Vier Kartenspiel-Klassiker: 18! 20! Fuchs! Durak!

Kartenspiele sind Traum und Trauma. Unterhaltsam, stressig, verbindend und, ja, auch trennend. Ein paar Regeln und Erinnerungen für laue Sommerabende.

Frauen spielen Karten und rauchen Zigaretten

Karten und Kippen – traditionsbewusste Spielerinnen 1941 in den USA Foto: Nina Leen/The LIFE Picture Collection/Getty Images

Spielkarten sind dem Menschen seit mindestens 2.000 Jahren bekannt. Wie so viele Kulturleistungen sind sie zuerst in China nachgewiesen, fanden aber letztlich ihren Weg über Indien und den Orient nach Europa und mit den Kolonisatoren in den Rest der Welt. Romane, Novellen, sogar Opern sind vom Kartenspiel in­spiriert. So viel lässt sich schließlich in ihnen erzählen: von betrogener Hoffnung, Glück und dramatischen Wendungen. Existenzen wurden über die bunt bedruckten Papierchen zerstört, Vermögen verspielt, andere wiederum gewonnen. Das höchste je ausgezahlte Preisgeld bei Main Event der World Series of Poker betrug 12 Millionen Dollar.

Aber auch ohne astronomische Gewinne erfreuen sich Mil­lio­nen Menschen am Kartenspiel, um ein paar Cents wird gespielt, einfach nur für den Spaß oder darum, wer denn nun der größte Dummkopf ist. Mit den Kartenspielen ist es dabei oft so wie für viele Fans mit ihren Fußballvereinen: Der erste bleibt der wichtigste im Leben. So kann die einen niemand davon überzeugen, dass Doppelkopf mehr Spaß als Skat macht, wieder andere schwören auf Rommé oder werden nie die Pokerkarten beiseitelegen. Nur gänzlich ohne Karten geht es nicht. Zumindest nach Auffassung unserer Autor*innen, die sich mehr oder weniger wehmütig daran erinnern, wie sie zu ihrem Spiel gefunden oder es wieder vergessen haben.

Doppelkopf

Es sollte ein entspannter Abend in einer Bar werden: frischgezapftes Bier, Karten spielen, ohne viel Unterhaltungen. Doch stattdessen diskutierten wir schon seit Ewigkeiten. Darüber, ob wir mit oder ohne 9er spielen, ob die zweite Dulle immer die erste sticht, ob der Fuchs zum Schwein wird, wenn man beide besitzt – und ob der zweite dann aber wieder zum Fuchs wird.

Die Regeln von Doppelkopf sind an sich nicht schwer: Es braucht vier ­Spie­ler:innen, 48 Karten, es gibt Fehlfarben und Trümpfe; wer die höchste Karte spielt, bekommt den Stich. So weit, so einfach. Doch je nach Region, Familie- oder Freund:innenkreis gelten andere Regeln. Der deutsche Doppelkopf-Verband bemüht sich zwar seit den 80ern um einheitliche Regeln, doch mir ist in meiner Doppelkopf-Karriere noch niemand untergekommen, der oder die sich strikt an die Turnierregeln hält.

Sich auf Regeln zu einigen könnte zudem einfacher werden, wenn wenigstens alle die gleiche Sprache sprechen. Doch auch hier – wie könnte es anders sein – gibt es unter Doppel­kopf­spieler:innen keine Einigkeit. So kann die Herz 10 (der höchste Trumpf, wenn man denn nach dieser Sonderregel spielt) Dulle heißen, aber auch Tolle, Tulle, Pinne oder Messer. Der Kreuz Bube Karlchen, Charlie oder Mäxchen – jedoch nur, wenn er im letzten Stich gespielt wird. Und von der Armut – auch schieben, Krankheit, Trumpfabgabe, verkaufen, pinkeln genannt – wollen wir gar nicht erst anfangen. Wer immer mit den gleichen Menschen spielt, umgeht die kräftezehrenden Diskussionen und kann ein Spiel in schweigsamer Atmosphäre genießen. Hier gilt also, was in der Pandemie eh gelten sollte: Den Kontaktkreis möglichst klein halten. ­Carolina Schwarz

Durak

Was mich schon immer am Spielen genervt hat, war, dass es ums Gewinnen geht. Als Kind war ich eine schlechte Verliererin, ich war zu ehrgeizig, zu perfektionistisch. Stunden nach einer Niederlage war ich noch eingeschnappt, beleidigt – und sauer auf mich selbst, denn wieso hatte ich nicht gewonnen. Heute, als erwachsener Mensch, bilde ich mir ein, diesen Makel überwunden zu haben. Viel schöner als das Gewinnen an sich ist, wenn ein Spiel den:die Verlierer:in kürt.

