Von der Polizei geweckt: Blaues Licht zur blauen Stunde
Niemand wird gerne geweckt. Besonders nicht von einer Handvoll Beamter. Selbst dann nicht, wenn man zur Abwechslung kein Verbrechen begangen haben soll.
E s klingelt Sturm an der Tür: in Viererblocks („ding-ding-ding-ding“) ein paar Mal tief im Unterbewusstsein, dann folgen noch so circa 20 Dings in echt. So ganz genau weiß ich es nicht. Der Schlaf war eben noch zu tief, dank der endlich etwas abgekühlten Sommerluft – und wegen der inzwischen angeschlagenen Antihistaminika gegen die Pollen.
Nach ein paar Minuten setzt sich die Randale an der Haustür allerdings gegen die klimatischen wie die pharmazeutischen Downer durch. Es ist jetzt gleich fünf Uhr morgens.
Beim vorsichtigen Spähen durchs Fenster entdecke ich eine Handvoll Polizisten im Vorgarten, was nichts Gutes bedeuten kann, aber immerhin wach macht. Nicht dass man kürzlich was verbrochen hätte, aber aus alter Gewohnheit wird man ja doch immer ein bisschen unruhig bei sowas.
Im Schlepptau haben die Beamten den Nachbarn von gegenüber, der offenbar schneller aus dem Bett kam. Um ihn ging’s dann auch: Sein Auto war nachts wohl rückwärts aus der Einfahrt gerollt und dann weiter über die Straße bis in meinen Zaun. Der Nachbar wirkt ein bisschen ertappt und auch noch etwas wacher als ich.
Klären, was längst klar ist
Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.
Nach Klärung der Sachlage sollten wir Personalien austauschen, meint ein Polizist, woraufhin sich zum bereits zirkulierenden Adrenalin noch ein kleiner Schuss des namenlosen Neurotransmitters gesellt, der fürs Angepisstsein zuständig ist. Ich mein, es ist der Nachbar von gegenüber. Wir haben schon Kinderfahrräder getauscht und sogar mal einen Kohlrabi. Aber das ist eine andere Geschichte.
Die Rahmenbedingungen meiner Laune werden jedenfalls immer diffuser: zu früh geweckt von zu viel Polizei, ein hässlicher Zaun, der mich nicht interessiert, und ein Nachbar, bei dem ich nur hoffen kann, dass seine Kinder trotz allem genauso komatös in ihren Betten liegen wie meine.
Tja nun, es ist ja sicher alles gut gemeint – und war übrigens auch schon der zweite Polizeibesuch seit dem Umzug aufs Land. Das andere Mal wurden sie von (allerdings anderen) Nachbarn gerufen, weil unsere Haustür offen stand …
Aber so wie damals findet auch dieser Einsatz ein baldiges Ende, doppelt unterstrichen durch mein verschlafenes „Ja“ auf die Frage, ob ich hier eigentlich der Eigentümer sei. Das bin ich nämlich zum Glück. Sonst hätte ich den ja auch noch anrufen müssen und dann hätten sich neben Autos und Schutzpolizei vermutlich bald noch irgendwelche Tiefbauunternehmen in meinen Garten gesellt.
Friede den Hütten
Denn der mutmaßliche Arsch von Eigentümer wird es ganz bestimmt irgendwie hinbekommen, den Kratzer am Zaun zum gewaltigen Versicherungsschaden aufzublasen und bei der Reparatur noch Carport und/oder Tiefgarage einzuheimsen. Kennt man ja.
Witzig ist die ganze Geschichte selbstverständlich nur deshalb, weil ich als weißer Hauseigentümer auch nachts in Unterwäsche mit Ruhepuls an die Tür schludern kann, wenn die Polizei den Garten stürmt. Wie es dem nun nicht ganz so kartoffeligen Nachbarn und seiner Familie damit ging, kann ich nur raten. Das heißt: Ich werde ihn gleich nach Redaktionsschluss noch fragen, sobald er rüberkommt, um bei Tageslicht über die Zukunft des Zauns zu verhandeln.
Und wenn auch das einmal ausgestanden ist, dann suche ich diesen Schalter, mit dem man die Klingel ganz abstellen kann, so wie die Voreigentümer:innen es ihrerzeit mal eingerichtet hatten. Ich hatte mich beim Umbau schon gefragt, was der Quatsch eigentlich soll. Und jetzt – naja – jetzt hab ich’s eben doch verstanden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen