Das Portrait: Von der Heldin zum Sündenbock
■ Kelly Flinn
US-Luftwaffen-Pilotin Kelly Flinn Foto: AP
Es sollte eine mustergültige Karriere werden, eine typisch amerikanische Heldensaga. In der Hauptrolle: Kelly Flinn, Topabsolventin der „Air Force Acadamy“, erste Frau im Cockpit eines B-52-Bombers, Paradebeispiel für die Integration von Frauen ins US-Militär.
Noch darf Leutnant Kelly Flinn die Uniform der „Air Force“ tragen, doch statt einer Karriere als Offizierin stehen ihr nun ein kafkaesker Prozeß vor dem Kriegsgericht und möglicherweise neun Jahre Haft bevor. Ihr Vergehen: Eine Liebesbeziehung mit einem verheirateten Zivilisten, was nach dem Militärgesetz als „Ehebruch“ zu bestrafen ist. Ihr Pech: Nach den zahlreichen Vorfällen sexueller Gewalt und Belästigung in den Rängen des US-Militärs möchte man ein weiteres Exempel ausgerechnet an der 26jährigen Pilotin statuieren. „Zero Tolerance“ (null Toleranz) heißt die Devise, die seit einigen Jahren im Pentagon gepredigt und praktiziert wird. Der Einfachheit halber wird dabei alles zusammengeworfen, was mit den Buchstaben s, e und x anfängt – von sexueller Gewalt bis zu sexuellen Beziehungen, wenn einer der Partner verheiratet ist. „Zero Tolerance“ ist dabei ein Euphemismus, denn es meint, so die Washington Post, in Wirklichkeit folgendes Ritual: „Eine inquisitorische Untersuchung, um ein oder zwei untergeordnete Armeeangehörige herauszufischen und als Schuldige abzustempeln.“ Inquisitorischen Fragen sah sich auch Flinn ausgesetzt: Interne Ermittler der Luftwaffe befragten sie nach ihren sexuellen Praktiken, verhörten ihren Exfreund, einen Fußballtrainer namens Marc Zigo, der sich nun als Zeuge gegen sie zur Verfügung gestellt hat. Denn Flinn hatte ursprünglich behauptet, mit Zigo nur ein platonische Beziehung gehabt zu haben, was ihr nun auch noch den Anklagepunkt einbringt, ihre Vorgesetzten angelogen zu haben. Der Prozeßbeginn wurde am Dienstag auf Antrag von Flinns Anwalt erst einmal verschoben, nachdem seine Mandantin ihren Austritt aus der Armee angeboten hatte, falls man das Verfahren einstelle und ihr eine ehrenhafte Entlassung bescheinige. Eine solche Zusage des Pentagon gilt als unwahrscheinlich. Inzwischen setzt sich sogar der Fraktionsführer der „Republikaner“ im Senat, Trent Lott, öffentlich für Kelly Flinn ein. Im Umgang mit Menschen habe das das Pentagon „einfach keinen Bezug mehr zur Realität“, schimpfte der Senator. anb
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