piwik no script img

Videospielserie „The Walking Dead“Per Klick durch die Apokalypse

„The Walking Dead“ kombiniert eine der ältesten Formen von Videospielen mit TV-Seriendramatik. Das so entstandene Sub-Genre zeigt viel Potenzial.

„Es gibt keine Kinder und Erwachsene mehr, nur noch Überlebende!“, heißt es im Spiel Bild: Screenshot: Telltalegames.com

Es läuft nicht gut für Lee Everett, im Point and Click-Episodenspiel „The Walking Dead“. Der verurteilte Sträfling wird gerade verlegt, als die Zombiekrise ihren Lauf nimmt. Nach einem kurzen Dialog mit dem Polizisten am Steuer des Streifenwagens tritt der erste Untote auf den Plan – und direkt vor das Auto. Als Everett nach dem Unfall wieder zu sich kommt, ist die Welt eine andere. Zombifizierte Opfer kriechen umher, allen voran der Sheriff, mit dem eben noch geplaudert wurde und der nun unsanft sein Ende findet.

„The Walking Dead“ stammt vom Entwickler Telltale, der bereits Marken wie „Jurassic Park“ oder „Zurück in die Zukunft“ als Episodenspiele umgesetzt hat. Mit den Spielen auf Basis der Comicbuchreihe des Autors Robert Kirkman gelang der kommerzielle Durchbruch, die Pilotfolge verkaufte sich in den ersten drei Wochen eine Million Mal. Mittlerweile expandiert das Unternehmen, eine zweite Staffel der Erfolgsserie ist in Planung. Denn die Kombination aus Seriendramatik und Interaktion funktioniert. Und das, obwohl der Comic-ähnliche einfache Grafikstil sich nicht mit den Hochglanzgrafiken der großen Spiele-Blockbuster messen kann.

Startet man die erste Episode des Spiels, könnte man meinen, es beginnt eine computeranimierte TV-Serie: In Episoden aufgeteilt, inklusive Vorspann und Titelmelodie, führt die Handlung am Ende jeder Folge zum serientypischen Cliffhanger, dem offenen Ende.

Das Besondere aber ist die Spielweise. Anstatt die Figur selbst durch eine virtuelle Landschaft zu steuern, führt der Spieler einen Cursor über den Bildschirm. Zeigt man damit auf Objekte oder Personen, werden verschiedene Aktionen per Klick möglich – daher Point and Click, also „zeigen und drücken“. Dieses Genre ist der älteste Vorläufer heutiger Videospiele, entwickelt Anfang der 1980er aus textbasierten, interaktiven Geschichten am Computer, Interactive Fiction genannt.

Empfohlener externer Inhalt

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen:

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Wer sich durch die Zombie-Apokalypse klickt, wird vor schwere Entscheidungen gestellt. Bin ich ehrlich zu Fremden? Wem rette ich das Leben, wer muss sterben? Alle Entscheidungen haben Einfluss auf den Verlauf der Geschichte, die Entwickler versprechen eine „maßgeschneiderte Erfahrung“.

Rastlos im Wohnzimmer

Für Gespräche wählen die Spieler aus vorgegebenen Fragen oder Antworten. Hier zeigt sich die größte Schwäche des Drehbuchs. Gerade in der letzten Episode flachen die Dialoge ab, kommen bemüht schnell auf den Punkt, um dem Schlussakkord mehr Tempo zu verleihen. Dennoch transferiert das Spielprinzip gekonnt das Gefühl der Rastlosigkeit ins heimische Wohnzimmer.

Ständig auf der Flucht entsteht beim Spieler schnell eine innige Bindung zum neuen Schützling. Hinzu kommt die trostlose, ernste Grundstimmung. Verklärtes Heldentum bleibt aus. „Es gibt keine Kinder und Erwachsene mehr, nur noch Überlebende!“ heißt es in einem späteren Dialog.

Das große Gewicht auf Handlung, Figuren und deren Beziehungen zueinander gibt dem Genre neue Impulse. Denn mit den Geschichten vieler Videospiele verhält es sich wie mit den Geschichten effektgeladener Hollywood-Blockbuster: Man kommt auch ohne durch. „The Walking Dead“ dagegen fordert Entscheidungen und Achtsamkeit ein, bietet dafür aber eine größtenteils hausgemachte Handlung. Dieses Prinzip des nichtlinearen Ablaufs macht die Spieleerfahrung individueller. Neben plötzlichen Zombieüberfällen, die schon mal kreischende Hektik im Wohnzimmer der Spieler auslösen können, ist das die große Stärke von „The Walking Dead“.

Episode 5, das Staffelfinale, erschien vergangene Woche.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • P
    Pretererter

    ich spiele jetzt seit gut und gern 15 jahren videospiele. dieses ist das erste welches mich am ende zu tränen gerührt hat. die verbindung die dieses spiel zwischen spieler und spielfiguren (hier besonders Lee und Clementine) herzustellen vermag ist für videospiele einzigartig. aber das ist nur meine bescheidene sicht der dinge.

