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Vietnamesischer Kriegsheld gestorbenGnadenloser Meister der Logistik

Vo Nguyen Giap besiegte Franzosen und Amerikaner und mischte sich bis zuletzt gelegentlich in die Politik ein – nicht immer zur Freude der Regierung .

General Vo Nguyen Giap an seinem 97. Geburtstag im Jahre 2008. Bild: ap

BERLIN taz | Der legendäre vietnamesische General Vo Nguyen Giap ist am Freitag im Alter von 102 Jahren gestorben. Das gab die kommunistische Regierung in Hanoi bekannt. Nach Angaben des Militärkrankenhauses, in dem Giap seit vier Jahren gelebt hatte, starb er an Altersschwäche.

Mit ihm verliert das südostasiatische Land einen Volkshelden, der ein ähnliches Ansehen wie der vietnamesische Übervater Ho Chi Minh genoss. Giaps Ruhm speiste sich aus den militärischen Siegen über Frankreich und die USA.

Der General galt als einer der weltweit brillantesten Militärstrategen des 20. Jahrhunderts. Er verstand sich sowohl in Guerillakriegsführung gegen weit überlegene Gegner wie in konventioneller Führung regulärer Armeen.

Seine größte Stärke lag im Bereich der Logistik und Mobilisierung großer Bevölkerungsteile für den antikolonialen Befreiungskrieg, so dass mit gigantischen Anstrengungen die Überlegenheit der westlichen Gegner gebrochen werden konnte.

Das Ende der französischen Herrschaft

Es war die Schlacht von Dien Bien Phu 1954, die Giaps Ruf begründete. Die von den Franzosen für unmöglich gehaltene Eroberung der Dschungelfestung beendete Frankreichs Kolonialismus in Indochina und wurde zum Fanal für Befreiungsbewegungen in aller Welt.

Giap war es unter größten Anstrengungen gelungen, seine Artillerie auf den Bergen rund um die Festung in Stellung zu bringen. Damit beendete er die französische Lufthoheit und brach nach 55-tägiger Belagerung den französischen Widerstand.

Giap organisierte im Krieg gegen die USA und Südvietnam den Ho-Chi-Minh-Pfad vom Norden in den Süden. Auf dem weitverzweigten Netz von Straßen und Wegen durch den Dschungel, die zum Teil auch durch Laos und Kambodscha führten, wurden die südlichen Vietcong wie Nordvietnams Truppen im Süden von mehr als 100.000 Hilfskräften mit Nachschub versorgt. Teilweise wurde Geschütze in Einzelteilen zerlegt mit Fahrradkonvois transportiert.

Keine Rücksicht auf Verluste

Eine logistische Meisterleistung war auch die so genannten Tet-Offensive vom Januar 1968. Durch simultane Aufstände in mehr als 40 südvietnamesischen Städten wurde der Öffentlichkeit in den USA ein Schock versetzt und die dortige offizielle Darstellung des Krieges Lügen gestraft. Dies führte psychologisch die Wende im Krieg herbei, obwohl die Tet-Offensive militärisch für Hanoi ein Desaster war.

So zeigte sie auch beispielhaft, dass Giap sich nicht scheute, seine Soldaten zu verheizen und immer wieder große eigene Verluste in Kauf zu nehmen.

Weggefährte von Ho Chi Minh

Giap war der Sohn eines Lehrers aus der zentralen Provinz Qang Binh. Er hatte Politik, Wirtschaft und Jura studiert. Bald verhafteten ihn die Franzosen. Nach China geflohen, schloss sich Giap Ho Chi Minh an. Währenddessen starben seine erste Frau und sein Vater in französischer Haft, was er erst später erfuhr. 1945 wurde Giap Innenminister in Nordvietnam, ab 1946 führte er die dortige Volksarmee.

Nach der Wiedervereinigung des Landes 1975 wurde Giap Vietnams erster Verteidigungsminister. Doch wurde ihm sein legendärer Ruf wie sein Wunsch nach Versöhnung mit den USA zum Verhängnis. KP-Hardliner sahen ihn als nicht vertrauenswürdig an.

Auch kritisierte er 1979 Vietnams Invasion in Kambodscha zum Sturz der dortigen Roten Khmer. Zwar errangen Vietnams Truppen zunächst einen schnellen Sieg, doch blieben sie dort lange gebunden. Auch provozierte Hanoi damit im selben Jahr den chinesischen „Erziehungsfeldzug“ gegen Vietnam.

Entmachtung ab 1982

1982 wurde Giap entmachtet und war bis 1991 als stellvertretender Premier nur noch für Familienplanung, Wissenschaft und Technologie zuständig. Zugleich lehnte er es mehrfach ab, orthodoxere Parteiführer zu einem Machtkampf herauszufordern.

Trotzdem entwickelte er sich immer wieder zum Kritiker, wohl wissend, dass er mit seinem Heldenstatus wie seinem hohen Alter über eine große Narrenfreiheit verfügte. So prangerte er etwa immer wieder Korruption an. Noch als 98-Jähriger sprach er sich öffentlich gegen ein von der Regierung befürwortetes chinesisches Projekt zum Bauxitabbau im zentralen Hochland Vietnams aus.

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11 Kommentare

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  • O
    OK11

    Die Verdienste des General Giap in der Schlacht bei DIEN BIEN PHU sollen keineswegs geschmaelert werden. Dennoch sollten sich Interessierte vor Augen fuehren, dass die militaerischen Dimensionen im nordvietnam. DBP eher an die Dueppeler Schanzen im Preussisch-Daenischen Krieg 1864 erinnern. Dort kaempften rd. 50 000 Soldaten (im Verhaeltnis 4 : 1) gegeneinander. In Dien Bien Phu zwischen Vietnamesen und Franzosen/vietn. Alliierten waren es rd. 67 000 Soldaten (im Verh. 3 : 1). Die Franzosen machten kolonialer Arroganz die Ehre, die Vietnamesen asiatischer Grausamkeit. Auf der Strecke blieben ueberwiegend junge Menschen - wie gehabt !

