Vitali Klitschko bleibt Weltmeister: Zu perfekt, um zu gefallen
Klitschko malträtiert seinen pummeligen, aber standfesten Gegner Chris Arreola zehn Runden lang und bleibt Weltmeister. Nicht wenige finden das langweilig.
Rocky Balboa ist da und der Terminator. Der Wrestler auch. Sylvester Stallone, Arnold Schwarzenegger, Mickey Rourke. Die Hollywood-Prominenz ist aus ihren schicken Villen in den Bergen von Los Angeles ins Staples Center in der Innenstadt gekommen, um - ja warum eigentlich? Um die Auferstehung der amerikanischen Schwergewichtsszene zu erleben? Um einen spannenden Boxkampf zu sehen, einen, den kein Regisseur besser hätte inszenieren können?
Am Ende ist nichts davon passiert. Der ukrainische Boxer Vitali Klitschko bleibt Schwergewichtsweltmeister. Langweilig, sagen die einen. Die, die den Abend mit "Rocky, Rocky"-Sprechchören begonnen haben und zerstückelte Helden wie den "Terminator" oder gefallene Anti-Helden wie den "Wrestler" mögen. Perfekt, sagen die Klitschkos. Ein sauberer Sieg. Zu perfekt und gleichzeitig zu ungelenk, um zu gefallen, sagt das amerikanische Publikum. Ein Großteil der 16.000 Zuschauer in der nicht ganz ausverkauften Halle wollte sehen, wie der pummelige, auf Fastfood und Corona-Bier schwörende Chris Arreola Vitali Klitschko entthront. Einen Sieg des Unperfekten. Das wäre Hollywood-reif gewesen.
Die Zahlen lassen keine Zweifel zu: 301 zu 86 Treffer. Zehn Runden lang malträtierte Klitschko seinen Herausforderer gnadenlos. Chris Arreola war ein besserer Gegner als manch anderer, der in den letzten Jahren mit einem der Klitschkos im Ring stand. Er kämpfte, er wollte gewinnen, er marschierte voran und, vor allen Dingen, er kassierte Treffer, ohne mit der Wimper zu zucken. Er traf sogar mal. Und doch hatte er keine Chance. Nicht gegen diesen Vitali Klitschko, der mit seinen 38 Jahren so schnell auf den Beinen war wie selten zuvor. Nach der zehnten Runde nahm Arreolas Trainer Henry Ramirez den völlig überforderten Herausforderer aus dem Kampf.
Dan Goosen, der Manager von Chris Arreola, klang fast schon verzweifelt, als er sagte: "Vitali war brillant, er ist ein großer, starker Mann und er nutzt seine Reichweitenvorteile perfekt aus." Wahrscheinlich ahnt Goosen schon Böses, denn im Frühjahr 2010 will er einen weiteren seiner Kämpfer gegen einen Klitschko in den Ring schicken. Dann trifft Eddie Chambers auf den IBF- und WBA-Weltmeister Wladimir Klitschko. Dieser wurde zwar kürzlich an der Schulter operiert, stählte seinen Körper in LA aber schon wieder mit Hanteltraining.
Richtig schön sieht es nicht aus, wenn Vitali Klitschko boxt. Er steht immer ein wenig ungelenk und mit hängenden Armen da. Wenn der Gegner jedoch zum Schlag ansetzt, weicht Klitschko entweder auf flinken Beinen aus oder pendelt mit dem Oberkörper blitzschnell außer Reichweite. Das ist erstaunlich, aber auch wenig spektakulär. Klitschko nimmt die Kritik gelassen und sagt: "Mein Stil ist vielleicht nicht sehr eindrucksvoll, dafür aber effektiv." Der Trainer seines Gegners gibt ihm Recht, und dabei schwingt auch Verzweiflung mit: "Du kannst einen Mann nicht dafür in Frage stellen, dass er den Stil kämpft, der am besten für ihn geeignet ist."
Zumal hinter Klitschkos Stil eine ganz einfache Philosophie steckt. Die lautet: So wenig wie möglich getroffen werden. Er wisse ja, dass das US-Publikum Kämpfe liebe, in denen das Kinn der Boxer getestet werde, in denen Blut fließe und die Boxer mehrfach zu Boden gingen. "Aber sorry", sagt Klitschko, "ich bin nicht bereit, meinen Kopf zu testen, ich möchte diesen Kopf auch nach meiner Zeit als Boxer noch benutzen." Klitschko will nicht mehr lange ein Kämpfer bleiben, das kündigte er an. Aber noch steht die Rente nicht an, die nach Ansicht von Arreolas Promoter Dan Goosen der einzige Gegner ist, der Vitali Klitschko schlagen kann.
Unspektakulär? Langweilig? "Immer kommt jemand und ist unzufrieden, aber dann sollen sie mir doch jemanden schicken, der mich schlägt", sagt Vitali Klitschko. Sein Trainer Fritz Sdunek formuliert es so: "Er boxt doch spektakulär, er bietet sich an, er hält den Kopf hin - aber die treffen ihn nicht. Besser geht es doch nicht."
VITALI KLITSCHKO
Leser*innenkommentare
Arne Gronemeier
Gast
Sehr geehrte Frau Rohlfing,
ihr Artikel trifft wohl ins Schwarze. Jedoch nicht wenige könnten Ihren Schreibstil langweilig finden. Ganz im ernst, Sie könnten mehr auf die Vorzüge von Vitali´s Boxstil eingehen.
Die Kunst des Boxens ist es, sich den Kampf zu stellen, den Gegner stets im Auge zu behalten, sich nicht treffen zu lassen, zu schlagen, wenn der Gegner nicht damit rechnet sowie dabei nur so viel Energie zu verbrauchen wie notwendig. Mit diesem effizienten Kampfstil konnte ein 38-jähriger Boxer wie Vitali sich bravourös gegen einen starken und zudem 10 Jahre jüngeren Gegner behaupten. Vitali Klitschko zeigte eine weltmeisterhafte Leistung. Er beherrschte seinen Gegner und die Kunst des Boxens, wie Henry Maske in den 90er Jahren und fast ein bißchen wie der große Muhammad Ali in den 70er Jahren. Vollkommen austrainiert souverän und fair geboxt und gewonnen. Es gibt nur wenige Boxer im Schwergewicht die diese Spitzenklasse vorweisen können.
Wilhelm Westerkamp
Gast
Es war ein langweiler Kampf. Kein Blut war zu se-
hen. Vitali Klitschko war wieder einmal "perfekt".
Doch die Zuschauer im nicht ganz ausverkauften
Staples Center in Los Angeles, wollten gerade
diese verdammte Blut sehen, vielleicht auch eine
gebrochene Nase, doch alles bleib heil. Silvester
Stallone war im Publikum, er weiß, wie man Boxen
an den Mann bringt. Zuerst ist Rocky chanchenlos,
bekommt einen Treffer nach dem anderen, an den Ko-
pf. Doch dann wendet sich das Blatt: Rocky schlägt
zurück und gewinnt in einem "blutigen Kampf" durch
K.o. und ist der Held. Aber wir waren ja bei Vi-
tali und seinem unspektakulären Kampf. Sie sollen
ihm doch einen vernüftigen Gegener bieten, fordert
er. Vielleicht Lennox Lewis, der ihm diesen
schweren "Cut" damals beibrachte und natürlich war da auch genügend Blut im Spiel. Es kommt also
doch auf den Gegner an,Vitali,oder nicht?