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Von wegen BewegungKein Platz für den Sport

In Berlin gibt es zu wenige Sportstätten. Nun ist in Tempelhof-Schöneberg ein Streit zwischen zwei Amateurfußballvereinen entbrannt.

Wenigstens das Olympiastadion ist hui Foto: dpa

Im Bezirk Tempelhof-Schöneberg ist nicht genug Platz für Sport. Es braucht kein Mathe-Talent, um das Problem zu sehen: neun Sportanlagen, auf denen 113 Trainingseinheiten pro Woche für die Fußballteams der Erwachsenen zur Verfügung stehen. Und 121 Mannschaften, die die Einheiten untereinander aufteilen müssen, davon rund ein Drittel Großfeldmannschaften. Wie man es dreht, jeder bekommt zwangsläufig zu wenig. Es ist ein Schicksal, das der Bezirk mit fast ganz Berlin teilt. Und der Grund, warum die Fußballvereine FC Internationale und der Friedenauer TSC Nachbarschaftsstreit haben.

Ende Januar demonstrierten rund 300 Mitglieder des FC Internationale, kurz FC Inter, vor dem Schöneberger Rathaus. „Bezirk wächst – Sport schrumpft“ stand auf den Plakaten, oder „Plätze statt Playstation“. Eine Kampagne, die nach großem Ansatz klang, allerdings geführt mit einer gehörigen Portion Eigeninteresse: In der neuen Aufteilung der Trainingszeiten hatte der FC Inter drei Trainingstage am Sportplatz Eisackstraße abgezogen bekommen, die dem Friedenauer TSC zugeschlagen wurden.

Plätze, Hallen, Geld: Was alles fehlt

Rund 620.000 BerlinerInnen treiben Sport im Verein, davon etwa 200.000 Kinder und Jugendliche. Um die Versorgungslage auf dem Niveau von 2011 zu erhalten, bräuchte Berlin nach Angaben des Senats etwa 60 zusätzliche Großspielfelder und ungefähr 115 Hallenteile mehr. Ein Hallenteil kann unterschiedliche Größen haben, zum Beispiel 15 Meter mal 27 Meter. Einzelhallen bestehen aus einem Hallenteil, Doppelhallen aus mehreren Hallenteilen.

Vor allem an Sportplätzen, den sogenannten ungedeckten Sportanlagen, fehlt es. Die Anlagen sind außerdem je nach Bezirk und auch innerhalb der Bezirke sehr ungleich verteilt. Schlecht versorgt ist Berlin laut einer Studie von 2013 vor allem im Zentrum und im Nordosten.

Im neuen Koalitionsvertrag ist die „Planung und Finanzierung“ neuer Sportstätten mit Hilfe eines „Stadtentwicklungsplans Sport und Bewegung“ festgehalten. Außerdem wird das Sportanlagensanierungsprogramm von der neuen Landesregierung weitergeführt. Das Programm gibt es seit 1998; es stellt Bezirken Mittel zur Verfügung, um Sportanlagen zu sanieren. 2017 sollen insgesamt 18 Millionen Euro bereitstehen. (asc)

Weil der FC Inter parallel lautstark drohte, juristisch gegen die Entscheidung vorzugehen, klang die Demo dann doch eher nach Partikularinteresse denn nach gemeinsamer Rebellion. Andere Vereine wurden nicht eingeladen. Ein Verteilungskampf unter Nachbarn – aber auch das Symptom eines Mangels.

Gezerre um Ressourcen

Seit Jahren ist Sportstättenmangel in Berlin ein Problem, und das Bevölkerungswachstum macht es drängender. Vor allem in den zentralen Bezirken und im Nordosten fehlt es laut einer Studie von 2013 an Anlagen. Und während Hallen wegen der Schulen noch einigermaßen gleichmäßig verteilt sind, sind offene Sportplätze oft völlige Mangelware. Innerhalb des S-Bahn-Ringes ist für neue Anlagen kaum Platz, und wegen Lärmschutzes darf nicht zu nahe an die umliegenden Häuser gebaut werden.

Sein Verein wolle eine Grundsatzdiskussion anstoßen, sagt Gerd Thomas, zweiter Vorsitzender des FC Inter. „Es geht nicht gegen andere Vereine, sondern für den Sport. Die Stadt wächst, die Sportstätten wachsen nicht mit.“ Sport müsse ein Stadtentwicklungsthema werden. Auch der Berliner Fußballverband tue zu wenig, um neue Sportstätten zu finden.

