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Verunreinigtes EssenDesinfektionsmittel in Milch und Obst

Spuren eines Desinfektionsmittels finden sich auf nahezu allen Nahrungsmitteln. Die EU setzt daraufhin einfach die Grenzwerte hoch – denn sonst drohen leere Regale.

Knackig – und möglicherweise mit DDAC verunreinigt. Bild: dapd

BERLIN taz | Von einem Zufallsfund war die Rede, als ein Biobauer vor einigen Wochen bei einer Eigenkontrolle auf seinem Hof im niedersächsischen Papenburg Spuren des Wirkstoffs DDAC (Didecyldimethylammoniumchlorid) auf seinem Rucolasalat feststellte. Der Fall war ein Alarmsignal. Er gab Anlass zur Sorge und zog umfangreichere Kontrollen nach sich.

Nach ersten Tests, die bundesweit von privaten Instituten und von Laboren von Behörden durchgeführt wurden, sind Wissenschaftler verunsichert. Zwar ist unklar, ob DDAC und andere Desinfektionswirkstoffe für Menschen schädlich sind. Aber gerade weil das nicht sicher ist, sind sie bei Lebensmitteln nicht zugelassen.

Bei Stoffen, deren Ungefährlichkeit nicht bewiesen ist, liegt der Grenzwert in der Regel bei 0,01 Milligramm pro Kilogramm. Das ist ein Schutzwert, der bewusst gering gehalten wird. Normalerweise darf Ware, bei der dieser nicht eingehalten wird, nicht in den Handel. Warum also hat die Europäische Lebensmittelsicherheitsbehörde Efsa kürzlich entschieden, den Grenzwert auf 0,5 Milligramm vorläufig anzuheben? Dadurch können viele Lebensmittel, bei denen überhöhte Werte festgestellt wurden, weiterhin verkauft werden.

Was ist DDAC?

Der Wirkstoff DDAC (Didecyldimethylammoniumchlorid) ist eine farb- und geruchlose Flüssigkeit. DDAC gehört zur Gruppe der quartären Ammoniumverbindungen, in der sich eine Reihe wirtschaftlich bedeutender Industriechemikalien findet. DDAC kommt vor allem in Desinfektions- und Pflanzenschutzmitteln, aber auch in Weichspülern, Kosmetikprodukten oder Lacken zum Einsatz.

Diplomchemiker Albrecht Friedle vom Lebensmittellabor Friedle sagt dazu: „Würden die Behörden konsequent durchgreifen, stünden wir bei der vorgefundenen Breite der Kontamination bald vor leeren Regalen.“ Sollten Verbraucher sich also Sorgen machen? Ob die Stoffe uns Menschen schaden, ist ungeklärt.

„Unwahrscheinlich“ im Sinne einer juristischen Absicherung

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) gibt bislang Entwarnung: Unter Berufung auf Studien aus den USA und den Niederlanden schätzt es sowohl akute als auch langfristige Gesundheitsschäden wegen DDAC als „unwahrscheinlich“ ein. Der Begriff „unwahrscheinlich“ ist jedoch, wie die BfR-Sprecherin Britta Michalski selbst sagt, eher als juristische Absicherung zu verstehen.

Fest steht: Studien aus den USA und Kanada haben den Wirkstoff an Hunden gestestet. Nur diese Studien hat das BfR bislang in sein Urteil miteinbezogen. „Neue Laborergebnisse werden jedoch laufend in die Bewertung miteinbezogen und diese gegebenenfalls korrigiert“, sagt Michalski.

Für Diplomchemiker Jörg Thumulla vom privaten Umweltinstitut Anbus Analytik in Fürth bleiben hingegen einige Fragen bei der Bewertung des BfR ungeklärt. So seien Tests an Kaninchen und Ratten nicht in die endgültige Bewertung eingeflossen. Dabei traten bei den Nagern vereinzelt Reizungen auf, bei denen selbst das BfR weiteren Klärungsbedarf sieht.

