Verteilung von geflüchteten Menschen: Die Folgen der freien Wahl
In Cottbus gilt ein Aufnahmestopp für Geflüchtete. Der Oberbürgermeister beschwert sich über eine unfaire Verteilung in Deutschland. Hat er Recht?
Schon länger klagen Kommunen über wachsende Ankunftszahlen von Geflüchteten. Rund 1,04 Millionen Ukrainer:innen sind seit Kriegsbeginn im diesjährigen Februar neu in Deutschland registriert. Hinzu kamen bis Ende September rund 115.000 Asyl-Erstanträge, wenn man die in Deutschland geborenen Kinder nicht mitzählt. In der Summe ist von einer Größenordnung ähnlich wie im Jahr 2015 die Rede, auch wenn die Bedingungen nicht vergleichbar sind.
So oder so: In vielen Kommunen sind die Aufnahmeeinrichtungen voll. Anfang September sperrten zwölf Bundesländer die Aufnahme von Flüchtlingen, die über das behördliche EASY-System bundesweit verteilt werden. Manche Kommunen beschweren sich eher leise und stocken die Plätze auf. Andere schlagen eher harsche Töne an.
Zum Beispiel der Oberbürgermeister von Cottbus, Holger Kelch (CDU). „Wir können nicht mehr“, verkündete er Anfang der Woche. Schulen und Gesundheitsversorgung seien an der Kapazitätsgrenze. Cottbus forderte die „gleichmäßige und gerechte Durchsetzung der Verteilung innerhalb Brandenburgs und Deutschlands sowie die Wiederherstellung der gleichmäßigen Verteilung innerhalb Europas“.
Um den Druck zu erhöhen, kündigte die Stadt den Migrationssozialarbeiter bei den freien Trägern zum Jahresende, weil die Landesregierung offen gelassen habe, ob sie diese weiter finanziere – ein angesichts der hohen Ankunftszahlen fraglos widersinniger Schritt. Doch hat Cottbus recht mit der Behauptung, überproportional belastet zu sein?
Offiziell und real stimmen nicht unbedingt überein
Eine „gerechte und gleichmäßige“ Verteilung innerhalb Deutschlands – die gibt es offiziell. Wie viele Flüchtlinge jedem Bundesland zugewiesen werden, errechnet sich per „Königsteiner Schlüssel“ – zu zwei Dritteln nach dem Steueraufkommen und einem Drittel nach der Bevölkerungszahl der Länder. Innerhalb der Länder greifen dann weitere Verteilmechanismen für die Landkreise und Kommunen.
Doch anders als bei anderen Herkunftsländern greift dies im Fall der Ukrainer:innen, die das Gros der in diesem Jahr Angekommenen ausmachen, nur teilweise.
Der wichtigste Grund dafür ist, dass die Ukrainer:innen eine jenseits des Asylrechts liegende Aufnahmezusage erhalten hatten. Sie durften sich deshalb frei bewegen und dorthin ziehen, wo sie am ehesten Hilfe erwarteten. Reguläre Asylsuchende dürfen dies nicht, sie unterliegen zunächst einer Wohnsitzauflage.
Bis 2015 war es weitgehend den Bundesländern überlassen, wie viel Geld sie den Kommunen für die sich daraus ergebende Unterbringung zahlten. Heute sind die Kommunen besser gestellt – vor allem, was die Ukrainer:innen angeht. Denn zu Kriegsbeginn hatte der Bund zugesagt, deren Lebensunterhalt per ALG II zu tragen. Kommunen wie Cottbus zahlen also dafür zumindest nichts, durchaus aber für andere Leistungen.
Ein Flüchtlingsgipfel ist keine schlechte Ideen
Weil die Ukrainer:innen aber die freie Wahl des Wohnortes hatten, lebten laut einer Befragung des Leibniz-Instituts für Sozialwissenschaften im April 2022 gerade mal sieben Prozent von ihnen in Flüchtlingsunterkünften. Nur diese wurden nach dem regulären Verfahren verteilt. Viele der Übrigen beantragten in den Folgemonaten dort Sozialleistungen, wo sie eben hingezogen waren.
Seither mussten viele der Ukrainer:innen private Unterkünfte verlassen. Anderen gingen mitgebrachte Ersparnisse aus, so dass sie zunächst angemietete Wohnungen oder Zimmer nicht halten konnten.
Das Ergebnis: Sie sind darauf angewiesen, dass die Kommunen sie unterbringen. Weil sie aber bereits im Sozialleistungsbezug sind, können sie nicht mehr verteilt werden, wie dies normalerweise geschieht. Deswegen gibt es in der aktuellen Situation tatsächlich eine „ungleichmäßige“ Verteilung innerhalb Deutschlands.
Doch für diese Situation kann erst einmal niemand etwas, weil es völlig richtig war, den Ukrainer:innen die freie Wohnortwahl zuzugestehen. Vielmehr sollte das auch anderen Flüchtlingsgruppen möglich sein. Die entstehenden Lasten müssen gleichmäßig verteilt werden – nicht die Menschen. Um dafür die Grundlage zu schaffen, ist ein „Flüchtlingsgipfel“, wie Cottbus ihn gefordert hat, gar kein schlechter Anfang.
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