Beim rivalisierenden Nachbarn teilt man die Grundsorge, ist aber wenig angetan vom Vorgehen. „Ich kann den Protest nachvollziehen, wir haben eine Unterversorgung“, sagt Christian Wille, erster Vorsitzender des Friedenauer TSC. „Es wurde in den letzten Jahren verschlafen, neue Flächen zu erschließen.“ Bei der Demo aber gehe es um Inters Eigeninteressen. „Ich bezweifle den Kerngedanken“, so Wille.

Wegen der großen Nachfrage müssten Vereine zumindest teilweise Aufnahmestopps verhängen, aber das ist nicht leicht zu vermitteln; keiner will Kinder abweisen, keiner will in seinem Wachstum zurückstecken. So kommt es zu einem Gezerre um Ressourcen, wo man eigentlich gemeinsam ums große Ganze streiten sollte: die Unterversorgung mit Sportstätten.

Rund 620.000 BerlinerInnen sind in Sportvereinen aktiv, dazu kommen Freizeitsportler und Betriebssportler. Um allein dem Bevölkerungswachstum gerecht zu werden, so der Senat, bräuchte die Stadt 60 zusätzliche Großspielfelder und 115 Hallenteile. Aber es fehlt an Flächen, an Geld und an einem Plan.

„Wir haben einen Mangel zu verwalten“, sagt Elisabeth Korte-Hirschfeld, Vorsitzende des Bezirkssportbundes (BSB). Das heizt Spannungen an; auch solche, die ohnehin zwischen dem politisch engagierten, sich geschickt vermarktenden FC Inter und den alten Clubs existieren. „Der FC Internationale nimmt eine Menge Trainingszeiten für sich in Anspruch, ohne Rücksicht zu nehmen, dass andere Clubs auch Bedürfnisse haben“, so Korte-Hirschfeld.

„Sie sind der Meinung, man müsse sie ständig bevorzugen“, sagt auch Christian Wille vom Friedenauer TSC. „Sie tun ganz viel für Flüchtlinge, aber das machen andere Clubs auch. Nur nicht so laut.“ Wille spricht sogar von Beleidigungen unter der Gürtellinie bei Diskussionen: „Wenn das Sportamt nicht mehr gern mit Inter spricht, liegt das auch an Inters eigenem Verhalten.“

Sein Verein wolle Dinge verändern, hält Gerd Thomas vom FC Inter dagegen. Aber es fehle eine Grundsatzdebatte. „Wir fühlen uns wie in einer Gummiwand“, so Thomas.

Nun soll es ein offizielles Gespräch geben, auch mit dem neuen Sportstadtrat Oliver Schworck (SPD). Der hatte kritisiert, dass Inter über die Presse und Politik Druck ausübe, ohne mit ihm persönlich zu reden. „Ich wurde von allen angesprochen, ich solle doch mal was machen, aber es gab lange kein Gesprächsangebot an mich“, sagt Schworck.

Thomas vom FC Inter hofft, dass alle Vereine an einen Tisch kommen. Und auf langfristige Lösungen für den Bezirk, die vielleicht auch Berlin helfen könnten. Im neuen Koalitionsvertrag heißt es, dass es einen Entwicklungsplan für Sport geben soll; ein sinnvoller Ansatz, aber bisher nichts Konkretes.

Mehr Schulhallen nutzen, Trainingspläne besser takten oder doch noch Flächen finden? Manchmal hakt es schon im Kleinen: Ältere Vereinsmitglieder, heißt es oft, stellen sich stur, wenn ihre Trainingszeiten verschoben werden sollen, und niemand will Krach riskieren mit denen, die die Vereinskneipe am Leben halten. Und die Politik hat es verpasst, Sportstätten bei großen Projekten mitzuplanen. Das rächt sich nun.

„Vielleicht finden wir die eine oder andere Fläche“, so Sportstadtrat Schworck. „Aber wir werden es unter den derzeit bestehenden Bedingungen nicht mehr hinkriegen, eine angemessene Ausstattung im Bezirk zu gewährleisten.“ Da sind die maroden alten Anlagen noch gar nicht mitgedacht: Bis 2020 steigt der Sanierungsbedarf in Berlin laut Senat auf 173 Millionen Euro.

