„Veto“ gegen das Kopftuchgesetz in Iran: Peseschkians Verschleierungstaktik
Ein Veto gegen eine Gesetzesverschärfung für Frauen in Iran? Klingt gut, ist allerdings nichts als eine Farce.

D ie „moderate“ Regierung in Iran hat das „Keuschheits- und Hijabgesetz“ vorerst gestoppt. Präsident Massud Peseschkian habe ein „Veto“ eingelegt – so zumindest die Berichte vieler westlicher Medien. Doch diese Darstellung greift nicht nur zu kurz, sie fördert ein Narrativ, das das Regime gezielt transportiert.
Peseschkian besitzt in der Realität keinerlei Vetorecht. Die wahre Macht liegt bei der politischen Führung: Chamenei und die Revolutionsgarden (IRGC) bestimmen die Marschrichtung. Dass ein vermeintlicher „Reformpolitiker“ nun gegen Hardliner „gewinnt“, ist nicht mehr als Theater.
Es geht dem Regime darum, sich international als moderat zu inszenieren. Nach innen nimmt die Repression aber weiter zu: Im Oktober wurden mindestens 166 Menschen hingerichtet – die höchste Zahl in einem Monat seit über 20 Jahren. Frauen, die sich der Kopftuchpflicht verweigern, werden ausgepeitscht.
Assads Fall schwächt die Mullahs
Die Hintergründe sind klar: Das Regime in Iran ist außenpolitisch geschwächt. Mit dem Sturz des syrischen Präsidenten Assad verliert das Regime einen wichtigen Verbündeten, und angesichts des schwierigen Verhältnisses zu den USA müssen sich die Mullahs Europa wieder annähern. Dafür braucht es das Bild eines moderaten Iran, der auf Kritik reagieren kann.
Die westlichen Medien – und leider auch die Politik – spielen mit. CDU, SPD und Grüne schaffen es trotz zwei Jahren der „Frau, Leben, Freiheit“-Bewegung nicht, klare Forderungen in ihre Programme aufzunehmen. Die CDU erwähnt die Terrorlistung der IRGC nicht, CDU und SPD fordern keinen Abschiebestopp, und die deutschen Geiseln, wie die 70-jährige Nahid Taghavi, bleiben in allen drei Wahlprogrammen unerwähnt.
Es gibt keine Trennung zwischen Reformern und Hardlinern, sondern nur eine strategische Rollenverteilung. Dies zu übersehen macht den Westen mitschuldig – an der Verschleierung von Menschenrechtsverletzungen und an der Unterstützung eines Regimes, das diese gezielt einsetzt, um an der Macht zu bleiben.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
CDU-Chef Friedrich Merz
Friedrich der Mittelgroße
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen
Comeback der Linkspartei
„Bist du Jan van Aken?“
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich