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VolksbegehrenLetzter Aufruf Tempelhof

Zum ersten Mal in der Geschichte findet in der Hauptstadt ein Volksentscheid statt. Die Berliner stimmen über die Zukunft des alten Wessi-Flughafens Tempelhof ab. Oder etwa nicht? 16 Fragen mit genauso vielen Antworten.

Gähnende Leere ist jetzt schon in der Abfertigungshalle angesagt. Dennoch wollen die Tempelhof-Fanatiker am alten Flughafen festhalten. Bild: AP

Und so geht's

Man muss gar nicht früh aufstehen: Wie bei Wahlen sind die Stimmlokale von 8 Uhr morgens bis 18 Uhr abends geöffnet. Am besten, Sie bringen die Abstimmungsbenachrichtigung und einen Ausweis mit Lichtbild mit. Sie dürfen auch zum Volksentscheid gehen, wenn Sie die Benachrichtigung verloren haben. Übrigens: Wer für die Offenhaltung des Flughafens Tempelhof ist, muss "Ja" ankreuzen, wer sie ablehnt, muss "Nein" ankreuzen.

Um was geht es bei dem Volksentscheid eigentlich?

Zunächst einmal um die Zukunft des Flughafens Tempelhof. Die Stilllegung wurde schon 1996 vom damaligen schwarz-roten Senat beschlossen. Die jetzige Landesregierung aus SPD und Linken will das Ende Oktober umsetzen. Doch kurz vor der Schließung haben sich Flughafenfans und Airlinevertreter zusammengeschlossen zur Interessengemeinschaft City Airport Tempelhof (Icat), um für den Erhalt zu kämpfen. Sie werden unterstützt von der Berliner CDU und der FDP. Und seit neuestem von Bundeskanzlerin Angela Merkel persönlich. Der Streit über Tempelhof ist auch eine Machtprobe zwischen Senat und Opposition.

Wie viele Stimmen brauchen die Flughafenfans von der Icat?

Beim Volksentscheid sind wie bei den Abgeordnetenhauswahlen all jene stimmberechtigt, die volljährig sind und einen deutschen Pass haben. Rund 2,44 Millionen Berliner können also an die Urne gehen. Mindestens 25 Prozent der Wahlberechtigten - das sind 611.000 Berliner - müssten für den Weiterbetrieb von Tempelhof stimmen, damit die Icat gewinnt. Die Jastimmen müssten zugleich die Mehrheit der abgegeben Stimmen darstellen.

Was wird aus Tempelhof, wenn die Flughafenfreunde nicht genug Jastimmen zusammenbekommen?

Dann wird Tempelhof Ende Oktober geschlossen. Der Senat will das Gelände zu einem großen Landschaftspark umgestalten. Mit Wohnhäusern und Gewerbeansiedlungen, die sich als Ring um das grüne Parkareal in der Mitte legen.

Was wäre noch alles denkbar?

Sehr viel. Zum Beispiel ein großer See. Ein Büffelgehege. Ein Golfplatz. Ein Tierasyl für all jene Katzen, Inzestgiraffen und Hybridkarpfen, die sich im Zoo schlecht behandelt fühlen.

Wird das Gebäude abgerissen?

Quatsch. Über Geschmack lässt sich zwar streiten, der riesenhafte, teilweise unfertige NS-Bau steht aber unter Denkmalschutz. Wie er genutzt werden soll, ist noch völlig offen.

Was passiert mit dem Rosinenbomber?

Ein Trost für alle Luftbrücken-Nostalgiker: Die alte Maschine darf auf der Wiese stehen bleiben, beteuert die Sprecherin der Stadtentwicklungsverwaltung.

Kann es sein, dass auf dem Flugfeld Luxushäuser gebaut werden, die dann die Mietpreise in der Umgebung verderben?

Nach den bisherigen Plänen nicht. Aber politische Mehrheiten können sich ändern - und damit vielleicht auch der Umgang mit dem Tempelhofer Feld.

Kann ich einfach zu Hause bleiben, wenn ich gegen den Erhalt von Tempelhof bin?

