Vertuschung in den Medien: Bis Gras drüber wächst
Medien sind genauso schlimm wie die katholische Kirche, meint unser Kolumnist. Er findet Beispiele von Springer bis zum Bayerischen Rundfunk.
![Eine Jesusfigar liegt auf einer Tischkante Eine Jesusfigar liegt auf einer Tischkante](https://taz.de/picture/5384455/14/Bayrischer-Rundfunkrat-1.jpeg)
A ch nee! Bei Springer sollen sie jetzt doch schon länger im Bild gewesen sein, dass sie mit Bild-Chefredakteur Julian Reichelt eine ziemlich fragwürdige Nummer am Start hatten. Da dürfte so manchem Konzernvorstand im Hochhaus an der Rudi-Dutschke-Straße bei der Lektüre der frisch gebügelten Financial Times (FT) von Dienstag das Franzbrötchen in den Latte geplumpst sein. Zumal sie der FT schlecht vorwerfen können, ein voreingenommenes Boulevard-Drecksblatt zu sein. Es ist überhaupt interessant, dass hier die internationale Presse offenbar tiefer recherchiert als die hiesige.
Begonnen hatte das Ganze ja vergangenes Jahr in der New York Times. Liegt’s an zu viel Nähe und dass sich viele im üblichen Brancheninzest nicht so recht trauen? Dazu kommt die vermeintliche Macht des großen Konzerns. Bevor jetzt aber alle auf Springer zeigen, gehört auch dies zur Wahrheit: Medien sind genauso schlimm wie die Kirche.
Der Vorsitzende des Rundfunkrats beim Bayerischen Rundfunk heißt zum Beispiel immer noch Lorenz Wolf. Gegen Prälat Wolf werden im Gutachten über jahrzehntelange Missbrauchsverbrechen im katholischen Bistum München-Freising schwere Vorwürfe erhoben. Deswegen lässt er sein Amt jetzt ruhen. Und in den BR-Verwaltungsrat wechseln, wie es eigentlich demnächst vorgesehen war, will er jetzt auch nicht mehr. So christlich-fromm wie moralisch!
Dafür durfte Wolf die Rundfunkratssitzung am vergangenen Donnerstag zu einer großen Erklär-, Rechtfertigungs- und Betroffenheitssause in eigener Sache nutzen.
Nicht zurückgetreten
Wolf zeigte Reue, bat um „Vergebung“ und räumte ein, dass in den vergangenen Wochen Irritationen um seine Person entstanden seien. Irritationen? Die Grünen-Abgeordneten Martin Runge und Sanne Kurz nannten das anschließend gegenüber der Süddeutschen einen „Missbrauch des Gremiums“, weil Wolf die Sitzung zur „Pressekonferenz in eigener Sache“ umfunktioniert habe. Den klaren Forderungen aus vielen Kreisen, wirklich zurückzutreten, kam er jedenfalls nicht nach. Und die CSU seiert rum: Wolf habe durch sein „Ruhenlassen“ allen Ernstes „Schaden vom Amt des Rundfunkratsvorsitzenden und vom Bayerischen Rundfunk insgesamt abgewendet“.
Der Schritt verdiene Respekt, sagt Thomas Kreuzer, der als CSU-Fraktionschef im Bayerischen Landtag auch im BR-Rundfunkrat Politik macht. So ein Schmarrn! Vielmehr wird das Gras mal wieder gebeten, über die Sache zu wachsen. Im April läuft nämlich Wolfs Amtszeit eh aus, ja mei. Treu nach dem Motto „Ihr seht mich nicht, ich schäme mich nicht“, sagt die Mitbewohnerin. So ist Springer moralischer als der BR und die Kirche. Denn Springer hat Reichelt zwar wohl gedeckt, schlussendlich aber doch vor die Tür gesetzt.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Trump und die Ukraine
Europa hat die Ukraine verraten
Social-Media-Star im Bundestagswahlkampf
Wie ein Phoenix aus der roten Asche
Krieg und Rüstung
Klingelnde Kassen
Gerhart Baum ist tot
Die FDP verliert ihr sozialliberales Gewissen
Münchner Sicherheitskonferenz
Selenskyjs letzter Strohhalm