Volkswagen investiert in der Türkei: Autofabrik für Autokraten
VW sorgt für Arbeitsplätze in der konservativen Region Izmir. Das ist ein wirtschaftlicher Erfolg für den isolierten Staatschef Erdoğan.
Laut ARD ist der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdoğan VW dafür weit entgegengekommen. Nicht nur was Subventionen für den Standort in Manisa bei Izmir angeht; sondern er soll auch zugesagt haben, die Steuern beim Verkauf der Neuwagen, die bis zu 40 Prozent des Verkaufspreises betragen können, signifikant zu senken.
Ausschlaggebend bei dem Votum für die Türkei war wohl, dass der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil als Vertreter für das Land Niedersachsen, das knapp 20 Prozent der Anteile an VW hält, keine Bedenken wegen der Menschenrechtslage in dem Land geäußert hat. Lediglich die Vertreter der Gewerkschaft hätten die Entscheidung für die Türkei bis zuletzt kritisch gesehen.
Für die Türkei spricht der eigene große Binnenmarkt bei 80 Millionen Einwohnern und die günstige Lage für Exporte in den Nahen Osten und nach Asien. Außerdem waren die beiden Konkurrenzstandorte in Bezug auf Rechtssicherheit, Menschenrechte und speziell Arbeitnehmerrechte auch keine Champions.
VW will in Manisa ein großes Werk bauen, in dem sowohl der Passat als auch Modelle von Škoda und Seat produziert werden können. Letztlich geht es darum, dass VW sukzessive die Produktion von Diesel- und Benzinfahrzeugen an die Peripherie verlagern will und die Fabriken in Deutschland nach und nach voll auf die Produktion von Elektromodellen umstellen will.
Dabei gehen die Manager in Wolfsburg wohl zu Recht davon aus, dass Umweltauflagen für Verbrenner-Autos in der Türkei wie im gesamten Nahen Osten und großen Teilen von Asien wohl für längere Zeit denen in der EU noch weit hinterherhinken werden und deshalb Autos mit alter Technologie in diesen Teilen der Welt noch lange verkauft werden können.
Für Staatspräsident Erdoğan wäre der Schritt von VW ein großer Erfolg. Gerade in dem Moment, in dem er außenpolitisch sehr isoliert ist und sowohl mit den USA wie auch mit der EU im Clinch liegt, könnte er ein neues VW-Werk in der Türkei als Vertrauensbeweis für sich persönlich ausschlachten. Außerdem wäre das Signal auch angesichts der derzeitigen ökonomischen Krise im Land wichtig. Kommt der Großkonzern VW mit einem neuen Werk ins Land, könnten auch andere Investoren, die angesichts der politischen Lage und der zunehmenden Rechtsunsicherheit schon länger einen Bogen um die Türkei gemacht haben, wieder zurückkommen.
Konkret würde das Werk mehrere Tausend neue Arbeitsplätze für den Großraum Manisa bedeuten. Der Ort in der Nähe von Izmir war eine der wenigen Großstädte an der Ägäisküste, die die Koalition aus Erdoğans AKP und rechtsradikaler MHP bei den Kommunalwahlen im März dieses Jahres gewinnen konnte. Auch deshalb wäre das Werk gerade in dieser Stadt ein schöner Erfolg für Erdoğan. Kommt nicht im letzten Moment noch etwas dazwischen, sollen die Verträge im Oktober unterschrieben werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Ärzteschaft in Deutschland
Die Götter in Weiß und ihre Lobby
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Der alte neue Präsident der USA
Trump, der Drachentöter