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Vitamin D-Mangel in DeutschlandPille oder Sonnendeck

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung rät zu Vitamin-D-Präparaten. Experten warnen vor übermäßigem Konsum. Eine Alternative wäre Sonnenlicht.

Um auf den von der DGE empfohlenen Tageswert von Vitamin D zu kommen, muss man per Pilleneinahme nachhelfen. Bild: dpa

BERLIN taz | Rund 60 Prozent der Deutschen haben laut einem aktuellen Bericht der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) einen Mangel an Vitamin D. Als Konsequenz hat sie die empfohlene tägliche Aufnahmemenge für dieses Vitamin drastisch erhöht: Von bisher 5 auf jetzt 20 Mikrogramm.

Weil über die Ernährung laut DGE aber nur 2 bis 4 Mikrogramm aufgenommen werden, bedeutet die Empfehlung faktisch, dass die meisten Menschen künftig Pillen nehmen müssten - sofern sie nicht mehrere Stunden täglich im Freien verbringen. Denn bei Sonnenschein bildet der Körper Vitamin D.

Der neue Richtwert ist nicht unumstritten. Denn obwohl der Nährstoff wichtig für die Knochen ist, kann er leicht überdosiert werden. "Wer die Höchstdosis von 50 Mikrogramm am Tag überschreitet, muss mit gefährlichen Kalziumablagerungen in Gefäßen und Organen rechnen", sagt Professor Regina Brigelius-Flohé vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung (DIfE).

Für jüngere Menschen kaum zu schaffen

Die von der DGE empfohlenen 20 Mikrogramm am Tag seien zudem selbst für jüngere Menschen kaum zu schaffen, bei denen die körpereigene Vitamin D-Produktion einwandfrei funktioniert. Weil die sogenannte endogene Synthese ab ca. 65 rapide nachlässt, sind Präparate ausdrücklich für Ältere bestimmt. "Da kann die Einnahme von 2 bis 3 Tabletten täglich schnell zu Nebenwirkungen führen, weil die Empfehlung von 20 Mikrogramm sehr nah an der Maximalmenge liegt", warnt die Forscherin deshalb.

Auf Nachfrage betonte auch Silke Restemeyer, Pressereferentin der DGE, dass Präparate vor allem für die Über-65-Jährigen geeignet sind. So könnten Jugendliche und Erwachsene Mängel über mehr Aufenthalte im Freien ausgleichen: "Bei einem Viertel unbedeckter Haut produziert der Körper in drei bis acht Minuten zehn Mikrogramm Vitamin D."

Diese Schätzung gilt jedoch für die Mittagszeit in Barcelona, wo die Sonne viel stärker strahlt als auf unserem Breitengrad. Die Frage, wie ein Hamburger Büroangestellter die 20 Mikrogramm ohne Präparate und Spanienurlaub erreichen kann, ließ Restemeyer offen.

Woher kommen die fehlenden Vitamine

Das findet Professor Hans Konrad Biesalski von der Uni Hohenheim bedenklich: "Der Verbraucher bleibt mit der Frage allein, woher er die fehlenden Vitamine bekommen kann." So lange die DGE nicht klar macht, wie man auf natürlichem Weg zu ausreichend Vitamin D kommt, wird der neue Richtwert die Nachfrage von Tabletten deshalb wohl in die Höhe treiben. Immerhin bilden ihre Vorgaben die Grundlage für Info-Broschüren und die Ausbildung von Ernährungsberatern.

Indes verweist Biesalski auf die Alternative, Lebensmittel künstlich mit Vitamin D anzureichern. Das wird in den USA seit langem mit Milch gemacht. "Das Problem an Lebensmittelergänzung ist aber, dass niemand mehr einschätzen kann, wie viel Vitamin D er nun im Körper hat", erklärt Biesalski.

Wer unter 65 ist und keine Pillen schlucken will, sollte also besonders im Sommer viel Zeit im Freien verbringen. Je freizügiger gekleidet, desto besser. In den warmen Monaten kann man sogar für das ganze Jahr vorsorgen: "Vitamin D wird gespeichert, so dass die im Sommer gebildete Menge auch für den Winter reichen kann", erklärt Regina Brigelius-Flohé. Wer dazu auf natürliche Ernährung setzt, kann zum Beispiel fetthaltigen Fisch, Hühnereier und Milchprodukte essen.

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10 Kommentare

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  • M
    Max

    Endlich werden die aktuellen Empfelungen mal angehoben aber 2000 IE ist immer noch sehr minimal, ich selbst nehme seit längeren schon Vit D in Tabl Form anfangs tägl 10000 IE über zwei Monate und bin dann auf 5000 IE zurück gegangen, mir geht es damit klasse bin viel fitter,nie krank schlafe besser keine Krämpfe und Zuckungen mehr und bin besser gelaunt dank Dr med Raimund v. Helden und seinem Buch

  • A
    Avocadofan

    Man kann auch einfach eine Avocado am Tag essen um genug Vitamin D zu sich zu nehmen :-).

  • FK
    Felix Kartte

    @ Heinz von der Beck: deshalb der Hinweis, dass der Körper Vitamin D speichert - wer im Sommer viel draußen ist, kann einen ausreichenden Vorrat für den Winter anlegen.

     

    @ Christian Deckert, Robiniawood: nach meinen Recherchen hört der Körper mit der Vitamin D-Produktion auf, wenn er genug hat. Auf natürlichem Weg kann es also zu keiner Überdosierung kommen.

