“
Aus Syrien geflohen, in den USA nicht sicher
Die Anwältin berät auch ein schwules Paar. Zwar sind Homosexuelle noch nicht im Fadenkreuz der Regierung. Aber „alles scheint möglich“, sagt Segal. Bald könnten auch sie an der Reihe sein.
Das „Bald“ des Polizisten hallt noch in Mohammeds Kopf, als er im März, wenige Tage nach dem Vorfall, das Nötigste zusammenpackt. Die Worte des Polizisten vermischen sich mit anderen unguten Erinnerungsfetzen der vergangenen 20 Monate. Der Kunde im Supermarkt, der einem Arabisch sprechenden Mann sagt, er habe hier in den USA nichts zu suchen. Die Frau, die einen Parkplatzwächter anschreit, er solle dahin zurückgehen, wo er herkomme.
Mohammed hat es in Houston vermieden, Arabisch auf der Straße zu sprechen. Sowieso meidet er die Öffentlichkeit, geht nicht ins Café oder Kino. Wohnung–Arbeit–Wohnung, das ist seine Route. Tagein, tagaus. Alles andere sei zu gefährlich. Es sagt viel über die Vereinigten Staaten aus, wenn ein Mann, der vor dem Krieg in Syrien geflohen ist, sich mitten in den USA nicht sicher fühlt.
Mohammed schaut in den USA keine Nachrichten. „Die haben mir Kopfschmerzen gemacht.“ Trotzdem bekommt er mit, wie Trump über den Islam spricht. Und Mohammed bekommt auch mit, wie Menschen aus Syrien nach Inkrafttreten des Muslim Ban Ende Januar für einige Tage nicht mehr in die USA einreisen dürfen.
Trudeau twitterte Willkommensgruß
Dass ein Gericht das Dekret Anfang Februar zunächst kippt, spielt für Mohammed schon keine Rolle mehr. Er fürchtet, seine Familie nie mehr wiederzusehen. Im Internet hatte Mohammed gelesen, dass die kanadische Regierung Geflüchteten hilft, gemeint ist damit wohl ein Tweet von Justin Trudeau. Einen Tag nachdem Trump seine Unterschrift unter den Muslim Ban setzt, schreibt der kanadische Premierminister auf Twitter: „An alle, die vor Terror und Krieg fliehen, egal welchen Glaubens: Kanada heißt euch willkommen. Vielfalt ist unsere Stärke.“
Doch so schön die Worte Trudeaus im Internet auch klingen – Mohammed hat ein Problem: Auf legalem Weg kommt er nicht nach Kanada. Als registriertem Asylbewerber in den USA würden sie ihm an der kanadischen Grenze die Einreise verweigern. So regelt es ein Abkommen zwischen Kanada und den USA.
Mohammed muss sich also über die Grenze schleichen. Irgendwo im Bundesstaat New York überquert er sie im März, zu Fuß. Wo genau, das will er auch Monate danach nicht erzählen.
Mehr als 15.000 Menschen sind wie Mohammed in diesem Jahr illegal zu Fuß über die Grenze nach Kanada gelangt. Die meisten von ihnen stammen aus Haiti. Sie waren nach dem verheerenden Erdbeben 2010 in die USA gekommen. Im Januar 2018 läuft ihr Schutzstatus dort aus. Darum suchen sie Zuflucht in Kanada.
Mit Erfrierungen angekommen
Im Internet sind Videos davon zu sehen, wie Flüchtlinge illegal die Grenze überqueren: Taxis halten auf einer Straße. Menschen mit Koffern steigen aus, laufen an einem Schild vorbei, auf dem „Road closed“ steht. Hinter dem Schild: Kanada. Es gibt keinen Zaun, keine Barrikade.
Auf der anderen Seite warten kanadische Grenzpolizisten. Sie warnen die Menschen mit ihren Koffern davor, die Grenze illegal zu überqueren. Die Leute laufen trotzdem weiter. Schließlich werden sie von den Polizisten durchsucht und in einem Streifenwagen weggebracht.
