Viechtachs Elftklässler hängen Kreuz ab

Erst wollte nur ein Vater Jesus aus der Klasse verbannen. Nun stimmte die Klasse ab – und macht Niederbayern ratlos

BERLIN taz ■ Vier Wahlbeobachter waren da. Der Bayerwaldbote berichtete ausführlich. Noch am Mittag fragten sich die Viechtacher gegenseitig: „Habt ihr gehört, was im Gymnasium los ist?“ Der 9.000-Einwohner-Ort war, wenn man so will, in Aufruhr.

Für die Revolution sind 24 Schüler der 11b des Dominicus-von-Linprun-Gymnasiums verantwortlich – und die Demokratie. Elf Schüler votierten zum Schrecken aufgeregter Katholiken gegen das Kreuz im Klassenzimmer. Nur zehn stimmten dafür, drei Pennäler enthielten sich. Das Kreuz muss abgehängt werden, auch in den Fachräumen muss es verschwinden, sobald die 11b in Sicht ist.

Für die Viechtacher ist die Situation noch viel komplizierter geworden, seit die 16- bis 18-Jährigen ihre Wahlzettel abgaben. Zuvor hatten es die Christen des Ortes nur mit Oberstudienrat Walter Liebl zu tun, der für seine beiden Söhne verlangte: Das Kreuz muss weg. Das geht. So hat es das Bundesverfassungsgericht dem bayerischen Staat aufgetragen. Sein Wille geschehe.

Die Viechtacher geißelten daraufhin, Liebl gehe mit Penetranz gegen das Symbol christlichen Glaubens vor. Er zwinge der Mehrheit seinen Willen auf. Besonders empörte, dass Liebl selbst Lehrer ist. Eltern wurde geraten, beim Kultusministerium im fernen München darauf zu dringen, Liebls Stundenzahl zu reduzieren. Aber kann man nicht, so der letzte Rettungsversuch im Ort, übers Kreuz abstimmen? Der Rektor des Gymnasiums sagte Nein – aber Liebl sagte Ja. Da begann das Viechtacher Unglück erst richtig. Denn die Schüler, 14 katholisch, je fünf evangelisch oder konfessionslos, sagten trotzdem Njet zum Kreuz.

Und, hilft das Ministerium noch? Der Fall sei einzigartig, heißt es da, es habe nur eine relative und keine absolute Mehrheit gegen das Kreuz gestimmt. Aber das sei Sache der Schule, also „O.k.“. Hm. CHRISTIAN FÜLLER