  • HV
    Heinz von der Beck

    Selbst in den Sommermonaten ist die Vitamin D-Bildung durch die Sonne für viele Menschen nicht realisierbar. Wer von früh bis spät in geschlossenen Räumen arbeiten muss, kann nicht genügend Sonne "einfangen". In den Wintermonaten ist die Sonne sowieso nicht stark genug, Vitamin D zu bilden. Die gesündeste und einfachste Form ist immer noch die Nutzung eines Solariums (z.B. 2 mal wöchentlich). Die neue UV-Schutzverordnung sorgt dafür, dass dies ohne Schädigung der Haut möglich ist.

  • R
    robiniawood

    Herr Kartte sollte unbedingt noch ein Mal mit Frau Professor Brigelius-Flohé sprechen, ob sie wirklich 50 Mikrogramm als 'gefährliche Überdosierung' genannt hat. Frau Professor Brigelius-Flohé würde sich damit im Widerspruch zur internationalen Forschung befinden.

     

    50 Microgramm oder 2000 Internationale Einheiten (IE) entsprechen einem Fünftel bis einem Zehntel der Menge Vitamin D, die die Haut eines hellhäutigen Menschen nach 5 bis 10 Minuten Aufenthalt in Badebekleidung bei blauem Himmel in der Sommersonne zur Mittagszeit produziert hat.

     

    Es gibt zur Vorbeugung vor Osteoporose und zur Therapie des Vitamin D Mangels in deutschen Apotheken Präparate, die ein Vielfaches der von Frau Professor Brigelius-Flohé als 'Höchstmenge' bezeichneten Menge von 50 Mikrogramm enthalten.

     

    @Dr. Feil: Dieselbe Pharmaindustrie hat aber viel mehr davon, wenn die Menschen über die Notwendigkeit ihren Vitamin D Spiegel in Ordnung zu bringen, im Dunkeln gelassen wird. Der Absatz von Medikamenten 'gegen' Diabetes, Multiple Sklerose, 'Grippe' usw. ist viel lukrativer als die paar Euro für Vitamin D. Im Übrigen wird der Hauptumsatz bei Vitaminen mit der Futtermittelindustrie gemacht. Industrielle Tierhalter achten aus Profitgründen sehr genau darauf, was ihre 'Produktionsmittel' zu fressen bekommen. Wenn Arbeitgeber bei ihren Arbeitnehmern ebenso darauf achten würden,z.B. durch Obstkörbe in allen Abteilungen und kostenlose Mikronährstoffe, könnten die Arbeitgeber- und die Arbeitnehmeranteile der kranken Versicherung um mehrere Prozentpunkte sinken.

     

    Allein die Versorgung mit ausreichend Vitamin D für die gesamte westeuropäische Bevölkerung würde zu Einsparungen von 170 Milliarden Euro pro Jahr bei den Krankheitskosten führen.

    http://www.sunarc.org/903-Europe%20econ%20burden%20final%201.pdf

  • CB
    Christian Beckert

    Wer es sich nicht leisten kann ausreichend in der Sonne zu sein, sei es aus Zeitmangel oder sich wegen Hautkrebs nicht traut oder einfach weil es Winter ist der sollte Vitamin D per Tabletten zu sich nehmen. Es sind wirklich viele Studien gemacht worden die letzten Jahre die die Bedeutung einer ausreichenden Vit D versorgung belegen.

    Der Gefahr der Überdosierung ist entegegen zu halten dass man an durch ein Sonnenbad gerne mal 250 Mikrogrammzu am Tag produzieren kann - ganz natürlich. Im übrigen macht die Pharmaindustrie hier kein großes Geschäft. Eine Jahresdosis mit 25 Mikrogramm (1000 IU) täglich kostet gerade mal ca. 20 Euro.

  • J
    Jens

    Diejenigen, die immer noch so naiv sind und den Schwachsinn mit den Vitamin-Pillen glauben, empfehle ich den aktuellen Spielge-Titel aufmerksam zu lesen:

     

    http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,809208,00.html

     

    Gerade Menschen, die sich um ihre Gesundheit sorgen, sind ja diejenigen, die eben überhaupt keine Vitaminpillen benötigen. Und für eine bettlägrige 85-jährige entscheidet das sowieso der Arzt, es gibt also keinen Grund Vitaminpillen frei verkäuflich im Supermarkt anzubieten! Aber dann würde die FDP ja Parteispenden und Pharma-Lobbyisten verlieren...

     

    Es ist auch NICHT so, dass Pillen Vitamine ersetzen können, in den meisten Fällen sind Vitaminpillen meist schädlich für den Körper, die langfristige Einnahme von Vitaminpillen kann sogar tödlich sein. Das will aber nicht in die Hirne der Menschen, die von der Pharma-Industrie seit Jahrzehnten mit falscher Vitamin-Werbung zugeschüttet werden.

  • M
    markus

    "Wer unter 65 ist und keine Pillen schlucken will, sollte also besonders im Sommer viel Zeit im Freien verbringen. Je freizügiger gekleidet, desto besser."

     

    Hautkrebs, ick hör dir schon tapsen!

  • R
    Reesener

    Die Sache mit der Sonne eignet sich leider nicht für jeden, da bei vielen Menschen die Aufnahmefähigkeit der Haut irgendwann im Laufe des Lebens zu Ende ist. Viele Hautarztpatienten im höheren Lebensalter erfahren leider erst zu spät von dieser Lebensdosis, müssen sich vor der Sonne verstecken bzw. Cremes mit dem Lichtschutzfaktor 50 auftragen ... da bleibt dann nur die Vitamin-D-Zufuhr mit Tabletten.

  • DF
    Dr. Feil

    Da macht sich die DGE (mal wieder) zum willigen Handlanger der Pharmaindustrie und offenbart hier wieder, was sie eigentlich ist: Ein Lobbyistenverein!