Virtuelle Realität in der Kunst: Abtauchen im künstlichen Raum

Weil die virtuelle Realität sowieso nicht aufzuhalten ist, sollte sich auch die Kunst damit befassen. Beim VRHAM-Festival in Hamburg gab es Einblicke.

Mensch mit VR-Brille im blauem Raum

Abtauchen im „Ultramarin“-Programm Foto: ­VRHAM

„Festival“ ist ein großes Wort. Man stellt sich viele Menschen vor, ein mehrtägiges Programm, viele Veranstaltungsorte und Ausschweifungen verschiedener Art.

Auch das Hamburger Kulturangebot ­VRHAM! nennt sich Festival, in diesem Fall für „Virtual Reality & Arts“. Aber hier ist es nur eine Handvoll Leute, die sich an jenem Nachmittag vergangenes Wochenende vor einer Backsteinhalle im Hamburger Oberhafenquartier eingefunden hat. Alle haben sich vorher für einen Slot von einer Stunde Besuchszeit angemeldet, dann kommt die nächste Gruppe. So geht das zwei Nachmittage, dann ist das Festival wieder vorbei.

Im Eingangsbereich steht der Kurator Ulrich Schrauth mit Sakko zur Jeans und sagt ein paar einführende Worte zu dem, was er kuratiert hat: Das Programm heißt „Ultramin“, und es geht um das Thema Wasser und Fluidität. Das Festival ist letztlich eine Ausstellung mit acht Arbeiten. VR steht für Virtual Reality, und das bedeutet unter anderem: Vier der Kunstwerke sind kurze Filme, die sich die Aus­stel­lungs­be­su­che­r*in­nen mit VR-Brillen anschauen.

Das Festival muss auch deswegen klein bleiben, weil die Brillen hochwertig und teuer sind und es für die technische Betreuung der Be­su­che­r*in­nen vergleichsweise viele Hel­fe­r*in­nen braucht. Man nimmt also Platz, setzt die Brille auf und taucht ein in eine surreale Situation, in der man sich umsehen kann wie in der echten Welt, also: 360 Grad, oben, unten, überall gibt es etwas zu sehen.

Im Fall der Arbeit „Oceanic Feeling“ von Joey Bania und Lion Bischof befindet man sich in einer Unterwasserwelt, oben ist eine Wasseroberfläche, unten ein Meeresboden, rechts und links eine Art Tornado. Über der Wasseroberfläche ist dann das All und eine unwirklich scheinende Sonne. Alles fließt und wandelt sich, auch Fragmente von Fotos mit Menschen an einem Strand tauchen auf. Auf der Tonebenen gluckst und rauscht es.

Es ist eine esoterisch angehauchte Naturerfahrung im komplett künstlichen Raum. Hat was. Allerdings schaut jeder für sich allein. Die Idee, dass ein Festival von Begegnung und Austausch lebt, ist hier kaum zu haben.

Nebenan erzählt Christophe Monchalins Arbeit „Muted“ vom Leben eines jungen Mädchens. Die Bril­len­trä­ge­r*in­nen sehen einen dunklen Raum, in dem netzartige Stränge verlaufen, wie überdimensionale Papillarleisten einer Hand oder ein Spinnennetz im All. An bestimmten Knotenpunkten stoppt die Kamerafahrt, und es explodieren Worte und Zeichnungen. Es sind Stationen im Leben des Mädchens. Der Brillenträger neben mir sagt: „Toll!“, und er hat recht.

Die VR-Kunst lebt von einem technischen Wow-Erlebnis, das im Alltag sonst (noch) nicht zu haben ist. Die VR-Kunst ist eine Selbsterfahrungskunst, sie will eine Stimmung kreieren und beweisen, dass so eine virtuell erlebte Welt einen tiefen Eindruck hinterlassen kann. Es ist gut, dass sich die Kunst der Technik annimmt. Denn sie wird unweigerlich kommen: Dafür sorgen vor allem die Gamer – und das Militär.

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Jahrgang 1973, fing als Kultur-Redakteur der taz in Bremen an und war dann Redakteur für Kultur und Gesellschaft bei der taz nord. Als Fellow im Digital Journalism Fellowship der Hamburg Media School beschäftigte er sich mit der digitalen Transformation des Journalismus und ist derzeit Online-CvD in der Norddeutschland-Redaktion der taz.

Dieser Artikel stammt aus dem stadtland-Teil der taz am Wochenende, der maßgeblich von den Lokalredaktionen der taz in Berlin, Hamburg und Bremen verantwortet wird.

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