: Verwirrung in Prag
■ Tschechiens Politiker gewöhnen sich nur langsam an das Bündnis mit der Nato
Als ein tragikomisches und wirres Theaterstück hat die liberale Tageszeitung Lidové noviny die aktuelle Debatte in Tschechien über den Militäreinsatz der Nato im Kosovo bezeichnet. Anfang März unterzeichnete Tschechien die Beitrittsurkunde zur Nato. Als die Nato am 24. März ihre Luftangriffe auf Jugoslawien begann, war die Zustimmung zunächst groß. Doch schon bald wurde Widerspruch laut. Zeitweise ließ das wankelmütige Verhalten tschechischer Politiker in der Nato Zweifel an einer Erweiterung des Bündnisses in nächster Zeit aufkommen.
Sogar der tschechische Premier Milo Zeman hatte die traditionelle Freundschaft zwischen dem tschechischen und dem serbischen Volk betont und sich damit einer klaren Stellungnahme entzogen. Sein Vorgänger, Parlamentspräsident Václav Klaus sagte kürzlich, das Bündnis selbst trage die Schuld an der Vertreibung der Albaner aus dem Kosovo. Die wochenlangen Diskussionen über die offizielle Haltung zu den Nato-Angriffen brachten Tschechien den Ruf ein, politische Drückeberger zu sein. Mitte der vergangenen Woche jedoch entschied sich das Parlament in Prag eindeutig – mit 145 von 181 Stimmen – dafür, daß Nato-Flieger tschechische Flugplätze nutzen und Nato-Konvois durchs Land fahren dürfen.
In der tschechischen Bevölkerung löst der Krieg auf dem Balkan jedoch immer mehr Ängste aus.Der Psychiater Jan Cimicky berichtet: „Die Leute weinen, sind verängstigt und depressiv. Wir befinden uns zum ersten Mal in einer Situation, in der wir – wenn auch indirekt – auf der Seite des Angreifers stehen.“ Die Menschen hätten auch nicht vergessen, daß sich Jugoslawien zweimal in der Geschichte dieses Jahrhunderts auf die Seite ihres Landes gestellt hätte, 1938 gegen das Münchner Abkommen und 1968 gegen den Einmarsch des Warschauer Paktes.
Leichter, als die Nato-Bomben gutzuheißen, fällt es den Tschechen, Flüchtlingen aus dem Kosovo zu helfen. 5.000 von ihnen will das kleine Land aufnehmen und trotz der schlechten wirtschaftlichen Lage rund zwei Millionen Mark zur humanitären Hilfe auf dem Balkan beisteuern. Elke Hagenau, Prag
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