     

    ich hab mich in den letzten 3 tagen auf jedenfall noch nicht von dem ende erholt und werde es nochmal (anders selbstverständlich :) durchspielen.

     

    meine wärmste empfehlung und 5 von 5 * hat das spiel auf jeden fall.

  • D
    Delabar

    Lieber ignorant,

     

    wir können nicht jedem Thema beliebig viel Platz einräumen. Auch wenn wir versuchen, in Rezensionen wie dieser inhaltlich keine Grenzen zu setzen, müssen wir doch auswählen. Manche Aspekte bleiben im Text, andere müssen raus. Wir bemühen uns dennoch, künftig präziser zu sein.

     

    Was die Entwicklungsgeschichte angeht:

    Auch wenn erste einfache Spiele-Varianten schon in den 1940ern existierten, war das Textadventure (= Interactive Fiction) der geschichtliche Wendepunkt.

     

    Sicher gab es parallele Entwicklungen - wie elektromechanische Spielautomaten oder sehr frühe Shooter, z. B. "Maze War" (1973). Zu der Zeit war das Genre der Interactive Fiction jedoch schon auf seinem kommerziellen Höhepunkt. Als in den 1980ern die grafische Darstellung immer besser wurde, ersetzte sie mehr und mehr die reine Textdarstellung ( z. B. "Mystery House"). Point'n'Click-Adventures, allen voran "Deja Vu" (1985), sind die konsequente Entwicklung dieser Frühform.

     

    "The Walking Dead" ist ein bemerkenswertes Spiel - und auch wenn die Entwickler den nonlinearen Ablauf nicht permanent auf hohem Niveau halten konnten, zeigt das Spiel doch, dass Innovation im Gaming-Genre auch ganz andere Wege gehen kann, als den der immer besseren Grafik.

     

    Grüße

    der Autor

  • I
    ignorant

    Und für diesen Artikel hätte ich zahlen sollen/wollen?

     

    Vielleicht wäre es einfach charmanter, wenn die Frage nicht schon vor dem Lesen gestellt würde!

     

    Aber zum Artikel: Damit kann m.E. keiner etwas anfangen! Der Computerspieler wird ihn einfach oberflächlich und streckenweise als falsch empfinden. Der computerspielunkundige ist nachher wohl auch nicht schlauer.

     

    Das Point und Click Adventure der "älteste Vorläufer heutiger Videospiele" sein soll halte ich für eine völlig aus der Luft gegriffene Behauptung! Mit Sicherheit nicht der älteste: Wenn man nett sein will hat diese Genre bestimmte Entwicklungen befördert und Wege geebnet. Aber nicht mehr als das "ältere" Textadventure oder die jüngeren aber bestimmt stilbildenderen Egoshooter...

     

    "Dieses Prinzip des nichtlinearen Ablaufs macht die Spieleerfahrung individueller."

    Das macht das Spiel eben leider nicht und ich kann mich auch nicht dem euphorischen Kommentar von xVegAnarchistx anschliessen!

    Die zu treffenden Entscheidungen sind für den Spieler selber bedeutsam - für das Spiel leider nicht!

    In meinen Augen leider nur ein interaktiver Film, der einem Entscheidungsfreiheit vorgaukelt: aber je länger das Spiel dauert umso klarer wird, dass doch alles wieder auf den kleinsten gemeinsamen Nenner zusammengeführt wird!

     

    Auch mich hat das Spiel öfters emotional bewegt, weil es seine Story gut erzählt. Aber das haben davor schon andere Spiele (zB Final Fantasy 7) und diese waren dabei zusätzlich noch ein Spiel!

  • X
    xVegAnarchistx

    "Anstatt die Figur selbst durch eine virtuelle Landschaft zu steuern, führt der Spieler einen Cursor über den Bildschirm."

     

    Das ist allerdings falsch, und sollte dem Autor so er das Spiel gespielt hat auch bekannt sein, denn direkt nach dem Unfall in Episode 1 beginnt man 'sich' zu bewegen und Dinge anzuklicken.

     

    Abgesehen davon, ist The Walking Dead für mich das beste Spiel des Jahres, da es in fast 20 Jahren zocken erst das dritte Spiel ist das mich, und weltweit noch viele Andere, zum weinen gebracht hat, da es einen eine unglaubliche dichte Bindung zu den sehr gut geschriebenen, glaubwürdigen, Charakteren aufbauen lässt!

     

    Und Ep. 5 mag etwas kurz bzw. schnell sein, allerdings muss sie das auch um wie geplant zu funktionieren, und lieber Quali- als Quantität, oder um mit dem perfekten Zitat von IGN dazu zu schließen:

     

    "No Time Left is a perfectly paced finale…I cried in the final minutes, sat silently through the credits, and was speechless after the epilogue…"