So ähnlich war es auch bei Mohammed. Auch bei ihm wartet ein kanadischer Grenzpolizist. Er fragt Mohammed, wo er herkommt. Schon wieder diese Frage, wie in Houston. Doch diesmal ist sie keine Drohung. „Er sagte: ‚Willkommen‘ zu mir“, sagt Mohammed und lächelt.
Nicht bei allen verläuft der Fußmarsch über die Grenze so glimpflich. Im vergangenen Winter irrten zwei Männer aus Ghana stundenlang durch den hüfthohen Schnee im Grenzgebiet der kanadischen Provinz Manitoba. Als ein Truckfahrer sie schließlich an einer Straße aufsammelte, hatten sie so schwere Erfrierungen, dass ihnen im Krankenhaus fast alle Finger amputiert werden mussten. Im Mai erfror eine Frau aus Ghana an der Grenze. Die Behörden vermuten, dass auch sie nach Kanada wollte.
„Ich fühle mich schon ein bisschen feige“
Wer es nach Kanada schafft, kann Asyl beantragen. So macht es auch Mohammed. Die kanadische Einwanderungsbehörde hat die Vorgabe, nicht länger als 60 Tage für die Prüfung eines Antrags zu brauchen. Und exakt nach zwei Monaten bekommt Mohammed eine Antwort.
Doria spricht von Leuten wie Mohammed, wenn sie sagt: „Es gibt Menschen, die brauchen Kanada. Wir wollten einfach nur hierher.“ Andres und sie fliehen nicht vor Rassismus und Abschiebung. Als weißes, privilegiertes Ehepaar hatten sie wenig von Trump zu befürchten.
Im Gegenteil: Sie besitzen die Ressourcen und Fähigkeiten, etwas gegen seine Politik zu unternehmen. So wie es Hunderttausende Menschen gerade in den USA tun. „Ich hätte mich engagieren können. Aber stattdessen bin ich gegangen“, sagt Andres ein halbes Jahr nach ihrem Umzug in seiner hübschen Wohnung in Toronto. „Ich kann meinen schwarzen Freunden nicht beistehen bei einer Demo.“ Er kann ihnen nicht helfen, wenn sie von der Polizei oder Rassisten angegangen werden. „Ich fühle mich schon ein bisschen feige.“
Trotzdem bereuen die beiden ihre Entscheidung nicht. Toronto ist jener liberale, multikulturelle Ort, nach dem sie sich gesehnt haben. Die Stadt genießt den Ruf, mehr für Minderheiten zu tun als viele andere Orte in Nordamerika. Doria und Andres haben Freunde hier, eine schöne Wohnung und Jobs. Dazu leben Andres’ Großeltern in der Nähe. „Wir haben unser Zuhause nicht verlassen, sondern wir bauen es uns hier gerade auf“, sagt Andres.
Arabisch auf der Straße
Eine Heimat möchte sich auch Mohammed in Kanada aufbauen. Als syrischer Bürgerkriegsflüchtling bekommt er im Mai eine zeitlich unbeschränkte Aufenthaltsgenehmigung. Wenn er nichts falsch macht, kann er in vier Jahren die kanadische Staatsbürgerschaft beantragen.
Die ersten Wochen in Kanada verbringt er in einem christlichen Flüchtlingshaus in Toronto. Hier verbessert er sein Englisch und er bekommt Hilfe bei der Jobsuche. „Die Menschen in Kanada heißen dich willkommen“, erzählt er im Garten der Flüchtlingsunterkunft. Es ist das erste Mal, dass er befreit lächelt. „Glaub mir, hier in Kanada ist man viel freier als in den USA.“
Er traut sich sogar, Arabisch auf der Straße zu sprechen. „Ich war in den ersten Wochen in Toronto mehr in der Stadt unterwegs als während meiner gesamten Zeit in Houston.“
Wenn alles gut läuft, dann kann er seine Familie in ein paar Monaten endlich nachholen. Er hofft, dass er nicht mehr allzu lange warten muss. Das Wort „Bald“ macht ihm jetzt keine Angst mehr. Es steckt wieder Hoffnung drin.
David Donschen, 30, war im Sommer in Toronto. Er glaubt nicht daran, dass Trump nächstes Jahr noch US-Präsident ist.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen