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Veterinärmediziner zur Vogelgrippe„Massenhaltung ist anfälliger“

Tiere in Riesenställen sind mehr Stress ausgesetzt. Deshalb können sie leichter erkranken, sagt Veterinärprofessor Siegfried Ueberschär.

Voll der Stress. Tausende von Hühnern auf engem Raum. Bild: dpa
Jost Maurin
Interview von Jost Maurin

taz: Herr Ueberschär, jetzt ist die Vogelgrippe in einem konventionellen 20.000-Puten-Stall der Agrarindustriehochburg Niedersachsen ausgebrochen. Freunde der Massentierhaltung sagen, Größe und Art der Betriebe hätten nichts mit der Anfälligkeit für Viren zu tun. Stimmt das?

Siegfried Ueberschär: Nein. Die Massentierhaltung ist anfälliger. Die Tiere dort stehen ja unter einem extremen Stress. In solchen Situationen kommt es zu Cortisonausschüttungen, das heißt, einer Überaktivität der Nebenniere, was die Immunantwort dämpft. Das ist beim Menschen und allen Tierarten so und steht in jedem Lehrbuch.

Welche Ursachen hat der Stress?

Er entsteht zum Beispiel durch die enge Haltung. Die Tiere haben ja eine genetische Veranlagung, sich zu bewegen und in Gruppen einzuordnen. Das wird bei der heute üblichen intensiven Haltung völlig unterbunden. Sie haben am Ende der Mast 40 Kilogramm Lebendgewicht pro Quadratmeter bei den Hähnchen, und bei den Puten meist noch mehr. Das ist wie in einer Ölsardinendose. Die sitzen auf einer schmierigen oder sogar flüssigen Kotschicht. Sie würden da nur mit einer Gasmaske reingehen, weil es so stinkt. Die Tiere sind von oben bis unten mit Kot beschmiert. Das allein ist Superstress.

Welche Rolle spielt die Zucht?

Man züchtet sehr wenig auf andere Parameter als auf Wachstum und Fleischansatz. Gesundheit, Vitalität spielt ja nur sekundär eine Rolle, so lange die Tiere mit Antibiotika überleben. Der Mangel bei der Immunantwort wird durch diese Medikamente kompensiert.

Wie wirkt sich aus, dass pro Stall zum Beispiel rund 40.000 Legehennen gehalten werden?

In großen Beständen kommt es zu einer explosionsartigen Ausbreitung des Virus. In einem so großen Betrieb kann ein infiziertes Tier natürlich viel mehr Tiere anstecken als in einem kleinen.

Im Interview: Siegfried Ueberschär

78 Jahre, Mitglied des „Tierärztlichen Forums für verantwortbare Landwirtschaft“, emeritierter Pathologieprofessor der Tierärztlichen Hochschule Hannover.

Wie wichtig ist, dass etwa das Futter oft von weit her kommt?

Durch die Globalisierung können solche Erreger weltweit verteilt werden. Eine lokalere Landwirtschaft ist da sicher weniger anfällig. Dass das Vogelgrippe-Virus H5N8 durch Wildvögel übertragen worden sein soll, ist bislang ja reine Spekulation.

Was für Folgen hat die hohe Zahl der Tiere je Betrieb bei der Eindämmung der Seuche?

Wenn die Bestände kleiner wären, dann müssten wir jetzt nicht die Ungeheuerlichkeit vollziehen, so viele Tiere zu töten. Da in Vechta und ähnlichen Gegenden viele Betriebe konzentriert sind, müssen schnell Hunderttausende, vielleicht sogar Millionen Tiere gekeult werden. Es ist schlimm genug, dass wir Tiere töten. Dann sollten wir sie wenigstens vernünftig nutzen – also essen –, statt sie zu verwerfen.

Muss man wirklich alle Tiere in den betroffenen Betrieben umbringen?

Wenn das Kind einmal in den Brunnen gefallen ist, bleibt kaum etwas anderes übrig. Selbst infizierte Tiere, die die Krankheit aber überstanden haben, scheiden zu einem großen Teil noch Viren aus. Das wäre eine irrsinnige Verteilung der Erreger in den Schlachtereien und mit den Produkten der Tiere. Ich plädiere deshalb für kleinere, besser kontrollierte Betriebe mit einem genetisch anderen Tiermaterial.

Aber viele Tiere stecken sich doch gar nicht an?

Innerhalb von 8 bis 14 Tagen geht das Virus leider durch den ganzen Bestand. Die Tiere können sich innerhalb der Großställe ja frei bewegen. Und mit den Futtermittelbändern und dem Trinkwasser wird das Virus im Stall verteilt. Die Industrie hat aus Arbeitsgründen dafür gesorgt, dass ein Farmarbeiter etwa 60.000 bis 80.000 Masthähnchen betreuen kann. Da gibt es keine Möglichkeit, kranke Tiere in Gruppen so zu separieren, dass sie keine anderen anstecken.

Sind Tiere in Biohaltung weniger anfällig?

Das ist nicht zu Ende untersucht, aber es spricht einiges dafür. Die Besatzdichten sind hier geringer, vor allem bei Verbänden wie Demeter. Auch antibiotikaresistente Bakterien kommen in solchen Betrieben viel weniger vor.

Aber manchen Studien zufolge ist die Gesundheit von Bio-Tieren teils sogar schlechter.

Es gibt Betriebe, die die Bio-Vorschriften angeblich einhalten, aber ganz schlechte Hygienemaßnahmen haben. Dann verschlechtert sich der Gesundheitszustand natürlich auch.

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16 Kommentare

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  • Falls das Virus durch Wildvögel übertragen wird, müssten Freiland-Bestände eher infiziert werden als Stallhaltungen. Nicht umsonst wurde in Niedersachsen ja jetzt eine Stallpflicht eingeführt. Außerdem könnte man argumentieren, dass das Immunsystem von Freilandtieren generell einem höheren Infektionsdruck ausgesetzt ist und die Tiere dadurch mehr Stress haben. Zudem leiden diese Tiere häufiger unter Parasiten und müssen sich vor Greifvögeln fürchten. Und: Dass grundsätzlich in der Freilandhaltung robustere Rassen eingesetzt werden, ist auch nicht mehr als ein frommer Wunsch. Ich denke, Mutmaßungen helfen hier nicht weiter. Es wird einfach Zeit, dass die Forschung mehr über die Infektionswege herausfindet.

    • @Susanne Günther:

      Die "Forschung " ist de fato ein Monopol mit Namen FLInstitut. Das ist weder der freien konventionellen bäuerliche Landwirtschaft zuträglich, noch der alternativen Landwirtschaft.

  • Guten Tag;

     

    Ob das alles so stimmt? Wir hatten in der jüngeren Vergangenheit eine Vielzahl von Vogelgrippe-Fälle in niederländischen Bio-Betrieben.

     

    Interessant ist auch eine Recherche des NDR: In Niedersachsen werden etwa 64% des deutschen Wirtschaftsgeflügels gehalten und hier haben wir seit 2009 nur knapp 46 Prozent der gekeulten Tiere. Offensichtlich sind die modernen Betriebe seuchenhygienisch gut abgesichert.

     

    Gerade weil man sich an Bio-Bestimmungen hält und z.B. Puten kein synthetische Methionin (Aminosäure) zufüttert, ist der Gesundheitsstatus von Bio-Puten oft deutlich schlechtet. Und so weisen Bioputen bei der Schlachtung deutlich mehr pathologische Veränderungen auf. Hier geht es zur entsprechenden Dissertation:

     

    Olga Ermakow

    Ergebnisse der Fleischuntersuchung bei Puten aus ökologischer und konventioneller Haltung

    Dissertation, Veterinärmedizinische Fakultät der Universität Leipzig, 2012

    http://www.qucosa.de/fileadmin/data/qucosa/documents/8860/Dissertation_Ermakow_Olga_2012.pdf

     

    Darum mästen Bio-Putenhalter oft nur die langsamer wachsenden Putenhennen. Die schnellwachsenden männlichen Putenküken werden an konventionelle Putenmäster verkauft, da hier die Tiere mit synthetischem Methionin ausreichend und artgerecht ernährt werden.

     

    Das H5N8-Virus wurde mehrfach bei Wildvögln in Deutschland, Japan, Korea, Niederlanden und USA nachgewiesen. Eine Übertragung über den internationalen Tierhandel ist ebenso wenig belegt.

    • Jost Maurin , Autor des Artikels, Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
      @Manfred Stein:

      Der aktuelle Ausbruch betraf bisher ausschließlich konventionelle Betriebe. Mit Hygiene kann man sicher das erhöhte Risiko durch Stress, Züchtung etc. wieder eindämmen, aber so richtig nachhaltig kommt mir das nicht vor.

      • @Jost Maurin:

        Herr Maurin,

         

        mal trifft es konventionelle Betriebe, dann die Bios. Da es nur wenige Bio-Betriebe gibt, ist die Wahrscheinlichkeit gering. Anteil Bio-Geflügelfleisch laut BÖLW maximal 1%. Pippifax!!!

        • @Manfred Stein:

          aho Rechner ?

          Es gibt eine Vielzahl freilaufender Geflügelherden von Hobbyhaltern , Züchtern und kleineren Betrieben- direkt unter dem Flugkorridor der Wildtiere- ohne Probleme. Vögel leben zwischen ihnen in friedlicher Koexistenz .Die Zahl dieser Freilandhaltungen ist um ein Mehrfaches größer, als die Anzahl der isolierten Megaställe.

