Vietnams KP wirft Mitglieder raus: Säuberungen nach stalinistischer Art
Die Kommunistische Partei in Vietnam hat ein neues Programm verkündet. Ein wichtiger Exfunktionär wurde festgenommen.
Er war noch vor wenigen Wochen einer der wichtigsten politischen Funktionäre: Dinh La Thang, einstmals Mitglied des Politbüros der Kommunistischen Partei und Parteichef von Ho-Chi-Minh-Stadt, der größten Stadt des Landes. Am Freitag ist er wegen Korruptionsvorwürfen festgenommen worden, am Wochenende wurde auch sein Bruder inhaftiert. Dinh La Thang war bereits im Herbst seiner Ämter enthoben worden.
Macht das Land zwischen Rotem Fluss und Mekong also nun Ernst im Kampf gegen die Korruption? Grund dazu gäbe es, denn die Korruption ist allgegenwärtig. Auf dem Korruptionsindex von Transparency International steht das Land auf Rang 113 von 176 Staaten. Doch die Härte könnte auch andere Gründe haben: Die Festgenommenen waren in einen erbittert geführten Machtkampf innerhalb der einzigen legalen Partei Vietnams, der Kommunistischen Partei, verwickelt.
Sie gehören dem Flügel der Wirtschaftsreformer an. Der ist seit Anfang 2016 politisch in der Defensive gegenüber dem Flügel um den ultrakonservativen Parteichef Nguyen Phu Trong. Ein früherer Premierminister und mehrere Minister wurden in diesem Machtkampf bereits ihrer Ämter enthoben. Fast immer schwangen Korruptionsvorwürfe mit. Der festgenommene Dinh La Thang war bis vor wenigen Wochen nicht nur der prominenteste Gegenspieler des Parteichefs. Er wurde auch als möglicher Nachfolger des kränkelnden 73-Jährigen gehandelt.
Staatliche Medien bringen die Festnahmen mit dem aus Deutschland entführten Trinh Xuan Thanh in Verbindung. Die Untersuchungen, die ihm Unterschlagung im dreistelliger Millionenhöhe unterstellen, hätten die Ermittler auch auf die Spur anderer hoher Funktionäre geführt, heißt es.
Nur einen Tag vor der Festnahme von Dinh La Thang hat Vietnams Kommunistische Partei überdies ein harsches Programm nach Art stalinistischer Säuberungen verkündet. „Die Partei wird alle Mitglieder ausschließen, die sie beleidigen, ihren Ruf schädigen oder andere dazu ermutigen, dies zu tun“, zitiert eine staatliche Zeitung aus einer Verordnung, die der Vorsitzende der Zentralen Kontrollkommission der Partei erlassen hat. Dies gelte auch für Beiträge in sozialen Medien.
Der Politik der Partei darf nicht widersprochen werden
Den staatlichen Medien Vietnamnet und Vietnamexpress zufolge soll die neue Verordnung Forderungen nach politischer Pluralität sowie nach einer Gewaltenteilung zwischen Legislative, Exekutive und Judikative mit Parteiausschluss disziplinieren. „Missbrauch von Demokratie und Menschenrechten“ und das „absichtliche Verbreiten falscher Informationen“ sollen Parteimitgliedern nicht mehr erlaubt sein. Sie dürfen „die Politik der Partei nicht ablehnen oder ihr widersprechen“, heißt es weiter bei Vietnamexpress.
Mit Rauswurf bestraft wird demnach auch Korruption. „Parteimitglieder, die Bestechungsgelder als Gegenleistung für die Einstellung von Personal oder die Gewährung von Gehaltserhöhungen, Beförderungen oder Boni akzeptieren“, sollen die Partei verlassen müssen.
Die Kommunisten haben Medienangaben zufolge 4,65 Millionen Mitglieder bei einer Einwohnerzahl von knapp 93 Millionen. Dabei ging es in dieser Partei nicht immer so zu wie jetzt: Bis zum Parteitag 2006 wurden lebhafte Diskussionen geführt – man stritt beispielsweise über die Notwendigkeit einer nationalen Umweltpolitik angesichts der zunehmenden Industrialisierung und des rücksichtslosen Abbaus von Bodenschätzen. Auch die Streichung der führenden Rolle der Partei aus der Verfassung wurde von hohen Parteifunktionären öffentlich gefordert.
Doch nach dem Parteitag 2006 war Schluss mit diesem Tauwetter. Der heutige Parteichef Nguyen Phu Trong und seine Gefolgschaft hatten Oberwasser bekommen. Kritische Blogger wurden und werden zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Reformer wurden nur noch für die Wirtschaft geduldet. Doch auch das ist seit 2016 vorbei.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Waffen für die Ukraine
Bidens Taktik, Scholz’ Chance
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist