Von Deutschland aus koordiniert: Waffen- und Munitionstransfers
Geldwäsche, Rüstungstransfers, Telefonate mit Kommandeuren: Die ruandische Hutu-Miliz wurde von Deutschland aus gesteuert. Das ist in einem neuen UN-Bericht zu lesen.
![](https://taz.de/picture/330007/14/burundi.jpg)
BERLIN taz | Als Beamte des Bundeskriminalamtes am 17. November die beiden in Deutschland lebenden Führer der ruandischen Hutu-Miliz FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas) in Karlsruhe und Nürtigen festnahmen, wussten die deutschen Behörden schon, dass ihnen im jetzt vorliegenden UN-Expertenbericht harsche Kritik droht.
FDLR-Präsident Ignace Murwanashyaka und sein Vize Straton Musoni hatten die Miliz jahrelang von Deutschland aus geführt. Bis zur Haftprüfung im nächsten Februar müssen die Ermittler zusätzliche Beweise für ihren Vorwurf vorbringen, wonach die beiden für Verbrechen gegen die Menschlichkeit verantwortlich seien.
Einige liefert jetzt der UN-Bericht. Den UN-Experten liegt ein amtliches FDLR-Dokument vor, das Präsident Murwanashyaka als "Oberkommandierenden der FDLR-Streitkräfte" bezeichnet und Musoni als "Präsident des FDLR-Oberkommandos" mit dem im Frankreich lebenden Exekutivsekretär Callixthe Mbarushimana als sein Stellvertreter. Bisher waren die drei nur als zivile Köpfe der Gruppe in Erscheinung getreten. Jetzt wird auch ihre formale militärische Verantwortung deutlich.
Einen direkten Zusammenhang mit Kriegsverbrechen sehen die UN-Ermittler bei einem Massaker der FDLR an 60 bis 96 Zivilisten im ostkongolesischen Ort Busurungi am 10. Mai 2009. Das Blutbad war möglicherweise ein Racheakt für vorherige Tötungen ruandischer Hutu durch kongolesische Soldaten und wurde verübt, als es zwischen der FDLR und Kongos Armee intensive Kämpfe gab.
Murwanashyaka sei vom 5. bis 16. Mai 14-mal in Kontakt mit den lokalen FDLR-Kommandanten gewesen, heißt es. Am 9. Mai habe es vier SMS-Nachrichten von FDLR-Militärchef Sylvestre Mudacamura an seinen Präsidenten gegeben und eine zum Ende des Angriffs auf Busurungi am 11. Mai.
Die UN-Expertengruppe schließt vorsichtig: Obwohl sie den Inhalt der Kommunikationen nicht kenne, stellt sie fest, "dass das Muster der Kommunikation, bestätigt durch FDLR-Aussagen über die Befehlserteilung der FDLR-Führung an Feldkommandanten, es nahelegt, dass Herr Murwanashyaka zumindest über die Vorbereitung des Angriffs auf Busurungi informiert gewesen sein muss und an dem Befehl zum Angriff direkt beteiligt gewesen sein könnte."
Ignace Murwanashyaka war aber nicht nur mit dem Kriegsgeschehen im Ostkongo befasst. "Herr Murwanashyaka ist an der Koordination von Waffen- und Munitionstransfers an FDLR-Einheiten beteiligt gewesen und hat spezifische Instruktionen über ihren Einsatz weitergeleitet", heißt es im UN-Bericht. "Die Gruppe hat auch Beweismittel erhalten, wonach Murwanashyaka an der Verwaltung großer Geldsummen beteiligt ist, die aus dem illegalen Verkauf von natürlichen Ressourcen aus Gebieten unter Kontrolle der FDLR stammen."
Eine Geldquelle sei unter anderem die Handelsfirma Muyeye, eines der größten Mineralienkontore Ostkongos in der Stadt Bukavu. Deren Mitarbeiter Jean-Marie Shamavu überweise Geld aus dem Kongo an Murwanashyakas Mitarbeiter Metete Nzita in Deutschland. Auch Straton Musonis Frau Brigitte Musoni wird im Zusammenhang mit Transaktionen und Telefonaten genannt.
Fragen an die deutschen Behörden zu den Transfers seien nicht beantwortet worden, obwohl damit von Deutschland aus UN-Sanktionen gebrochen werden. Die Experten beklagen auch, dass die deutschen Behörden auf die Frage, wer die im September nach einer taz-Anfrage gesperrte FDLR-Webseite bezahlt habe, ebenso wenig geantwortet hätten wie auf Bitten, Kopien des E-Mail-Verkehrs in Murwanashyakas gesperrtem Mailkonto zu erhalten.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Denkwürdige Sicherheitskonferenz
Europa braucht jetzt Alternativen zu den USA
„Edgy sein“ im Wahlkampf
Wenn eine Wahl als Tanz am Abgrund verkauft wird
Verlierer der Wahlrechtsreform
Siegerin muss draußen bleiben
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Jugendliche in Deutschland
Rechtssein zum Dazugehören
Nach der Sicherheitskonferenz
Expressverbindung von München nach Paris