piwik no script img

Vertragsunterzeichnung verschobenDesertec auf der Wartebank

Das gigantische Wüstenstromprojekt Desertec kann kommen – meint das Konsortium. Dabei sind nicht nur Kosten und Finanzierung ungeklärt.

Wüstenstrom. Ob den Beduinen so etwas gefällt? Bild: ap

BERLIN taz | Unter großem öffentlichen Aufsehen sollte die erste Absichtserklärung zum Wüstenstromprojekt Desertec zwischen Marokko und sechs europäischen Staaten in dieser Woche in Berlin unterzeichnet werden. Dort tagt seit Mittwoch die dritte internationale Konferenz des Projekts, das Europa mit nordafrikanischem Strom versorgen soll.

Doch aus dem Vorvertrag zum Bau eines 600 Millionen Euro teuren Kraftwerks bei Ourzazate nahe Marrakesch wird vorerst nichts. Während die Regierungen Frankreichs, Italiens, Maltas, Luxemburgs und Deutschlands sich geeinigt haben, steht die Zustimmung Spaniens noch aus.

Der Geschäftsführer des Desertec-Konsortiums Dii, Paul van Son, rechnet mit einer baldigen Einigung. Es wäre der Durchbruch für die Wüstenstrominitiative, die zuletzt ins Stocken geraten war. Grund dafür war neben dem Arabischen Frühling, der Investoren verschreckte, der Preisverfall bei Photovoltaik-Modulen. Dii hatte zunächst vorrangig mit solarthermischen Kraftwerken geplant, die gegenüber Photovoltaik-Anlagen nicht wettbewerbsfähig sind.

Eine Studie des Fraunhofer-Instituts im Auftrag von Dii geht davon aus, dass solarthermische Kraftwerke erst 2050 die gleichen Investitionskosten pro Kilowattstunde haben werden, wie sie Photovoltaik schon 2010 hatte, nämlich rund 2.000 Euro. Die Photovoltaik-Kosten lägen bis dahin allerdings nur noch bei 700 Euro. Und die Kostensenkung bei solarthermischen Kraftwerken wäre nur mit massiven Investitionen in Forschung und Entwicklung möglich, die vornehmlich von staatlicher Seite geleistet werden müssten.

Große Unternehmen profitieren

Profitieren würde vor allem eine Reihe großer Unternehmen. In der Dii sind neben Schott Solar auch Eon, RWE, die Deutsche Bank und der Versicherer Munich Re vertreten. Im Sommer hatte sich zudem die Lobbygruppe Deutsche CSP gegründet, an der sich auch der Baukonzern Bilfinger und MAN beteiligen. Ausdrücklich formuliertes Ziel: „Internationale Demonstrationsprojekte sollen stärker gefördert werden, um Innovationen zu beschleunigen.“

Dennoch sind wesentliche Punkte des Desertec-Projekts, das 15 Prozent des europäischen Strombedarfs decken soll, bislang ungeklärt. Dazu gehört auch die Frage, ob deutsche Stromverbraucher für den Wüstenstrom noch tiefer in die Tasche greifen müssen. Van Son sagte in Berlin, Dii werde „im nächsten Jahr“ den Regierungen einen Vorschlag zur Finanzierung unterbreiten.

Im Desertec-Konsortium geht zudem die Angst um, dass die zahlreichen dezentralen Erneuerbaren-Projekte in Europa das Wüstenstromprojekt behindern oder überflüssig machen könnten. Torsten Jeworrek von Munich Re forderte die EU auf, einen Masterplan zur Energiewende umzusetzen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

9 Kommentare

 / 
  • T
    Tobi

    Ich muss mich meinen Vorrednern anschließen: man kann sicher viele Bedenken äußern und Desertec kritisch gegenüberstehen. Aber dann sollte man sich wenigstens bei den Fakten auskennen. Kosten für Solarthermische Anlagen und Photovoltaik derart gegenüberzustellen ist einfach Unsinn.

     

    Das PV-Modul erzeugt nur Strom, wenn die Sonne scheint. Stromspeicher sind bisher noch sehr teuer und ineffizient. Solarthermische Anlagen können bei entsprechender Speicherkapazität (Wärmespeicher) rund um die Uhr eine verlässliche Stromversorgung gewährleisten.

  • E
    Eike

    Die Parabolrinnen-Kraftwerke, die bei Desertec IMHO geplant sind, haben einen entscheidenden Nachteil: Sie brauchen Kühlwasser um effizient zu funktionieren.