          • @Jandebuur:

            Quatsch: Auch Kleinbetriebe mit Freilandhaltung werden immer wieder von Vogelgrippe heimgesucht:

             

            Dez, 2013: im südlichen Schwarzwald-Baar-Kreis (Baden-Württemberg) H5N3, 25 Hühner

            Mai 2013, Emsland H7 bei 34.500 Freilandhennen

            März 2013, Landkreis Soest, Hobbyhalter, Freiland-Hühner, H7N7

            Januar 2013, Landkreis Waldeck-Frankenberg, H5N2 bei 60 Hühnern in Kleinhaltung

            Dez 2012, Hofgeismar, 40 Gänse, H5N2

            • @Manfred Stein:

              Selbstverständlich werden auch diese befallen.Nur in Relation zur ANZAHL der Einheiten marginal.Haben sie gerademal 7 zusammengezählt. Herzlichen Glückwunsch.

              • @Jandebuur:

                Ich vermute, Hobby-Tierbestände werden nicht so engmaschig (falls überhaupt) vom Tierarzt besucht wie die Herden professioneller Halter. Auch muss man wissen, dass eine Vogelgrippe in der Regel nicht den ganzen Bestand dahinrafft. Der letzte Fall ist aufgrund erhöhter Verluste aufgefallen. Welcher Hobby-Gefügelhalter rennt denn gleich zum Amtsveterinär, wenn ihm ein paar Tiere mehr sterben als sonst?

                • @Susanne Günther:

                  ES gibt ca 600Mio Höfe auf der Erde , der größte Teil sind Kleinstbetriebe nach westlichem Standard, diese ernähren jedoch den größten Teil der Menschheit auch mit ihren "Hobby Tierbeständen" ohne das es zu einer Pandemie kommt.Also ,was ist effizienter und nachhaltiger.Mich stört, daß das Agrobusiness versucht die Spielregeln der Lebensmittelproduktion zu bestimmen.

              • @Jandebuur:

                Waren nur Beispiele, kann beliebig fortgesetzt werden. zB.:

                Oktober 2014: Archehof in Laer: 1.000 Enten, Gänse, Puten, Wachteln und Hühner in Freilandhaltung, H5N2

                • @Manfred Stein:

                  Sie zählen harmlose Fälle von LPAI in Freilandhalung auf. Was Sie nicht erwähnen: H5N2 war ein LPAIV, also ein recht ungefährliches Virus. In sehr vielen Fällen, besonders in Freilanhaltung, gab es kaum Symptome bei den Tieren. Aus Menschen ist das Virus nicht übergängig - man kann es also vergessen. Mutieren können schließlich auch Menschengrippeviren.

                   

                  Das Problem ist doch, dass die Enge und die großen Herden die Mutation zu höher pathogenen Formen begünstigen. Die hoch pathogenen Formen entstanden daher in den großen Mastbetrieben - das gibt sogar Prof. Mettenleiter vom FLI zu.

                   

                  Wenn nun ein hoch pathogenes Virus von Großbetrieb zu Großbetrieb wandert, ist eine Verbreitung durch Wildvögel extrem unwahrscheinlich, auch wenn sich mal einige wenige am Kot oder anderen Austrägen anstecken. Bei Wildvögeln verschwanden HPAIB immer sehr schnell und auch jetzt hat man hier nur eine Ente gefunden - mit zudem recht unsicheren Befund, ohne Gegenprobe und NACH dem Ausbruch in der Geflügelindustrie.

                  • @Petras:

                    Hallo E...,

                    darauf weiß der Herr Dr. keine Antwort mehr?

                    Daß zwischen LPAI und HPAI nicht mehr unterschieden wird, gehört jetzt offensichtlich zur Politik. So kann man auch Existenzen vernichten (Schwante) und mit ihnen mehrere Rote-Liste-Tiere, nur weil eines davon positiv auf H5N1 LPAI getestet wurde.

                • @Manfred Stein:

                  So werden Sie nie auf eine angemessene Relevanz kommen , nicht mal ansatzweise .Aber Ihr Leitbild Tierhaltung entspricht ja auch offensichtlich der eule-Nutztierhaltung Teil 1 .

                  • @Jandebuur:

                    Guten Tag ,







                    es freut mich wirklich, dass Sie das EULE kennen. Haben Sie schon unser neues Webdesign gesehen? Zudem präsentieren wir aktuell viel diskutierte Themen.



                    http://www.euleev.de/index.php

                     

                     

                    • @Manfred Stein:

                      Ich kenne auch den Söldner Pollmer.Aber dies ist jetzt mein letzter Beitrag hier.