Videos im US-Wahlkampf: Mitt, der Jobvernichter
Newt Gingrich unethisch und für Klimaschutz, Mitt Romney Heuschreckenkapitalist und abgehoben: Wie in den USA mit Negativ-Spots Wahlkampf gemacht wird.
Das Leiden beginnt, wenn Mitt Romney in die Stadt kommt. Unternehmen gehen Pleite, Familien verlieren ihre Häuser, der Mittelstand hat keine Chance gegen den Kapitalisten und ehemaligen CEO der Investment-Firma Bain Capital.
30 Minuten Dramatik und Verzweiflung pur und eine Kernaussage: Mitt Romney ist der gänzlich Falsche, um Amerika zu führen. "Das ist der Mann, der uns zerstört", klagt eine Frau. "Was hat er als CEO von Bain Capital getan? Was?", fragt eine andere.
Verantwortlich für den Spot ist "Winning Our Future", ein "political action committee" ("Politische Aktionskomitees", kurz PAC). PACs unterstützen in den USA mit Kampagnen ihren Favoriten für die Präsidentschaftskandidatur der Republikaner. In diesem Fall Newt Gingrich. Der nichts mit diesem und anderen Videos zu tun hat und "Winning Our Future" auch nicht offiziell unterstützt.
Empfohlener externer Inhalt
Das Ziel jedoch, Romney und damit seinen größten Konkurrenten im Kampf um die republikanische Präsidentschaftskandidatur zu diskreditieren, teilt er mit der Gruppe. Und die investiert viel Geld, um Gingrich zu pushen. "Wir akzeptieren unbegrenzte Zuwendungen", heißt es dezent auf der Seite.
Spenden ohne Limit
PACs können Spenden ohne Limit annehmen, um den Kandidaten ihre Wahl zu unterstützen. Die Spendenlisten müssen jedoch offenliegen und eine Koordination mit den Kampagnen der Kandidaten ist nicht erlaubt.
Empfohlener externer Inhalt
Die Zukunft "wiederherstellen" möchte "Restore Our Future" – ein PAC, das Romney unterstützt. Hier wird geschickt auch noch gegen Obama agiert, der sich Gingrich als leicht zu schlagenden Gegner wünscht. "Sein Plan, Mitt Romney zu zerstören, geht auf", heißt es. Aber nicht, wenn Romney-Fans es verhindern können. Gingrich wird als unethisch und unmoralisch dargestellt, der "1,3 Millionen Dollar von Freddie Mac einstrich" bevor das Unternehmen dazu beitrug, die amerikanische Wirtschaft zu zerstören. Und, ganz schlimm: Gingrich hat schon mit Al Gore gemeinsame Sache im Klimaschutz gemacht.
Negativ-Spots haben neben den stets vor Kitsch und Patriotismus überbordenden Eigenwerbungen der politischen Kandidaten gute Tradition. Auch außerhalb von Wahlkampfzeiten investieren Lobbygruppen viel Geld, um die Arbeit des politischen Gegners zu diskreditieren, etwa im vergangenen Jahr in der Debatte um die Gesundheitsreform. YouTube, soziale Netzwerke und andere Online-Kanäle bieten die ideale Plattform, die Botschaft auch außerhalb teurer Sendezeiten im TV zu verbreiten.
Empfohlener externer Inhalt
Höhepunkt der Video-Schlacht ist jedoch das Jahr des Präsidentschaftswahlkampfs. Neben den PACs investieren die Kandidaten selbst viel in Wahlkampfwerbung. Bei der Vorwahl in South Carolina gab Romney laut CNN 550.000 US-Dollar für Sendezeit in South Carolina aus – in einer Woche. Mehr als jeder andere Kandidat. Insgesamt investierte Romney in South Carolina 1,9 Millionen Dollar, ein ihn unterstützendes Super-Aktionskomitee gar 2,5 Millionen Dollar.
Romney braucht einen Sieg
Empfohlener externer Inhalt
Gingrichs Unterstützer von "Winning Our Future" brachte noch 1,76 Millionen Dollar zusammen, die Kampagne von Gingrich selbst 640.000 Dollar. Doch entgegen der oft verbreiteten These, der Kandidat mit dem meisten Geld gewinne, hat in South Carolina Gingrich die Vorwahl für sich entschieden und Romney unter Zugzwang gesetzt.
Und Romney reagiert. Mit neuen Kampagnen in Florida, wo am 31. Januar die nächsten Vorwahlen stattfinden – und Romney nach der doch noch verlorenen Abstimmung in Iowa sowie der Debatte um seinen geringen Steuersatz unbedingt einen Sieg braucht. Mit vier Spots ist der Multimillionär in Florida on air, einer davon auf Spanisch für die große Bevölkerungsgruppe der Lations. Die Spots konzentrieren sich auf den Kandidaten Romney und seine Verdienste, nicht so sehr auf Gingrich. Dafür werden die PACs sorgen.
Gingrich hingegen ist in Florida noch nicht auf Sendung und hat bis dato laut amerikanischen Medienberichten weit weniger ausgegeben. Gingrich hat sich jedoch auch später als Romney entschlossen, seinen Ring in den Hut zu werfen. Romney hatte sich bereits vor vier Jahren vergeblich um die Kandidatur bemüht und seinen erneuten Versuch nun generalstabsmäßig vorbereitet – inklusive Spendensammlung. Laut "Federal Election Commission" hat Romney bereits mehr als 32 Millionen Dollar gesammelt.
Gingrich kommt bis dato lediglich auf 2,9 Millionen. Doch der Weg bis zur Nominierung des Kandidaten auf dem Parteitag der Republikaner im August in Florida ist noch lang, der innerparteiliche Kampf wird erbittert geführt werden. Viel Zeit für Romney und Gingrich zum Spenden sammeln – und Videos drehen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen