: Viagra für Kohl
■ Bürgerschaft: Scheindebatte um A3XX
Wäre es nicht sozial gerechter, wenn Rostock statt Hamburg den Super-Airbus A3XX bauen dürfte? Auf jeden Fall, finden der ewige Kanzler Helmut Kohl und seine Umweltministerin Angela Merkel (beide CDU). Den Osten zu bevorzugen, weil er der Osten ist, „hätten wir 1990 akzeptiert“, sagte hingegen gestern in der Bürgerschaftsdebatte zum Thema der SPD-Abgeordnete Werner Dobritz, „aber jetzt haben wir 1998“. Der bessere Standort müsse genommen werden, nicht der politisch korrektere.
Denn wenn man dieser Argumentation folgte, müsse nicht Rostock den Zuschlag bekommen, sondern Andalusien: „Das ist noch ärmer als Mecklenburg-Vorpommern.“ Wegen himmelschreiender Blödheit empfehle er Kohl die „Viagra-Tablette gegen ökonomische Inkompetenz“.
Die CDU sah sich in dieser Debatte in einer unglücklichen Lage; Kohl-Liebe einerseits, Lokalpatriotismus andererseits. Aber auch CDUler Karl-Heinz Ehlers fand es so toll nicht, daß sein Kanzler die Schaffung von 4000 Arbeitsplätzen lieber in Rostock sähe.
Die GAL hielt die Debatte an sich für überflüssig. Aus Naturschutz-Sicht biete sich Rostock an, weil dort kein Vogelschutzgebiet zugeschüttet wird. Wirtschaftssenator Thomas Mirow (SPD) findet sogar, daß „die Grundlage der volkswirtschaftlichen Stärke“ verlorenginge, wenn ein Standort nicht nach seiner Eignung und Effizienz ausgewählt würde: „Es käme zu Scheinrationalitäten.“
Die Diskussion gestern war auf jeden Fall eine Scheindebatte. Weder Kohl noch der Hamburger Senat werden eine Entscheidung treffen, sondern Airbus – und zwar nicht aus politischen Gründen. sim
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen