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Vertuschung in den MedienBis Gras drüber wächst

Medien sind genauso schlimm wie die katholische Kirche, meint unser Kolumnist. Er findet Beispiele von Springer bis zum Bayerischen Rundfunk.

Brancheninzest: Der Vorsitzende des Rundfunkrats beim BR heißt immer noch Lorenz Wolf Foto: Sascha Steinach/imago images

A ch nee! Bei Springer sollen sie jetzt doch schon länger im Bild gewesen sein, dass sie mit Bild-Chefredakteur Julian Reichelt eine ziemlich fragwürdige Nummer am Start hatten. Da dürfte so manchem Konzernvorstand im Hochhaus an der Rudi-Dutschke-Straße bei der Lektüre der frisch gebügelten Financial Times (FT) von Dienstag das Franzbrötchen in den Latte geplumpst sein. Zumal sie der FT schlecht vorwerfen können, ein voreingenommenes Boulevard-Drecksblatt zu sein. Es ist überhaupt interessant, dass hier die inter­nationale Presse offenbar tiefer recherchiert als die hiesige.

Begonnen hatte das Ganze ja vergangenes Jahr in der New York Times. Liegt’s an zu viel Nähe und dass sich viele im üblichen Brancheninzest nicht so recht trauen? Dazu kommt die vermeintliche Macht des großen Konzerns. Bevor jetzt aber alle auf Springer zeigen, gehört auch dies zur Wahrheit: Medien sind genauso schlimm wie die Kirche.

Der Vorsitzende des Rundfunkrats beim Bayerischen Rundfunk heißt zum Beispiel immer noch Lorenz Wolf. Gegen Prälat Wolf werden im Gutachten über jahrzehntelange Missbrauchsverbrechen im katholischen Bistum München-Freising schwere Vorwürfe erhoben. Deswegen lässt er sein Amt jetzt ruhen. Und in den BR-Verwaltungsrat wechseln, wie es eigentlich demnächst vorgesehen war, will er jetzt auch nicht mehr. So christlich-fromm wie moralisch!

Dafür durfte Wolf die Rundfunkratssitzung am vergangenen Donnerstag zu einer großen Erklär-, Rechtfertigungs- und Betroffenheitssause in eigener Sache nutzen.

Nicht zurückgetreten

Wolf zeigte Reue, bat um „Vergebung“ und räumte ein, dass in den vergangenen Wochen Irritationen um seine Person entstanden seien. Irritationen? Die Grünen-Abgeordneten Martin Runge und Sanne Kurz nannten das anschließend gegenüber der Süddeutschen einen „Missbrauch des Gremiums“, weil Wolf die Sitzung zur „Pressekonferenz in eigener Sache“ umfunk­tioniert habe. Den klaren Forderungen aus vielen Kreisen, wirklich zurückzutreten, kam er jedenfalls nicht nach. Und die CSU seiert rum: Wolf habe durch sein „Ruhenlassen“ allen Ernstes „Schaden vom Amt des Rundfunkratsvorsitzenden und vom Bayerischen Rundfunk insgesamt abgewendet“.

Der Schritt verdiene Respekt, sagt Thomas Kreuzer, der als CSU-Fraktionschef im Bayerischen Landtag auch im BR-Rundfunkrat Politik macht. So ein Schmarrn! Vielmehr wird das Gras mal wieder gebeten, über die Sache zu wachsen. Im April läuft nämlich Wolfs Amtszeit eh aus, ja mei. Treu nach dem Motto „Ihr seht mich nicht, ich schäme mich nicht“, sagt die Mitbewohnerin. So ist Springer moralischer als der BR und die Kirche. Denn Springer hat Reichelt zwar wohl gedeckt, schlussendlich aber doch vor die Tür gesetzt.

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Steffen Grimberg
Medienjournalist
2000-2012 Medienredakteur der taz, dann Redakteur bei "ZAPP" (NDR), Leiter des Grimme-Preises, 2016/17 Sprecher der ARD-Vorsitzenden Karola Wille, ab 2018 freier Autor, u.a. beim MDR Medienportal MEDIEN360G. Seit Juni 2023 Leitung des KNA-Mediendienst. Schreibt jede Woche die Medienkolumne "Flimmern und rauschen"
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1 Kommentar

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  • Wann wird Döpfner endlich als Vorsitzender des Bundesverbandes der Verleger abgelöst?

    Oder schont man sich beim Bundesverband etwa gegenseitig?