  • S
    Schramm

    Die Wahrheit, gegen die antikommunistischen Schandmäuler und menschenfeindlichen Lügner, auch noch heute, im Oktober 2013:

     

    Nach der antiimperialistischen Befreiung - im Jahr 1975 - hatte sich die Befreiungsbewegung Vietnams vor allem um mehr als 600.000 Drogenabhängige, um 800.000 Zwangsprostituierte und hunderttausende Kinder ohne Eltern und Millionen verstümmelte Menschen zu kümmern. Die Ernährung und Versorgung der Bevölkerung musste gesichert werden, große Anbaugebiete für Nahrungsmittel waren vorsätzlich USA-militärisch vergiftet worden. -

     

    Es waren die Hinterlassenschaften der Verbrechen der französischen, amerikanischen und deren internationalen Alliierten (auch der BND war beteiligt), südvietnamesischer und internationaler Kollaborateure, Drogenhändler, Waffenhändler und Zuhälter. Der mehr als dreißig jährige Krieg gegen die Völker der Region hatte gewaltige Schäden - an der Natur und den Menschen - hinterlassen.

     

    Die materielle Entschädigung für die Opfer und Hinterbliebenen steht noch aus. Die Bodenvergiftung und Umweltvernichtung wurde bis heute noch nicht überwunden und setzt sich als späte Kriegsfolge fort, - auch mit den entsprechenden Gesundheitsfolgen für die Bevölkerung...

  • Er ist aus der Sicht von Clausewitz, den er sehr geschaetzt hat, eine Art Super-Jomini gewesen. Er hat den "Volkskrieg", preussisches Ideal gegen Napoleon, noch verbreitert. Die besten Darstellungen seiner Leistungen finden sich noch immer in amerikanischen Militaerakademien. Er war einfach gut!

  • Ist denn nicht die Logistik, und sei sie eine prinmitive, das Wichtigste? Er war vor allem ein Meister des "langen Krieges", wie Mao die Japaner aus China hinausschmiss.

  • B
    Bernd

    @ MEHRDAD BEIRAMZADEH

     

    Das ist eine Online Zeitung - kein Geschichtsbuch. Es gibt eine unheilvolle Opfer Hierarchisierung. Wer hatte mehr Opfer im Dritten Reich: Juden oder LBGT ? Wer ist der größere Massenmörder Stalin oder Hitler ? Wer wird mehr diskriminiert white american male oder black male ? Wer übt mehr familiäre Gewalt aus Männer oder Frauen ? Da wollen Täter und ihre Sympathisanten durch Kontrast Effekte in einem besseren Licht dar stehen. Über den Bauernkommunismus und seine Opfer gibt es meterweise Literatur, Dokus und Fotos.

  • mir wird im westen viel zu wenig auf die verbrechen der nordvietnamesen eingegangen nur weil sie damals gegen die bösen bösen amis kämpften.

     

    millionen vietnamesen landeten nach dem sieg hanoi's in "umerziehungslager" und hunderttausende menschen verschwanden einfach. ferner wurden ganze dörfer von den viet kong oder der regulären NV armee ausgelöscht.

     

    mir fehlt überhaupt jeglicher kritik an linke mörder (che guevara) und massenmörder.

    • @mehrdad beiramzadeh:

      Mein Lieber, das V-Wort und alles was damit zusammenhaengt sollten wir schleunigst vollstaendig aus unserem Denken streichen. Denn es richtet viel mehr Schaden an, als es nuetzlich sein koennte. Es ist wohl noch inmmer am besten, wenn jedes Land selbst ueber gut und boese entscheidet. Es ist auch im Fall Hitler komplett idiotisch. Was sind das denn fuer Diktatorenmoerder, die auch noch Hitlers Recht fuer ihre Tat in Anspruch nehmen wollen. Irgendwo faengt auch die eigene Verantwortung an. Ausserdem gibt es ein viel realistischeres Bild von Made in Germany, wenn man sich klarmacht, dass KZs in Germany vollkommen legal waren. Genau das ist das deutsche Recht gewesen, von Einserjuristen umgesetzt und nicht von Hilfsschuelern vom Niveau der Neonazis in Spremberg. Da gibt es keinerlei "Wesensverwandschaft", auch wenn es dem Bundesverwaltungsgericht nicht gefaellt.

  • G
    Gast

    Der gute Herr heißt mit Nachnamen Nguyen nicht Giap. Im vietn. werden nämlich Rufname vom Vorname mit dem Nachname getrennt.

    • @Gast:

      nö, lieber Gast, der heißt "Vo" mit Nachnamen. Zwar heißen viele Vietnamesen "Nguyen" mit Nachnamen, aber der schreibt sich mit dem Akzent "nga". "Nguyen" ohne Akzent ist ein Vorname. Ergo: Vor-und Mittelname des alten Herren ist "Nguyen Giap". ;-)

      Der Nachname steht am Anfang: Vo Nguyen Giap.

      Manches im Leben des Generals ist sicher kritisch zu sehen. Alles in allem war General Giap aber eine faszinierende, integre und sehr national eingestellte Persönlichkeit. Gerade in den letzten Lebensjahren war er ein wichtiger Mahner gegen Korruption. Vietnam verliert eine große Persönlichkeit.

  • Es fehlt in diesem Beitrag eine Bildaufnahme von General Giap in jüngeren Jahren.