Darüber hinaus warnt Thumulla, der in der Vergangenheit bereits im Auftrag des Umweltbundesamts zur Verbreitung der quartären Ammoniumverbindungen geforscht hat: „Anders als die meisten Stoffe löst unsere Magensäure die Stoffe wie DDAC nicht auf. So gelangen sie in die Darmflora – und was sie dort anstellen, darüber wissen wir bislang noch viel zu wenig.“ So könne der Wirkstoff etwa in menschliche Zellmembranen eindringen. „Wenngleich von DDAC keine direkte Gesundheitsgefahr ausgehen sollte, kann der Wirkstoff auf diese Weise als Schleuse für andere Schadstoffe fungieren.“

„Wertvolle Stoffe – allerdings nicht auf Lebensmitteln“

Auch Chemiker Friedle zeigt sich besorgt, betont jedoch gleichzeitig, Stoffe wie DDAC seien keinesfalls generell zu verteufeln: „Diese Stoffe sind sehr wertvoll – aber doch bitte nicht auf Lebensmitteln.“ Aus Krankenhäusern beispielsweise, wo sterile Geräte und Flächen benötigt werden, sind sie als Desinfektionsmittelwirkstoffe kaum mehr wegzudenken. Umso bedrohlicher die Gefahr von Resistenzbildungen: „Kaum vorstellbar, was passiert, wenn Bakterien in unserem Körper durch eine dauerhafte Aufnahme dieser Stoffe nicht mehr auf Antibiotika reagieren“, bemerkt Thumulla.

Ob die Desinfektionsstoffe nun schädlich sind oder nicht – solange das nicht feststeht, sollten die Behörden dafür sorgen, dass die Grenzwerte eingehalten werden. Die Hochsetzung des Grenzwerts durch die EU-Lebensmittelsicherheitsbehörde weist eher darauf hin, dass dem Problem derzeit aus dem Weg gegangen wird. Wissenschaftler gehen davon aus, dass sich die Werte von Desinfektionsstoffen seit der Ehec-Krise noch einmal stark erhöht haben. Denn seither gelten schärfere Vorschriften für die Hygiene von Lebensmitteln.

Dass sich Spuren von Desinfektionsstoffen in fast allen Lebensmitteln finden, zeigen nicht nur die Untersuchungen. Es ist auch plausibel, wenn man sich den Verarbeitungsprozess vor Augen führt. Täglich desinfizieren Milchbauern Melkmaschinen und die Euter ihrer Kühe. Gleiches gilt beispielsweise für den Fleischwolf in der Wurstproduktion. Auch Verpackungsstationen hinterlassen unweigerlich Wirkstoffe wie DDAC auf den Lebensmitteln.

Konzentrationen deutlich über dem Grenzwert

Erste Tests im Juni wiesen Desinfektionsstoffe auf etlichen Lebensmitteln nach: Nicht nur auf Topfkräutern wie Basilikum, sondern bei praktisch allen Lebensmitteln von Früchten über Fleischprodukte bis zu besonders betroffenen Molkereierzeugnissen finden sich Rückstände von Desinfektionsstoffen. Das Chemische und Veterinäruntersuchungsamt in Stuttgart fand beispielsweise auf Petersilie DDAC-Rückstände von 0,92 Milligramm pro Kilogramm. Die Belastung ist damit immer noch fast doppelt so hoch, wie es der neu angesetzte Grenzwert erlaubt.

Bei dem Biobauern, der DDAC zuerst auf seinen Pflanzen entdeckte, war der Fall noch komplizierter: Es war kein Desinfektionsmittel schuld, sondern ein Pflanzenstärkungsmittel, das mittlerweile aus dem Handel genommen wurde.

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7 Kommentare

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  • W
    wauz

    Desinfektion statt Hygiene

     

    Fingerwaschen? Wozu? Wir desinfizieren doch! Das ist Alltag in Lebensmittelbetrieben und leider auch Arzneimittelbetrieben. Ich hab's mit eigenen Augen gesehen, wie ganze Schichten nach der Pause nur einen Spritzer Alkohol auf die Finger bekommen haben. Und auch die oben angeführten Kommentare gehört.

    Klar, dass man da wenigstens die Geräte so eindieselt, dass der Käse nicht gleich in der Packung fault, et cetera...