Durak, ein sehr beliebtes russisches Kartenspiel, zelebriert genau das. Jede:r kann es lernen, es ist nicht für Erwachsene bestimmt oder für große Strateg:innen. Und es ist simpel, bodenständig und ehrlich. Somit ist Durak fast schon ein demokratisches Spiel. Gespielt wird mit einem gewöhnlichen Blatt, bestehend aus 36 Karten. Im Spielverlauf greift man Spieler:innen im Uhrzeigersinn an, wirft Karten dazu, versucht, nachdem das Deck aufgebraucht ist, alle Karten auf der eigenen Hand loszuwerden. Wer am Ende übrig bleibt, ist der Durak. Oder auf Deutsch übersetzt: der Dummkopf. Sicher, niemand will der Durak sein, aber selbst wer sich noch so gut anstrengt und als erste:r Spieler:in alle Karten los ist: Zum Schluss steht der Durak, der Dummkopf im Rampenlicht. Und ist der:die Gewinner:in. Erica Zingher

Schnapsen

Es ist ein Trauerspiel. Also nicht das Schnapsen an sich, sondern meine Kenntnisse darüber. Meine sehr geduldige Tante Ingrid hat es mir sicher 32 Mal beigebracht. Jedes Mal hat es Spaß gemacht und wir haben jeden Tag, den ich bei der Familie in der Steiermark verbracht habe, geschnapst. Und doch hat mir die Rückkehr in die Großstadt stets alles Wissen über dieses Spiel weggewischt. Ich kann also nicht viel übers Schnapsen erzählen: Der eine mischt, der andere klopft, dann teilt einer aus und dann – ja, keine Ahnung. Irgendwas mit Stich und Bummerl. Müsste ich jetzt auch auf Wikipedia nachlesen. Sollte es so etwas wie ein Kartenspiel-Gen geben: ich hab es definitiv nicht. Ich kann es mir nicht merken. Die alten Telefonnummern meiner Freundinnen aus der Schulzeit kenn ich, die Geburtstage aller Verflossenen, aber ich soll mir merken, wie man Mau-Mau spielt? Keine Chance.

Nun gut, also Wikipedia: Da steht, dass Schnapsen vor allem in Bayern sowie „den Ländern des ehemaligen Österreich-­Ungarn“ weit verbreitet sei. Das ist mindestens seltsam for­muliert, aber darum geht es hier ja nicht. Man schnapst mit französischen oder, wie ich es gelernt habe, mit doppeldeutschen Karten. Doppel­deutsch hab ich nie verstanden. Ist das deutsch für ­Streber – nicht nur einmal deutsch, sondern doppelt deutsch? Der wichtigste Satz auf Wikipedia hierzu ist aber ein Zitat von Johann Galletti, der wohl mal vor Schülern sagte: „Ihr denkt wohl, Geschichte ist so leicht als Schnarps? Ach, Geschichte kann man in einer Stunde lernen, aber an Schnarps muß man mehrere Jahre studiren.“ Sag ich doch. Alles nicht so einfach. Aber vielleicht bringt es mir die Tante Ingrid ja noch ein 33. Mal bei. Saskia Hödl

Skat

Das letzte Mal, als der Großvater Skat spielte, war er schon schwer gezeichnet von der Krankheit. Konnte die Karten kaum halten, selbst mischen war zu schwer. Aber die Konzentration war für die zwei, drei Runden noch da. Reizen, Farbe bedienen, Trumpf. Schreiben musste sowieso immer ich. Seit die Großeltern mir das Spiel im Vorschulalter beigebracht hatten, damit der Enkel zu irgendwas nütze sei, wurde mir der Zettel übergeholfen. Damals, damit ich Kopfrechnen lernte, danach aus Gewohnheit. So einfach die Regeln zu lernen sind und so leicht die Spieltaktik sich erschließt, hatte es doch Jahre gedauert, bis ich das strategische Element von Skat verstanden hatte. Nicht ein einzelnes gewonnenes Spiel zählt. Geduld, Entschlossenheit, aber auch Zurückhaltung im richtigen Moment entscheiden darüber, wer am Ende punktet.

„Ein Herz hat jeder“, „Grünününum, die Löwenbraut“, „Dem Freunde lang, dem Gegner kurz“: Großmutters Sprüche klingen mir bis heute im Ohr, wiederholen kann sie die nicht mehr richtig, fehlt doch der „dritte Mann“. Um genau zu sein: Ihr fehlt – der – Mann. Und so sitzen wir jetzt da, wenn ich sie besuche, und spielen Halma. Ihr macht das Spaß, sie gewinnt ja immer. Den dafür nötigen Erfahrungsvorsprung werd ich wohl, anders als bei vielleicht 35 Jahren Skattraining, auch nicht mehr aufholen können. Daniél Kretschmar

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