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Viele Fragezeichen

■ Arbeitshilfeprojekt „Neue Arbeit der Diakonie Bremen“ feiert 10jähriges Jubiläum / Akut gefährdet

„Die Rolle des Außenseiters hat sich verändert“, sagt Klaus Schulze, Geschäftsführer der „Neuen Arbeit der Diakonie Bremen“. Als das Arbeitshilfe-Projekt vor zehn Jahren an den Start ging, hatten sich die Gründer vor allem für ausgegrenzte Obdachlose stark gemacht. Heute ist die „Neue Arbeit“ für Langzeitarbeitslose, Sozialhilfeempfänger sowie psychisch kranke und behinderte Menschen da. „Arbeitslosigkeit ist heute kein Randgruppenproblem mehr“, resümiert Schulze, der gestern gemeinsam mit Kollegen das 10-jährige Projektjubiläum feierte, „und für die Betroffenen wird immer weniger getan.“

„Arbeit statt Sozialhilfe“, so lautet nach wie vor das Motto des Arbeitsprojektes. In 10 Jahren konnten immerhin 1.000 Menschen im eigenen Haus mit einem Arbeitsplatz versorgt werden. Heute finden 140 Menschen in sechs Projekten eine neue Beschäftigung. „Das ist für viele oft die einzige Chance, überhaupt wieder in einen Arbeitsalltag hereinzukommen“, sagt Betriebsleiter Edgar Mund. Zwar steht das Projekt ständig mit rund 250 Firmen in Kontakt, um Arbeitslose in den ersten Arbeitsmarkt zu vermitteln. „Doch da gibt es nach wie vor große Vorbehalte oder einfach fehlende Sachkenntnis über psychisch kranke oder behinderte Menschen“, so Mund. Ein Projekt ist der Küchen- und Partyservice, in dem rund 25 psychisch kranke oder behinderte Menschen als ABM-Kräfte arbeiten. Der Service wurde 1987 nach der Auflösung der psychiatrischen Klinik Blankenburg im Keller des Wichernhauses aufgebaut und beliefert jetzt Kindergärten, Begegnungstätten und Messen. Außerdem tischlern und werkeln rund 50 Obdachlose für Kindergärten, Kirchengemeinden und Wohlfahrtsverbände. Die Maßnahmen werden von Arbeits- und Sozialressort, der Bundesanstalt für Arbeit sowie der Hauptfürsorgestelle finanziert.

„Vor allem sozial schwache Jugendliche haben auf dem Ausbildungsmarkt kaum eine Chance“, weiß Betriebsleiter Mund. Deshalb hob das Projekt den Bereich „Betriebliche Ausbildung“ aus der Taufe, der jetzt 37 Jugendliche von der Ausbildungsplatzsuche bis zur Abschlußprüfung pädagogisch betreut. Doch von 16 Jugendlichen einer Maßnahme hätten dieses Jahr nur sieben die Prüfung geschaffft. „Es ist kaum vorstellbar, daß schon pünktliches Erscheinen am Arbeitsplatz für sie ein fast unbewältigbares Problem darstellt“, sagt Geschäftsführer Schulze. Jetzt macht ihm vor allem die angespannte Ausbildungssituation in der Hansestadt zu schaffen: „Wenn sowieso 500 Jugendliche in Bremen ohne Lehrstelle sind, dann fallen solch problematische Gruppen in Zukunft einfach hinten runter“, prophezeit er. Auch für Langzeitarbeitslose sehe die Zukunft nicht rosig aus, fürchtet Betriebsleiter Mund. Das „Umzugsprojekt“, in dem rund 30 schwer vermittelbare Arbeitslose mit „sonstigen Vermittlungshemmnissen“ wie Alkoholsucht arbeiten, sei „akut bedroht“. In der zweiten Jahreshälfte würden die ABM-Verträge auslaufen, und noch sei unklar, ob sie verlängert würden. „Dazu soll es nächste Woche Gespräche mit dem Arbeitsamt geben“, kündigte Betriebsleiter Schulze an. Und für das gesamte nächste Jahr stehe man angesichts weiterer Sparaktionen im Bremer Haushalt sowie der Bundesanstalt für Arbeit „vor vielen Fragezeichen.“ Doch für Schulze ist nach wie vor klar: „Arbeit ist billiger als Sozialhilfe.“

kat

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