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Viertelfinale der Champions LeagueDie Methode E.

In der Königsklasse treffen die Bayern auf den Dorfklub Villareal. Zentrale Rolle bei den Spaniern spielt ihr verkopfter Trainer Unai Emery.

Der Mathematiker: Unai Emery wird von seinen Spielern auf Händen getragen Foto: Janek Skarzynski/dpa

Barcelona taz | Fußball sei keine Mathematik, hat Bayern Münchens Ehrenvorstandsvorsitzender Karl-Heinz Rummenigge mal in einem Seitenhieb auf seinen damaligen Trainer Ottmar Hitzfeld behauptet. Da kannte er freilich Unai Emery noch nicht. Der ist zwar nicht vom Fach wie der studierte Mathelehrer Hitzfeld, übt sich vor der heutigen Champions-League-Begegnung seines Villarreal CF mit den Münchnern aber dennoch munter in Mengenlehre.

„Wir müssen die Unterschiede abzuziehen versuchen, die sie uns gegenüber haben“, dozierte er gegenüber der Sportzeitung Marca, oder genauer: „Das Einzige, womit du ihnen etwas abziehen kannst, ist mit der Taktik, dem Kollektiv, oder du kannst sie reduzieren mit der Summe unserer Individualitäten, wenn wir, obwohl unterlegen den ihren, auf dem Platz mehr Summen in bestimmten Momenten sammeln, um ihre zu minimieren.“

Man kann sicher auch einfacher sagen, dass die andere Mannschaft bessere Spieler hat und daher Favorit ist. Aber dann ist man halt nicht Emery. Dessen Neigung, die Dinge gern auch mal ein bisschen didaktischer zu vermitteln, hat eingangs seiner gut 15-jährigen Trainerkarriere zu etlichen Späßen geführt. Fußballer haben es ja lieber nicht so kompliziert, so war es früher jedenfalls. „Mir ging das Popcorn aus“, frotzelte Ex-Nationalspieler Joaquín über die endlosen Videosessions unter Emery bei Valencia.

Aus derselben Zeit stammt die Anekdote, wie der Trainer einen seiner Spieler verdächtigte, die individuell angefertigten Schnipselsammlungen mit Szenen vom kommenden Gegenspieler immer direkt in den Papierkorb zu befördern. Also gab er ihm beim nächsten Mal eine leere DVD-Hülle mit. Als er den Profi vor dem Match fragte, ob er gut vorbereitet sei, sagte der: Ja, Mister, ich hab mir alles angeschaut.

„Wertgeschätzt – mit Rang“



Nun lacht keiner mehr über Emery. Der Fußball hat einen Professionalisierungsschub auf allen Ebenen durchlaufen, seine Methoden gelten nicht mehr als Spleen, sondern als Standard. Außerdem kann der 50-jährige Baske längst in der harten Währung von Trophäen und Erfolgen zahlen. Viermal hat er die Europa League gewonnen, zuletzt führte er das kleine Villarreal zu einem triumphalen 3:0 bei Juventus Turin und damit sich selbst bei der siebten Champions-League-Teilnahme erstmals ins Viertelfinale. „Wertgeschätzt, anerkannt und mit Rang“ in der Trainerszene fühlt er sich: „Guardiola, Klopp, Tuchel, Ancelotti … und Emery.“

Als er mit Sevilla zwischen 2014 und 2016 dreimal am Stück die Europa League gewann, schien er schon ganz oben angekommen. Doch nach zwei Klatschen im Champions-League-Achtelfinale mit Paris Saint-Germain und einer bestenfalls ordentlichen Bilanz als Nachfolger des ewigen Arsène Wenger beim FC Arsenal war sein Marktwert ausreichend gesunken, dass sich Villarreal seine Dienste sichern konnte. Für Europas erstaunlichstes Fußballdorf war das ein beträchtlicher Coup.

Gut 50.000 Einwohner hat der Ort nördlich von Valencia, und so etwas wie Stars gab es zuletzt in den Nullerjahren, als Klubeigentümer Fernando Roig großzügig die Privatschatulle öffnete und Juan Román Riquelme oder Diego Forlán spendierte. Doch seit zehn Jahren ist Roig nur noch normaler Eigentümer, der Verein trägt sich von selbst und die bekanntesten Spieler sind die Eigengewächse Pau Torres und Gerard Moreno, die Altmeister Dani Parejo und Raúl Albiol oder vielleicht noch der neuverpflichtete Niederländer Arnaut Danjuma. Man könnte noch den Ex-Dortmunder Paco Alcácer aufzählen, aber der spielt kaum, Emery kann mit ihm nichts recht anfangen.

Die Mannschaft spielte seit Jahren gepflegten Teamfußball fürs Städtchen, wo jeder Fan den anderen kennt und bei vollbesetztem Stadion fast die halbe Bevölkerung da ist. Sie qualifizierte sich auch regelmäßig für das internationale Geschäft und hatte dort viermal das Halbfinale erreicht. Ihr fehlte nur der letzte Erfolg, ein Typ wie Emery, der schon vor zehn Jahren an der ersten großen Station in Valencia ein Buch auf den Markt warf: „Siegermentalität. Die Methode Emery“. Als er im Sommer 2020 zu Villarreal kam, sagte er: „Träume sind frei, und ich träume von einem Titel mit Villarreal.“ Am Ende der Saison schlug Villarreal im irren Elfmeterschießen des Europa-League-Finals das hoch favorisierte Manchester United mit 11:10.

Es war der erste Titel in der Geschichte des kleinen Klubs, der heute auf einen europäischen Giganten trifft. Eine unmögliche Gleichung, die nur höchste Mathematik lösen kann.

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