: Volksfest ohne Plakat
■ Dürfen Demo-Transparente beim Rathausgeburtstag entrollt werden?
Vor Zimmer 142 des Amtsgerichts sah es aus wie nach einer gescheiterten Demo: ein Häufchen Männer mit einem zusammengerollten Transparent, die Hände fahl-blau von dessen Farbe, neugierige ZuschauerInnen und ein paar Polizisten. Sie waren als Zeugen gekommen, gestern im Prozeß gegen Frank Eyssen und Holger Hanisch aus dem Planungsbüro des Gesundheitszentrums Hafenkrankenhaus. Sie stehen vor Gericht, weil sie ein Plakat ausgerollt haben, wo sie keines ausrollen durften: Auf dem Rathausmarkt.
Das war so, sagt Frank Eyssen: Er wollte zum Auftakt des wochenlangen Rathausgeburtstags, zu einer Veranstaltung namens „Hamburg macht Fest“. Im Mai 1997 war das, und Henning Voscherau, damals noch wahlkämpfender Bürgermeister, wollte eine Rede halten. Weil der Chef-Sozialdemokrat dabei vermutlich auch über das Hafenkrankenhaus sprechen wollte, sagt Eyssen, habe er ein Plakat mitgenommen, darauf stand: „100 Jahre Rathaus – 97 Jahre Hafenkrankenhaus – Wir feiern 2000.“
Ein Verstoß gegen das Bannmeilengesetz, belehrten ihn zwei Polizisten. Gleiches gelte für Holger Hanisch und für zwei weitere Männer, die ein Plakat trugen, auf dem stand: „So, Voschi, jetzt gibt's 'nen Einlauf.“Um das Rathaus herum dürfe nicht demonstriert werden, eine Ausnahmegenehmigung läge nicht vor.
Das sollte sie aber, argumentierte Eyssen. Schließlich fand auf dem Rathausmarkt ein Volksfest statt, sogar mit einer politischen Rede des Bürgermeisters. Deshalb dürfe das Bannmeilengesetz an diesem Tag nicht gelten. Zudem habe er das Plakat nur ausgerollt, weil die Polizisten es lesen wollten.
Ob er und sein Mitstreiter Hanisch trotzdem verurteilt werden, entscheidet das Gericht am kommenden Dienstag. Die Bedenken der Staatsanwaltschaft sind offensichtlich: Erlaubt man Plakate bei Volksfesten, riskiert man im Zweifel Demos auf dem Weinfest und Kundgebungen auf dem Weihnachtsmarkt. Eyssens Plakat lagert nun im Gerichtsgebäude – ein Angebot des Richters, weil es „so umständlich zu transportieren“sei.
Judith Weber
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