Vertrag für Große Koalition steht: Union und SPD einigen sich
Nach 17 Stunden Sitzung einigen sich die Spitzen von Union und SPD auf einen Koalitionsvertrag. Jetzt muss noch die große Runde zustimmen – und die SPD-Basis.
BERLIN dpa | Die Spitzen von Union und SPD haben sich in einer 17-stündigen Marathonsitzung auf den Vertrag für eine neue große Koalition geeinigt. Dies teilten beide Seiten am frühen Mittwochmorgen in Berlin mit.
Bei der Neuauflage einer schwarz-roten Regierung unter Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sollen unter anderem ein flächendeckender Mindestlohn eingeführt, die Rentenleistungen verbessert und die doppelte Staatsbürgerschaft erleichtert werden. Auf Steuererhöhungen für neue Projekte will Schwarz-Rot verzichten. Ab 2015 will man keine neuen Schulden machen.
Nach der Einigung in kleinem Kreis sollte der Vertragsentwurf noch am Morgen von der großen Runde aus mehr als 70 Unterhändlern bestätigt werden. Das Beschlussgremium sollte bis 05.30 Uhr zusammenkommen. Über den Vertrag muss dann allerdings noch die SPD-Basis abstimmen. Bei einem Ja würden CDU, CSU und SPD Deutschland zum dritten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik gemeinsam regieren. Geplant ist die Regierungsbildung in der Woche vor Weihnachten.
Merkel will den Vertrag noch an diesem Mittwoch gemeinsam mit den beiden anderen Parteichefs Sigmar Gabriel (SPD) und Horst Seehofer (CSU) präsentieren. Wenn die insgesamt 475.000 SPD-Mitglieder zustimmen, könnte sie am 17. Dezember im Bundestag zum dritten Mal zur Kanzlerin gewählt werden. Das neue schwarz-rote Kabinett würde dann noch am selben Tag die Arbeit aufnehmen. Die Besetzung der Ministerposten wurde in der Nacht zunächst nicht bekannt.
8,50 Mindestlohn kommt 2015
Einig wurde man sich über einen gesetzlichen Mindestlohn. Er soll 2015 kommen und bundesweit 8,50 Euro pro Stunde betragen. Allerdings können die Tarifpartner in einer Übergangszeit bis 2017 auch Abschlüsse vereinbaren, die unter 8,50 Euro liegen. Das kommt Union und Wirtschaft entgegen. Die Verständigungen zu Mindestlohn, Renten und zur doppelten Staatsbürgerschaft könnten die kritische SPD-Basis beruhigen, die über einen Koalitionsvertrag abstimmen wird.
Der Rentenkompromiss sieht so aus, dass die von der SPD geforderte abschlagfreie Rente mit 63 Jahren nach 45 Beitragsjahren und die von der Union versprochene Besserstellung älterer Mütter, die vor 1992 Kinder bekommen haben, zum 1. Januar 2014 eingeführt werden. Ferner soll eine „solidarische Lebensleistungsrente“ für Geringverdiener von bis zu 850 Euro pro Monat ab 2017 kommen.
Auch im Streit um die doppelte Staatsbürgerschaft erzielten beide Seiten eine Verständigung. Danach müssen sich in Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern künftig nicht mehr bis zum 23. Geburtstag für einen der beiden Pässe entscheiden. Einen Kompromiss gab es auch bei der umstrittenen Vorratsdatenspeicherung.
Die Maut-Einigung wurde unterschiedlich gewertet. Während die CSU von einem Erfolg für sich ausging, wurde in Kreisen von CDU und SPD die Formulierung für den Koalitionsvertrag lediglich als Prüfauftrag gewertet. Bedingung soll sein, dass die Maut nur ausländische Autofahrer belastet und mit dem Europarecht vereinbar ist. Dazu soll 2014 ein Gesetz verabschiedet werden. Merkel hatte vor der Wahl erklärt, mit ihr werde es keine Pkw-Maut geben.
60 Prozent Ökostrom bis 2030
In der wichtigen Frage des Ausbauziels für erneuerbare Energien soll ein Ökostromanteil von 55 bis 60 Prozent bis zum Jahr 2030 angestrebt werden. Zuvor hatte die Union auf 50 bis 55 Prozent plädiert, die SPD hatte 75 Prozent als Ziel genannt. An der Zahl orientieren sich letztlich auch die Investitionsentscheidungen für neue Windparks, aber auch für neue konventionelle Kraftwerke.
Aus Rücksicht auf die SPD-Mitgliederbefragung Anfang Dezember wurde überlegt, die Namen der künftigen Minister vorerst nicht zu nennen. Fest steht aber, dass die SPD in einem schwarz-roten Kabinett unter Kanzlerin Merkel sechs Ministerien bekommen soll, die CDU fünf (plus Kanzleramtsminister) und die CSU drei.
SPD und Union waren bereits zwischen 2005 und 2009 unter Merkel gemeinsam an der Regierung. Zuvor gab es zwischen 1966 und 1969 schon einmal eine große Koalition.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Kohleausstieg 2030 in Gefahr
Aus für neue Kraftwerkspläne
Syrien nach Assad
„Feiert mit uns!“