     

    Dies ergibt sich aus der relativ niedrigen oberen Temperatur der Parabolrinnen-Kraftwerke von ca. 300°C. Energie (richtig Arbeit) kann nur aus einem Temperaturgefälle gewonnen werden. Der Wirkungsgrad ist um so besser, je höher das Temperaturgefälle ist. Darum muss wenigstens die untere Temperatur niedrig sein (ca. 50°C). Für Kohle- und Atom-Kraftwerke gilt das gleiche, auch wenn dort die obere Temperatur eher höher ist als bei Parabolrinnen-Kraftwerken (ca. 500°C).

     

    Kühlwasser gibt es in Wüsten aber nicht. Die Demonstrationsanlage in Spanien benutzt Grundwasser, das dort angeblich ausreichend vorhanden ist. Parabolrinnen-Kraftwerke sind also auf relativ wenige Standorte beschränkt: Nahe an Küsten, und an großen Flüssen, z.B. am Nil.

  • JD
    Jörg Dürre

    Ist schon spät für die Energiekonzerne.

     

    800 Euro pro kWp wird aktuell für Photovoltaikgroßanlagen angeboten.

     

    Das sind auf 25 Jahre Amortisationszeit keine 7 Cent pro kWh Stromkosten für Strom aus der Region.

    Selbst wenn man Autobatterien als Speicher nimmt, sind das vermutlich nur ungefähr 10 Cent /kWh

    -> in Summe billiger als aus der Steckdose.

  • D
    D.J.

    Mögen die Tage so schnell als möglich kommen, in denen Europa nicht mehr vom Öl theokratischer und semi-theokratischer Regime abhängig ist. Wer hier neue Abhängigkeiten gegenüber dem Nahen/Mittleren Osten schaffen will, ist geradezu von unfassbarer, verbrecherischer Dummheit.

  • TR
    thomas reichmann

    Habt Ihr wieder Euren Sportredakteur mit dem Thema betraut? Dann schickt ihn wenigstens mal auf einen Einführungslehrgang in die einfachsten technischen Zusammenhänge. In einem Blatt mit Eurem Anspruch darf einfach nicht so ein Blödsinn stehen wie "Investitionskosten pro Kilowattstunde".

  • J
    jekyll

    Weg mit Desertec!

  • S
    schmidtfan

    Portugal, Spanien, Griechenland, Malta, Italien,

    Zypern

    usw. und einige Teile Frankreichs bräuchten

    diese Investitionen dringend und nicht Marokko.

     

    Wie blöd kann eine EU eigentlich sein?

    Wie unbeschreiblich blöd?

    Wie blöd kann eigentlich Deutschland noch sein?

    Sollen zukünftig Diktatoren über unseren

    Strom bestimmen??

     

    Deutschland muss doch seinen Kundenstaaten

    auch wichtige Investitionen in deren

    Infrastruktur leisten, auch um die Atommüllproblematik und Atomgauproblematik

    in einem verarmten Europa zu entschärfen!!

     

    Ich bin so tief enttäuscht von den Volksparteien.

    Die SPD hätte wenigstens dieses eine einzige

    Mal etwas für ihre Existenzberechtigung tun können,

    aber es herrscht nur eine stupide Matriachinnenhörigkeit vor und eine ungehemmte

    Bereicherungslust seitens etwaiger Funktionäre.

  • J
    justme

    1) Solarthermische Kraftwerke lassen sich relativ leicht mit Hitzespeichern ausrüsten und können dann den Strom mit Verzögerung und nach Bedarf erzeugen, z.B. in den Abendstunden, wenn Photovoltaik-Kraftwerke nicht mehr liefern können.

     

    Wenn man diese Speicherfähigkeit braucht, rechtfertigt das Mehrkosten gegenüber einem Photovoltaik-Kraftwerk.

     

    Vom Autor hätte ich erwartet, dass er zum Vergleich die Kosten von Speichertechnologien recherchiert, die man mit Photovoltaik kombinieren könnte.

     

    2) Der Autor wirft Einheiten durcheinander. Er schreibt von "Investitionskosten pro Kilowattstunde", nennt dann aber Zahlen, die eigentlich nur Investitionskosten pro Kilowatt Peak-Erzeugungskapazität sein können.

     

    Kilowatt ist eine Einheit für Leistung (Energie pro Zeit). Kilowattstunde ist eine Einheit für Energie.

  • C
    Christian

    Hallo zusammen,

     

    bitte unterscheidet zwischen Kilowattstunden und Kilowatt.

    Im Artikel wurde von 2000€ pro Kilowattstunde gesprochen, ---> also ich zahle schon jetzt keine 26 Cent pro Kilowattstunde für Ökostrom. Bei 2000€ pro Kilowattstunde, wäre das ganze Projekt zum Scheitern verurteilt. Gemeint ist wohl pro Kilowatt peak kWp, also der Leistung die maximal abgegeben werden kann, bei voller Sonneneinstrahlung etc.!

     

    Viele Grüße,

    Christian