  • F
    felix

    Und ich wundere mich schon, warum ich in den letzten Jahren ständig unter Allergien, Lebensmittelunverträglichkeiten und Entzündungen leide. Wenn ich für wenigstens ein, zwei Wochen symptomfrei werden möchte, muss ich eine Nulldiät einhalten. Sobald ich das Fasten breche und wieder Esse gehen die Beschwerden wieder los: Mundbrennen, Hautjucken, Magen- und Darmprobleme und Augenbrennen. Das Augenbrennen habe ich vor allem nach dem Genuss von Obst. Das Mundbrennen vor allem von Fertiggerichten, gewürzten Speisen, Südfrüchten und bestimmten Brotsorten. Das Hautjucken und verschorfte rote Stellen von Weintrauben und Süßigkeiten.

     

    Beschwerdefrei bin ich nur, wenn ich faste oder mich ausschließlich von mit Wasser angerührten Haferflocken und Salzkartoffeln ernähre.

     

    Und so ist es immer ein Hin- und Her. Irgendwann möchte ich auch etwas anderes Essen, beginne wieder mit Gemüse und Fleisch, dann wieder Obst, bis die ersten Beschwerden auftreten. Die versuche ich dann zu ignorieren, bis sie unerträglich werden. Dann kommen wieder zwei Fastenwochen und einige Wochen Kartoffeln ...

  • G
    Groschen

    bloß keine leereren Regale!

    Hilfe! Das Abendland geht unter.

    Lieber Krebs- u. Infektionstote.

    Die sterben nicht in aller Öffentlichkeit.

    Das ist doch viel besser als kleinere Regale!

    Oder ?

    G.

  • MG
    Manfred Gerber

    Viele Biobetriebe sind vom Pfad, gesunde Lebensmittel zu produzieren, heftig abgebogen. Die so genanten Pflanzenhilfsstoffe sind u.a. Bakterienbrühen und organische Subtanzen, die eine Bakterienvermehrung auf der Blattoberfläche zur Folge haben. Die BIOPFLANZENSCHUTZ-LOBBY zögert nicht, hydrolysierte Schlachtabfälle als Spritzmittel zuzulassen und auch selbstvermehrte Bakterienkolonien werden vielfach zur "Stärkung der Kulturpflanzen eingesetzt.

    Dafür verbietet man ein essentielles Düngemittel, welches weltweit, aber nicht in Europa, eine Biozulassung besitzt und beste Desinfektionswirkungen hat.

    Bei einer Löschkalkdüngung entstehen keine Rückstände auf Biolebensmitteln und teuere Pflanzenhilfsstoffe sind unnötig. Wer mit Bakterien düngt, riskiert nach kurzer Zeit die Kontrolle über die vorherrschende Bakterienart zu verlieren und züchtet u.a. pathogene Keime auf unseren Lebensmitteln.

    Das Gefahrenpotential dieser Biopraxis ist nicht einschätzbar. Die Gefahr bspw. einer Salmonelleninfektion durch Obst und Gemüse wird durch organische Blattdüngung gefördert.

  • JK
    Juergen K.

    @Imhotep

     

    Resitenzen beziehen sich nicht ausschliesslich auf Antibiotika, die im Artikel auch gar nicht erwähnt wurde.

     

    Zeitweise werden sogar Resistenzen gegen "gerade aus denken" beobachtet.

     

    Im Übrigen ist besonders lustig die Namensähnlichkeit von

     

     

    DDAC und DDT.

  • JK
    Juergen K.

    Gibts eigentlich schon eine Untersuchung darüber

     

    ob,

    weil wegen Fukushima die Radioaktivitätsgrenzwerte heraufgesetzt wurden,

     

    auch mehr aus Tschernobyl importiert wurde

     

    und Hadertauer und Aigner

     

    auch mehr verstrahlte Pilze und Wildschwein

    in Bayern verköstigt haben ?

     

    Stoiber und Seehofer vielleicht auch ?

  • I
    Imhotep

    „Kaum vorstellbar, was passiert, wenn Bakterien in unserem Körper durch eine dauerhafte Aufnahme dieser Stoffe nicht mehr auf Antibiotika reagieren“, bemerkt Thumulla.

     

    DDAC ist eine Ammoniumverbindung welche weder Chemisch noch von der Wirkungsweise etwas mit Antibiotika zu tun hat. Wo bitte hat der Mann seine Diplomarbeit abgeschrieben um in diesem Zusammenhang zu erklären, es könnten sich bei Aufnahme dieses Stoffes Resizstenzen gegenüber Antibiotika bilden ??