Nein. Denn es ist möglich, dass die Wahlbeteiligung hoch ist und die Flughafenbefürworter die nötige Stimmenzahl von 611.000 bekommen. Dann geht es wie bei jeder Wahl darum, wer die Mehrheit hat. Außerdem ist so ein Volksentscheid natürlich ein politisches Signal: Wenn kaum einer gegen Tempelhof stimmt, wird das auch die anschließende Debatte prägen.

Wie wahrscheinlich ist es, dass die Flughafenbefürworter gewinnen?

In einer Umfrage von infratest dimap aus der vergangenen Woche sagten 61 Prozent der Befragten, sie würden für den Erhalt von Tempelhof stimmen. Nur 39 Prozent wollen demnach dagegen votieren. Das heißt jedoch noch lange nicht, dass all diese Menschen tatsächlich zur Abstimmung gehen. Vor allem der Ostteil der Stadt, aber auch viele Zugezogene verbinden nur wenig mit dem Westberliner Flughafen. CDU und FDP haben zudem bei den vergangenen Abgeordnetenhauswahlen insgesamt nur knapp 400.000 Stimmen bekommen - also viel weniger, als sie jetzt am Sonntag brauchten. Allerdings ist Tempelhof für viele Berliner keine parteipolitische Frage.

Was geschieht, wenn die Flughafenfreunde Erfolg haben?

Offiziell muss der Senat Stellung beziehen - mehr aber auch nicht. Und der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) hat bereits deutlich gemacht: Egal wie der Volksentscheid ausgeht, Tempelhof wird geschlossen. Rechtlich ist der Senat an das Ergebnis des Volksentscheids nicht gebunden.

Aber kann der Senat das Votum des Volkes so einfach ignorieren?

Eine spannende Frage. Wowereit und seine Kollegen müssten sich Vorwürfe gefallen lassen, sie handelten undemokratisch und arrogant. Zumal ein Sieg der Flughafenfans für Wowereit in jedem Fall eine politische Niederlage wäre. Dann würde klar: Der Regierende Bürgermeister hat das Thema lange unterschätzt, sein politischer Instinkt hat in diesem Fall versagt.

Was passiert, wenn sich die Icat trotz allem gegen den Senat durchsetzen sollte?

Dann düsen demnächst jede Menge Flieger über die südliche Innenstadt, die mit ihrem Kerosin Dachterrassen und Hinterhöfe benetzen. Die Icat selbst sagt: Damit sich Tempelhof als Verkehrsflughafen rechnet, müssten 60.000 Maschinen jährlich dort starten und landen. Das sind dreimal so viele Flugbewegungen wie bisher.

Kann denn nicht alles so bleiben, wie es ist?

Klar. Das Vergnügen kostet den Steuerzahler aber 10 Millionen Euro im Jahr. So viele Verluste fährt der Flughafen laut Senat derzeit ein. Wenn man das Geld nicht verschleudern will, muss man den Flughafen schließen. Oder ausbauen.

Und was wäre das Beste für die zahlreichen Feldlerchen, die sich auf dem Gelände eingenistet haben?

Die fühlen sich mit startenden und landenden Flugzeugen bisher offenbar sehr wohl. Der Naturschutzbund meint aber, dass die Tiere auch in einem Landschaftspark gut aufgehoben wären. Vorausgesetzt, man sperrt bestimmte Bereiche für Besucher.

Was muss ich tun, wenn ich grundsätzlich gegen Flughäfen bin?

Kaufen Sie sich eine Bahncard 100 und boykottieren Sie jeglichen Flugverkehr. Beim Volksentscheid sind Sie aber schon jetzt der große Verlierer. Denn der Großflughafen in Schönefeld kommt so oder so.

Und was ist, wenn mich das ganze Theater überhaupt nicht interessiert?

Dann machen Sie sich einfach einen schönen Sonntag.

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3 Kommentare

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  • L
    Lupus

    Mein lieber Heinrich,

     

    Sie scheinen ja emotional sehr betroffen zu sein. Das hilft, sich für ein Thema zu interessieren, behindert aber bei übermäßiger Ausprägung sachliches Denken.