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2 Kommentare

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  • Mit der Mehrheit von SPD und Grünen wurde in der letzten Legislaturperiode beschlossen, den Mädchensport besonders zu fördern. Ebenso sollten die vergebenen Plätze und Hallen im Internet einsehbar sein. An der Umsetzung dieser Beschlüsse hapert es. Der Preis für Engagement im Mädchensport wurde seit 3 Jahren nicht mehr verliehen. Bis heute hat es das personell ausgeblutete Sportamt nicht geschafft, die Trainingszeiten zu veröffentlichen. Das widerspricht BVV-Beschlüssen, aber auch dem Berliner Koalitionsvertrag von rot-rot-grün. Tempelhof-Schöneberg hat mehr Einwohner als Bonn, Bielefeld oder Karlsruhe, aber keinen Sportamtsleiter! Auch das ist Teil der Misere, die auf dem Rücken der Vereine stattfindet. Wir räumen gern ein, dass der jetzige Sportstadtrat Oliver Schworck für die aufgelaufenen Probleme nicht verantwortlich ist. Aber wir erwarten, dass er die lange nicht behandelten Themen anpackt und für eine Entspannung im Bezirk sorgt. Möglichkeiten dafür gibt es. Dass schnelle Veränderungen möglich sind, zeigt der neue Senat bei der Räumung von Sporthallen, indem Geflüchtete in angenehmere Unterkünfte verteilt werden.

    Sollte bei anderen Bedarf bestehen, sich gemeinsam mit dem FC Internationale für eine moderne und integrative Sportpolitik zu engagieren, würden wir das begrüßen. Bislang haben sich nicht viele Vereine dahingehend geäußert. Aber vielleicht liegt das an einer eingeschränkten Wahrnehmung. Wir lassen uns gern eines Besseren belehren.

     

    Die ganze Angelegenheit als persönliche Profilierung von Vertretern des FC Internationale zu reduzieren, geht stark an der Sache vorbei. Ich würde Frau Schwermer empfehlen, sich mal in anderen Bezirken umzuhören. Mit wenigen Ausnahmen wird sie eine ähnliche Gemengelage vorfinden. Dass die Laune der ohnehin überlasteten Vereinsvertreter durch die Sportstättenmisere nicht besser wird, dürfte kaum verwundern. Schon gar nicht bei jeweils prognostizierten über 500 Millionen Baukosten für die Staatsoper und Stadtschloss.

  • Immerhin wurde das Kernthema erfasst. Es gibt zu wenige Sportstätten in Tempelhof-Schöneberg! Dem FC Internationale Eigeninteresse zu unterstellen, ist eine merkwürdige Kritik. Der Vorstand sieht sich natürlich als Interessenvertreter der Mitglieder. Es geht aber nicht gegen andere Clubs. Wir hätten uns gefreut, wenn neben Inter-Mitgliedern weitere von anderen Vereinen zur Demonstration gekommen wären. Persönliche Einladungen haben wir nicht ausgesprochen. Wir haben öffentlich zur Demo aufgerufen. Wer sich angesprochen fühlte, ist gekommen. Wer nicht, ist weggeblieben. Wir haben auf den Transparenten und Flugblättern keine anderen Vereine beschuldigt, darum geht es nicht. Schon gar nicht haben wir Leute beleidigt. Interessant, dass Frau Schwermer so eine Behauptung einfach mal aufschreibt.

    Sicher hat die Politik in Berlin und im Bezirk ihren Anteil an der Misere. Aber es wäre zu einfach, nur mit dem Finger auf die Abgeordneten zu zeigen. Daher hat der FC Internationale mehrfach innovative Modelle für die Vergabe und Nutzung von Sportstätten ins Spiel gebracht. Leider ohne Erfolg. Vor allem der Bezirkssportbund (BSB) verschließt sich Transparenz und zukunftsorientierten Modellen. Nur am Rande: Der Vorsitzende des Friedenauer TSC ist Beisitzer dieser Organisation, in der für keinen Sportverein Mitgliedspflicht besteht, die aber faktisch die Sportpolitik im Bezirk macht. Mehrfach versuchte bspw. die AG Jugendfußball des Berliner Fußballverbands sich in die Vergabe von Trainingszeiten einzubringen, was die BSB-Vorsitzende Korte-Hirschfeld jedoch stets ablehnte. Fürchtet sie den Verlust von Herrschaftswissen? Statt sich Ideen zu öffnen, macht sie die heutige Bürgermeisterin und frühere Sportstadträtin Angelika Schöttler (SPD) für die fehlenden Sportstätten verantwortlich, als hätte es eine CDU-Zuständigkeit nie gegeben. Doch Parteigezänk führt an der Sache vorbei. Es geht um eine moderne und zukunftsorientierte Sportpolitik, in der nicht ausschließlich Tradition zählt.