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„Veto“ gegen das Kopftuchgesetz in IranPeseschkians Verschleierungstaktik

Kommentar von Daniela Sepehri

Ein Veto gegen eine Gesetzesverschärfung für Frauen in Iran? Klingt gut, ist allerdings nichts als eine Farce.

Guckt lieber nach Blazern als nach Kopftüchern: eine Iranerin beim Klamottenshoppen in der Stadt Bandar Anzali Foto: AP Photo/Vahid Salemi

D ie „moderate“ Regierung in Iran hat das „Keuschheits- und Hi­jabgesetz“ vorerst gestoppt. Präsident Massud Peseschkian habe ein „Veto“ eingelegt – so zumindest die Berichte vieler westlicher Medien. Doch diese Darstellung greift nicht nur zu kurz, sie fördert ein Narrativ, das das Regime gezielt transportiert.

Peseschkian besitzt in der Realität keinerlei Vetorecht. Die wahre Macht liegt bei der politischen Führung: Chamenei und die Revolutionsgarden (IRGC) bestimmen die Marschrichtung. Dass ein vermeintlicher „Reformpolitiker“ nun gegen Hardliner „gewinnt“, ist nicht mehr als Theater.

Es geht dem Regime darum, sich international als moderat zu inszenieren. Nach innen nimmt die Repression aber weiter zu: Im Oktober wurden mindestens 166 Menschen hingerichtet – die höchste Zahl in einem Monat seit über 20 Jahren. Frauen, die sich der Kopftuchpflicht verweigern, werden ausgepeitscht.

Assads Fall schwächt die Mullahs

Die Hintergründe sind klar: Das Regime in Iran ist außenpolitisch geschwächt. Mit dem Sturz des syrischen Präsidenten Assad verliert das Regime einen wichtigen Verbündeten, und angesichts des schwierigen Verhältnisses zu den USA müssen sich die Mullahs Europa wieder annähern. Dafür braucht es das Bild eines moderaten Iran, der auf Kritik reagieren kann.

Die westlichen Medien – und leider auch die Politik – spielen mit. CDU, SPD und Grüne schaffen es trotz zwei Jahren der „Frau, Leben, Freiheit“-Bewegung nicht, klare Forderungen in ihre Programme aufzunehmen. Die CDU erwähnt die Terrorlistung der IRGC nicht, CDU und SPD fordern keinen Abschiebestopp, und die deutschen Geiseln, wie die 70-jährige Nahid Taghavi, bleiben in allen drei Wahlprogrammen unerwähnt.

Es gibt keine Trennung zwischen Reformern und Hardlinern, sondern nur eine strategische Rollenverteilung. Dies zu übersehen macht den Westen mitschuldig – an der Verschleierung von Menschenrechtsverletzungen und an der Unterstützung eines Regimes, das diese gezielt einsetzt, um an der Macht zu bleiben.

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1 Kommentar

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  • Wenn schon auf die Haltung deutscher Parteien zur iranischen Demokratiebewegung abgehoben wird, sollte auch erwähnt werden, dass bei diesen in Wirklichkeit herzlich wenig Interesse an Demokratie und Menschenrechten anderswo (nicht nur im Iran) besteht, abgesehen von wohlfeilen Sonntagsreden. In diese Kritik beziehe ich die heutigen Grünen ausdrücklich mit ein. Die Scheinheiligkeit der ehemaligen „Menschenrechtspartei“ wiegt daher gegenüber der der anderen umso schwerer.



    Konservative (CDU) sind darüber hinaus noch geneigt, mittels dieses Themas zusätzlich ihr tief eingepflanztes islamophobes Süppchen zu kochen, was nur als besonders erbärmlich betrachtet werden kann.



    Ähnlich die Haltung bzw. Nicht-Haltung in weiten Teilen der deutschen Bevölkerung - Hauptsache, ordentlich gegen muslimische Menschen abledern. Dass im Iran Frauen ausgepeitscht werden, verdirbt dem deutschen Michel nicht wirklich den Appetit an seinem Schweinsbraten.



    Sorry, liebe taz-Redaktion, aber diese Polemik musste jetzt mal raus. Denn ich ahne schon, wie sich andere Kommentatoren hier äußern werden.