Vertrauter Guaidós in Haft: Festnahme in der Nacht
Venezuelas Geheimdienst hat den Stabschef des selbsternannten Präsidenten Guaidó festgesetzt. Der Vorwurf: Mitgliedschaft in einer Terrorzelle.
„In diesem Moment sind sie in meinem Haus; der Sebin ist hier,“ twitterte Marrero noch unmittelbar vor seiner Festnahme. Bei seiner Abführung rief er seinem Nachbarn, dem Abgeordneten Sergio Vergara zu, die Geheimdienstler hätten bei ihm zwei Gewehre und eine Granate platziert. Vergaras Wohnung war ebenfalls durchsucht worden, er selbst wurde nicht festgenommen.
Für Innen- und Justizminister Reverol ist Marrero „der direkte Verantwortliche der Organisation dieser kriminellen Gruppen, in dessen Wohnsitz eine Menge Kriegswaffen und Bargeld in fremden Währungen beschlagnahmt wurden.“ Gegenwärtig soll Marrero im Gebäude der Geheimdienstzentrale einsitzen, dem sogenannten Helicoide. Die von Reverol gemachten Äußerungen deuten nicht auf seine baldige Freilassung hin.
Roberto Marrero gilt als rechte Hand von Juan Guaidó. Der 49-jährige Rechtsanwalt und Abgeordnete der Nationalversammlung wurde 2016 zum Parlamentssekretär ernannt, später zum Bürochef der Nationalversammlung.
Heftige Proteste aus den USA
Als Guaidó im Januar das Amt des Parlamentspräsidenten übernahm, wurde er dessen Büroleitung. Und nachdem sich Guaidó selbst zum Interimspräsidenten ernannt hatte, macht er ihn zu seinem Kabinettchef. Ebenso wie Guaidó und der unter Hausarrest stehende Leopoldo López gehört Marrero zur Führungsriege der Voluntad Popular, einer der radikalsten Oppositionsparteien.
Seine Festnahme löste heftige internationale Reaktionen aus. US-Außenminister Mike Pompeo forderte die sofortige Freilassung und drohte mit Konsequenzen. Ähnlich äußerte sich der US-Sondergesandte für Venezuela, Elliott Abrams. Die Verhaftung Marreros werde unmittelbare und harte Konsequenzen haben. Abrams nannte die Namen von fünf angeblich an der Aktion beteiligten Beamten und kündigte weitere Sanktionen an.
Für Juan Guaidó offenbart die Festnahme die gegenwärtige Schwäche von Staatschef Nicolás Maduro. „Entweder traut er sich nicht, mich zu verhaften, oder er hat die Kontrolle verloren,“ sagte Guaidó. Einige hochrangige Geheimdienstler hätten ihn angerufen, um ihm zu sagen, dass sie nichts mit der Festnahme Marreros zu tun hätten.
Über die Motive für die Festnahme Marreros gerade zum jetzigen Zeitpunkt wird denn auch heftig spekuliert. So vermutet Hugo Carvajal, General im Ruhestand und ehemals Leiter des Militärgeheimdienstes unter Hugo Chávez, dass das Regime in Caracas damit austeste, wie konkret die internationalen Drohungen seien, denen es sich ausgesetzt sieht.
Zum anderen solle die Festnahme von den von Ronald Dugarte bei der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) angezeigten Menschenrechtsverbrechen des Regimes ablenken. Der frühere Marinegeheimdienstmitarbeiter Dugarte hatte am Mittwoch vor der OAS mehreren Mitgliedern der Regierung von Maduro willkürliche Verhaftungen vorgeworfen und von Folter an Zivilpersonen und Militärs in klandestinen Gefängnissen des Sebin berichtet.
Dugarte war im August 2018 als Spion in die Gefängnisse abkommandiert worden und hatte heimlich Videoaufnahmen über die dortigen Zustände und Vorgänge gemacht. Nach Angaben der unabhängigen Menschenrechtsorganisation Foro Penal gibt es in Venezuela gegenwärtig 866 politische Gefangene, darunter befinden sich 91 Militärs.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Anbrechender Wahlkampf
Eine Extraportion demokratischer Optimismus, bitte!
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen