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Von Huren und Engeln

■ Nicht nur von der Geschlechterfront: Schmidt Theater und Schmidts Tivoli zeigen im nächsten Jahr Neues und Bewährtes Von Christian T. Schön

Auch die letzten (mathematischen) Zweifler werden jetzt nicht mehr bestreiten können, dass wir im neuen Jahrtausend angekommen sind. Bleibt alles anders, alles beim Alten oder wird alles neu? Zum Jahresauftakt bleibt im Schmidt Theater und Schmidts Tivoli zumindest erstmal alles beim Alten.

Mit den Dauerbrennern Herrchens Frauchen und Sixty Sixty aus dem letzen Jahr wird die erste Januarhälfte bestritten, bis sie am 21. Januar mit einem Tag der offenen Tür schließlich in die neue Saison starten: Gayle Tifts und Rainer Bielefeldt bringen zum Auftakt The Big Show in die Stadt. Die US-Wahlberlinerin und ihr Pianist blasen auf Dinglish (Deutsch-Englisch) zum Sturm auf die deutsch-amerikanischen Verhältnisse, was Aussprache, Grammatik, Bodyfitness und Wahlsystem anbelangt. Spannend dürfte sein, wie Gebärdensprachdolmetscher am 2.2. das sprachliche Kuddelmuddel in der Aufführung für Gehörlose übersetzen.

Ein paar Tage später folgt im Tivoli das erste, ein wiederholtes Highlight: Die Altautorocker Stefan Gwildis und Christian von Richthofen spielen zum fünften Mal in ihrem Programm Auto Auto! mit Äxten, einer Flex und Baseballschlägern auf ihrem Lieblingsinstrument, einem ausrangierten Opel Kadett E, und singen wilde Lieder rund um das deutsche Lieblingskind. Opel Gang lässt grüßen.

Was ist ein Unterwäschekreis? – Wenn Anfang Januar eine Unterhosen-Wäscheleine über der Reeperbahn im Wind flattert, wird die Lösung Caveman heißen (Regie: Esther Schweins). In diesem Ein-Mann-Stück von Rob Becker trifft Tom (Kristian Bade) in seinem „Unterwäschekreis“ (dabei handelt es sich um die angeblich legendäre männliche Angewohnheit, seine Wäsche rund ums Bett liegen zu lassen) einen Höhlenmenschen, der die Wahrheit über Mann und Frau weiß: Männer sind Jäger, Frauen sind Sammler, Sex ohne Rumsitzen und Rumsitzen ohne Reden – so lautet eine Auswahl der möglichen Antworten.

Womit das bewährte Thema Mann/Frau erst so richtig in Fahrt kommt. Eine regelrechte Frauen-Comedy-Serie beginnt im Februar im Schmidt: Queen Bee erklären in Freundinnen müsste man sein den Krieg an allen Geschlechterfronten – und singen doch von Frauenfeindschaften. Martina Brandl („7 Köpfe, 7 Töpfe“) stellt „Nur keine Angst“ und Käthe Lachmann „Andere lassen sich piercen“ vor. Irmgard Knef (Hildegards heimliche Schwester, so die Fiktion) präsentiert in „Aufgestanden aus Ruin“ die lange verschollenen „Originalversionen“ der Chansons ihrer berühmten Schwes-ter, die selbige (natürlich) nur von ihr geklaut hat.

Derweil erobern im Tivoli Märchengestalten die Bühne: Romy Haag singt noch einfache Balladen für Huren und Engel nach Texten von Berthold Brecht, Hannes Wader und Jacques Brel, sowie eigene Kompositionen. Doch der Teufel folgt ihr bereits auf dem Fuße: Hallo Luzie vom Theater Zeppelin ist Musiktheater für Kinder, in dem der kleine Teufel Luzie mit der Bösartigkeit der Welt und dem Schutzengel Engelbert konfrontiert wird. Und schließlich redet und raucht, singt und trinkt Georgette Dee in Drachenland, während Terry Truck sie verzaubert am Klavier akkompagniert.

Die Shootingstars Malediva und Pianist Florian Ludewig machen schaulaufen auf der Bühne – hintergründige Ohrwürmer, wüste Improvisationen und Gänsehaut garantiert.

Comedy-Vielgänger mit Fernsicht und Durchhaltevermögen können sich schonmal das 10jährige Jubiläum des Tivoli am 1. September notieren, sowie die beiden damit verbundenen Festivals: Straßentheater im August und Kiez-Comedy im September.

Tag der offenen Tür: 21.1.

Infos unter www.tivoli.de

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