piwik no script img

Virales Video von Demos in den USAEin Grinsen zerreißt das Land

Ein Video von Trump-Anhängern, die einen Ureinwohner verspotten, spaltet die USA. Es zeigt auch, wie schädlich voreilige Berichterstattung sein kann.

Dieses Bild spaltet derzeit die USA: Nick Sandmann (links) grinst Nathan Philipps (rechts) süffisant an Screenshot: youtube/Cowicide

Berlin taz | Anfangs schien alles klar: Am 18. Januar veröffentlichte der Twitternutzer @2020fight ein kurzes Video mit dem Titel „Dieser MAGA-Loser stört schadenfroh einen demonstrierenden Ureinwohner beim Indigenous Peoples March“. In dem Clip ist zu sehen, wie vor der Lincoln-Gedenkstätte in Washington D.C. eine fast ausschließlich aus weißen Jungs bestehenden Gruppe im High-School-Alter Teilnehmer der Ureinwohnerdemonstration umringen. Unter ihn ist der 64-jährige Nathan Philipps, Angehöriger der Omaha-Nation und Vietnam-Veteran.

Während Philipps singt und auf seine Trommel schlägt, feixen und johlen die Jungen. Einige von ihnen tragen die berühmt-berüchtigten, roten Kappen mit Trumps Wahlslogan „Make American Great Again“ (MAGA) – darunter auch ein junger Mann im Vordergrund, der Philipps unentwegt angrinst und ihm den Weg zu versperren scheint.

Für viele Onlinenutzer offenbarte sich in diesem jungen Gesicht die hässliche, rassistische Fratze der USA, die sich durch Trump immer öfters ans Tageslicht traut. „Dieses Grinsen repräsentiert über 500 Jahre an Gewalt“, hieß es in einem mittlerweile wieder gelöschten Tweet, der von Buzzfeed News zitiert wurde, „dieses Grinsen repräsentiert den Geltungsanspruch, den ALLE weißen Menschen (und bis zu einem gewissen Grad auch all jene People of Colour, die nicht Natives sind) auf ihren Platz in diesem Land erheben.“

Es dauerte dann auch nicht lange, bis die Jungen im Video als Schüler der Covington Catholic High School in Kentucky identifiziert wurden, die in Washington an einer Demonstration von Abtreibungsgegnern teilgenommen hatten. Schule und Diözese von Covington distanzierten sich daraufhin vom Verhalten der jungen Männer und kündigten Disziplinarmaßnahmen an.

Wie sich in den Tagen darauf herausstellte, ist das Geschehen vor der Lincoln-Gedenkstätte allerdings nicht so sehr ein Symbol für Trumps Amerika, sondern vielmehr der tief gespaltenen US-Gesellschaft im Allgemeinen – und es zeigt sich, wie sowohl soziale Netzwerke als auch etablierte Medien durch voreilige Berichterstattung die Risse noch weiter vertiefen.

Mittlerweile mischt auch eine PR-Firma in der Diskussion mit

Am Samstag tauchte nämlich ein weiteres, deutlich längeres Video vom Geschehen auf. In diesem ist zu sehen, wie Angehörige der „Black Hebrew Israelites“ – eine Gruppe von Afro-Amerikanern, die für sich beanspruchen Abkommen der antiken Israeliten zu sein – sich eine verbale Auseinandersetzung mit den Schülern liefern. Grund hierfür seien die MAGA-Kappen gewesen. Philipps schreitet daraufhin ein um, wie er selbst erklärte, zu deeskalieren. Nick Sandmann, der junge grinsende Mann aus dem Video, behauptete wiederum in einem eigenen Statement, dass er und die anderen Schüler aufgrund ihrer MAGA-Kappen von den Demonstranten beleidigt worden wären. Er habe auch gar nicht verstanden, wieso Philipps sich ihm genähert hätte; mit seinem „Lächeln“ habe er vor allem versucht, ihm zu zeigen, dass er sich nicht weiter provozieren lassen wolle.

Twitter sperrte daraufhin den Account von @2020fight wegen versuchter Manipulation des öffentlichen Diskurses. Allerdings sind die jungen Trump-Anhänger damit noch nicht aus dem Schneider. Die Autorin Jodi Jacobson wies nämlich beispielsweise darauf hin, dass das ungeschnittene Video die High School-Schüler nicht entlasten, sondern im Gegenteil dabei zeigen würde, wie sie die Schwarzen Demonstranten mit rassistischen Tänzen provozierten.

Dazu nutzte eine Mutter von einem der anwesenden Schüler den Vorfall offensichtlich als Vorwand, um sich in einer E-Mail an die Newsseite Heavy über die „schwarzen Muslime“ auszulassen, die angeblich ihren Sohn und seine Mitschüler beharkt hätten – obwohl sich die Black Hebrew Israelites hauptsächlich aus Christen und Juden zusammensetzen. Mit welch fragwürdigen Geschützen um die Deutungshoheit des Geschehens aus konservativer Perspektive gekämpft wird, zeigt auch die Tatsache, dass die den Republikanern nahestehende PR-Firma RunSwitch ihre Hände bei Sandmanns Statement im Spiel hatte, wie der Louisville Courier Journal berichtete.

Auch diese Perspektiven auf das Geschehen liefern also keine zufriedenstellende Erklärung, was genau sich letztendlich zugetragen hat. Bleibt zu hoffen, dass die Nutzer in den sozialen Netzwerken und die Medien besonnener reagieren, wenn demnächst wieder eine Konfrontation zu bewerten ist. Voreilige Einordnungen spielen letztlich nämlich dem von Trump propagierten Fake News-Narrativ in die Hände – und damit auch der von ihm angefeuerten Spaltung der Gesellschaft.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Verstehe ich nicht, für mich klingt der Artikel so, als würden alle Vorwürfe stimmen, nichts mit Fakenews. Die haben die roten Kappen getragen und jetzt sagt mir bitte keiner dass das keine Provokation ist, Trump und sein Gefolge sind schließlich Symbol von White Power.

    • @wirklich?:

      Naja, zumindst ein Vorwurf stimmt schonmal nicht: der Mann war nie in Vietnam.

      Könnte man anmerken, liebe taz.

    • @wirklich?:

      Für mich ist das zunächst mal ein Symbol eines demokratisch gewählten Präsidenten und seines Wahlkampfes.