     

    Ich bin kein Tempelhof-Hasser. Im Gegenteil: Tempelhof ist mein absoluter Lieblings-Flughafen. Es gibt in ganz Europa keinen schöneren, und ich fand es immer klasse, von dort nach Münster oder Baden-Baden zu fliegen - und eben nicht von Schönefeld oder Tegel aus. Der Flughafen hat eine imposante Architektur, und in diesen alten Gängen darauf zu warten, dass man dann einfach über das Flugfeld in eine kleine Maschine einsteigen kann, weckt durchaus nostalgische Gefühle.

     

    Aber leider ist der Flughafen einfach nicht mehr zeitgemäß und viel zu teuer. Das haben vor über 10 Jahren auch Senat und Bundesregierung erkannt; beide damals übrigens gebildet von der CDU, die heute ihren Beschluss nicht mehr wahrhaben will und denen, die ihn umsetzen müssen, gegen den Karren fahren möchte. Eine ganz üble politische Masche, die an Heuchelei kaum mehr zu überbieten ist.

     

    Es gibt nur ganz wenige Gründe, diesen Flughafen in Betrieb zu lassen. Wirtschaftliche sind es jedenfalls nicht. Selbst wenn Flugverkehr von Schönefeld nach Tempelhof verlegt würde, um ihn annähernd rentabel zu machen, wären das lediglich Kanibalisierungseffekte. Der Gewinn würde bei Schönefeld fehlen, Berlin würde davon wirtschaftlich also nicht profitieren. Zusätzliche Besucher wird der Flughafen nicht bringen, denn es wird kein einziger Mensch Berlin deswegen besuchen, weil es einen Flughafen in der Innenstadt gibt. Geschäftsleuten ist das relativ egal, die gehen dorthin, wo das Geschäft sitzt, egal wo der Flughafen ist. Der Münchener Flughafen ist Dutzende von Kilometern von München entfernt, und trotzdem boomt die Region. Und für Touristen ist der Flughafen Tempelhof wegen der hohen Kosten sowieso gänzlich ungeeignet.

     

    Dann lieber einen Golfplatz. Innerstädtische Golfplätze sind durchaus attraktiv und ziehen eine zahlungskräftige Kundschaft an. Oder einen Vergnügungspark. Die Verkehrsanbindung ist dafür perfekt, und seitdem im Plänterwald nichts mehr los ist, fehlt etwas.

     

    Das würde sicherlich Anton nicht gefallen, aber das riskiere ich jetzt mal. Wird sowieso nicht dazu kommen.

     

    Bleiben nur zwei Gründe, ihn offenzuhalten: Nostalgie und die Möglichkeit, dem rot-roten Senat eine auszuwischen. Meine Nostalgie ist zwar recht groß beim Gedanken an Tempelhof, aber sie reicht nicht aus, um jedes Jahr 10 Millionen Euro Verlust finanzieren zu wollen. Und dem rot-roten Senat kann man eher bei Wahlen eine auswischen, wenn man das denn will.

     

    Noch ein kleiner Tipp zum Schluss: Wenn Sie jemanden überzeugen wollen, hilft es wenig, ihn zu beschimpfen. Und Unentschlossene werden Sie mit Argumenten viel eher erreichen als mit Beschimpfungen.

  • H
    Heinrich

    Dumm gelaufen für die linken Tempelhof-Hasser, das Volk ist für Tempelhof.

     

    Und wenn der Volksentscheid dies Ergebnis hat, ist das ein gewichtiges politisches Signal an die Links-Fanatiker in der Regierung.

  • A
    Anton

    "Kann es sein, dass auf dem Flugfeld Luxushäuser gebaut werden, die dann die Mietpreise in der Umgebung verderben?

     

    Nach den bisherigen Plänen nicht. Aber politische Mehrheiten können sich ändern - und damit vielleicht auch der Umgang mit dem Tempelhofer Feld."

     

    - Es glaubt doch wohl niemand im Ernst, dass die auf dem Tempelhofer Feld zu bauenden Wohnungen einem - wie auch immer gearteten - Konzept sozialen Wohnungsbaus folgen werden. Wenn dort nicht gerade Plattenbau entsteht, wird sich das Miet-/Sozialniveau mit 99%iger Wahrscheinlichkeit steigern und zu einer Segregation führen.