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Vier Wege, die Regierung Österreichs loszuwerdenSturz ohne Revolution

Natürlich kann alles verrotten. Das sähe so aus: Die EU-Staaten werden der Österreich-Schelte ein wenig müde, die Mobilisierung gegen die Regierung flaut ab. Die Österreicher gewöhnen sich an die blau-schwarz gefärbte Isolation. Und das ganze Land bewegt sich dorthin, wo seine Regierenden schon sind: in die tiefe und paranoide Provinz.

Das ist möglich. Aber nicht wahrscheinlich. Die 14 EU-Staaten, die böse auf die ÖVP-FPÖ-Regierung sind, machen keine Anstalten, die Ächtung des Rechts-Regimes in Wien abzuschwächen. Nach Portugal hat in der zweiten Halbzeit 2000 der „Scharfmacher“ Frankreich die EU-Präsidentschaft inne. Und die Widerstandsbewegung im Land hat in wenigen Wochen eine Dynamik entwickelt, die gewiss noch zumindest einige Monate anhält.

Vor allem aber: Die Regierung Schüssel und Co. kann schwächer nicht sein. Da kommt vieles zusammen: die verheerende internationale Isolation; ein Kanzler, dessen Popularitätswerte seit langem im Keller sind, FPÖ-Minister, die blutige Laien im Polit-Geschäft sind; ein provozierend unsoziales Sparprogramm; ein sozialdemokratisch dominierter Gewerkschaftsbund, der das erste Mal seit drei Jahrzehnten kaum Verbindung mit der Regierung hat und deshalb frei agieren kann, und eine oppositionelle SPÖ, die seit Bruno Kreisky mit dem jüngst erkorenen Alfred Gusenbauer erstmals wieder einen politisch denkenden Mann als Parteichef hat.

Nicht genug damit: Der eigentlich starke Mann der Regierung, der nicht in ihr sitzende FPÖ-Chef und Kärntner Landeshauptmann, der von Freund und Feind seit jeher als großes politisches Talent gepriesene Jörg Haider, entpuppt sich in der gegenwärtigen Konstellation als absoluter Idiot. Er lässt keinen Tag aus, an dem er nicht irgendeinen europäischen Politiker vor den Kopf stößt, die ÖVP in Verlegenheit bringt oder sonstwie eine als skandalös empfundene Bemerkung fallen lässt. Die überwältigende Mehrheit der Österreicher – auch viele seiner Wähler – wünschen inständig, Haider möge doch bitte endlich den Mund halten. Der kann das aber nicht. Der narzistische Maniak hat sich nicht unter Kontrolle.

Die etwa 300.000 Menschen, die am 19. Februar am Heldenplatz zu Wien versammelt waren, jubelten hell auf, als ein Redner in die Menge rief: „Diese Regierung muss weg. Und zwar schnell.“ Die Frage aber, w i e der Sturz dieser Regierung vonstatten gehen soll, ist unbeantwortet. Vor 30 Jahren hätte man geglaubt zu wissen, wie das zu bewerkstelligen ist: durch Revolution. In erfreulich gewaltfreien Zeiten wie diesen ist die Perspektive eines Regierungssturzes jedoch viel komplizierter.

Es gibt mindestens vier Szenarien: 1. Die Unternehmerverbände, die aus Hass auf die Sozis die ÖVP-FPÖ unterstützen, bemerken spät, aber doch, dass die Isolierung des Landes für sie äußerst schädlich ist. Und machen Druck auf „ihre“ Partei, die ÖVP, das blau-schwarze Abenteuer abzubrechen. 2. Die Gewerkschaften entdecken eine ihnen bislang unbekannte Veranstaltung: den Streik. Sie blockieren die Sparmaßnahmen der Koalition; handlungsunfähig wirft diese das Handtuch. 3. Die populistische Logik Haiders kommt mit der Regierungslogik seiner Minister in Konflikt: Schwere Krise der FPÖ. Die Regierung zerbricht. 4. Haider macht wieder einmal einen drastisch antieuropäischen, rassistischen oder nazifreundlichen Ausrutscher; die ÖVP – oder zumindest ein wesentlicher Teil der VP-Abgeordneten – kommt zur Räson.

Solche Szenarien oder eine Kombination dieser könnte die rechtsrechte Regierung zu Fall bringen. Wobei klar ist, dass es schon sehr dramatisch zugehen muss. Schüssel und Co. werden sich bis zum Letzten an die Macht klammern. Neuwahlen würden nämlich für sie aller Wahrscheinlichkeit desaströs ausgehen. Der geforderte nationale Schulterschluss gegen das böse Ausland fand bislang nicht statt. In allen Meinungsbefragungen seit dem Regierungsantritt zeigt sich für beide Rechtsparteien ein Abwärtstrend. Die oft vertretene These, die EU-Sanktionen würden nur Haider helfen, hat sich als falsch herausgestellt.

Es ist keinesfalls ausgeschlossen, dass Schwarz-Blau in Wien ein ähnliches Schicksal erleidet wie einst die Berlusconi-Bossi-Fini-Regierung in Rom. Die musste nach wenigen Monaten abtreten und einer Links-Regierung Platz machen. In Österreich hieße das: Rot-Grün. Georg Hoffmann-Ostenhof

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