Vertrauensfrage in Tschechien: Ein verlorenes Unterfangen

Tschechiens Premier und Oligarch Andrej Babiš übersteht ein Misstrauensvotum. Schon jetzt ist klar, was das für den anstehenden Wahlkampf heißt.

Andrej Babiš gestikuliert mit seiner Hand beim Sprechen

Keine Mehrheit gegen ihn: Ministerpräsident Babiš im Prager Parlament an Donnerstag Foto: David W Cerny/reuters

PRAG taz | Noch bevor im Abgeordnetenhaus das Vertrauensabstimmung gegenüber der Regierung von Andrej Babiš überhaupt eröffnet wurde, war man am Donnerstag in den Foyers und Gängen des barocken Palais Thun im Prager Zentrum zu einem anderen Problem übergegangen: Klappt es mit der Abstimmung noch rechtzeitig vor dem eigentlichen Ereignis des Tages, dem Viertelfinale gegen Finnland bei der Eishockey-WM?

Denn ein verlorenes Unterfangen war das Votum von Anfang an. Nur 89 Abgeordnete sprachen der Regierung das Misstrauen aus, 101 hätte es gebraucht. Sie warfen Babiš vor allem Versagen bei der ­Coronabekämpfung vor. Doch Präsident Miloš Zeman hatte ohnehin im Vorfeld erklärt, Babiš bis zu den Abgeordnetenhaus­wahlen im Oktober so weitermachen zu lassen.

Auch die Abgeordneten der Kommunistischen Partei Böhmens und Mährens (KSČM) hatten einen Rückzieher gemacht und bei dem Votum die Regierung unterstützt. Dabei waren sie es, die die Opposition dazu inspiriert hatten, die Vertrauensfrage überhaupt zu stellen. Mitte April hatte Parteichef Vojtěch Filip den informellen Toleranzpakt mit der Babiš-Regierung öffentlich aufgekündigt. Vor vier Jahren hatten die Kommunisten die Minderheitsregierung mit den Sozialdemokraten überhaupt erst möglich gemacht.

„Die Kommunisten haben faktisch einen Handelsvertrag mit Babiš geschlossen, der für beide Seiten vorteilhaft ist“, kommentierte Radek Bartoniček vom regierungskritischen Nachrichtenportal seznam.cz.

Skandal ums „Storchennest“

Die Prognosen für die Wahlen in vier Monaten sind für Babiš, seine Bewegung ANO, aber auch für die Sozialdemokraten nicht rosig. Skandale überschatteten die Legislaturperiode: Für seine Luxusresidenz samt Streichelzoo im Prager Speckgürtel, das sogenannte Storchennest, soll der Oligarch und reichste Mann des Landes Babiš vor Jahren 2 Millionen Euro an Fördermitteln erschlichen haben.

Ob der Fall je vor Gericht kommt, bleibt unklar. Vor kurzem ist der bearbeitende Staatsanwalt zurückgetreten. Dafür aber erhält Babiš regelmäßigen Tadel aus dem EU-Parlament und der Vorsitzenden seines Haushaltsausschusses, Monika Hohlmeier.

Schon jetzt ist sicher, dass es beim Wahlkampf erneut um die Person Babiš gehen wird, nicht um politische Inhalte. Zwar tut sich die Opposition in Bündnissen zusammen und bringt sich in Stellung. Doch das Bündnis Spolu aus TOP 09, der Bürgerpartei ODS und den Christdemokraten, erlitt einen herben Rückschlag, nachdem Vorwürfe sexuellen Missbrauchs gegen den Jungstar der TOP 09, Dominik Feri, öffentlich wurden.

Die Frage, warum die Opposition so kurz vor den Wahlen ein aussichtsloses Misstrauensvotum stellt, wurde im Abgeordnetenhaus am Donnerstag bis in die späten Abendstunden diskutiert. Tschechien hatte im Eishockey-Viertelfinale schon längst gegen Finnland verloren.

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