Versuch‘s mal mit Gelassenheit

Verwaltungsgericht verhandelt Mühlenberger Loch. Städtischer Gutachter sagt: Airbus-Werkserweiterung bringt Störungen durch Lärm, aber keine Gesundheitsgefährdung. Streit um Pistenverlängerung und Gemeinnützigkeit

von GERNOT KNÖDLER

Während auf dem neu geschaffenen Fabrikgelände im Mühlenberger Loch bereits die erste Halle zu sehen ist, hat das Verwaltungsgericht gestern zum ersten Mal mündlich über die Airbus-Werkserweiterung verhandelt. Exemplarisch befasste es sich mit zwei von rund 250 Privatklagen gegen das Industrieprojekt, das einen Teil der Fertigung des größten Passagierflugzeuges der Welt (A380) nach Hamburg holen soll. Die Klagen der Naturschutzverbände sind Gegenstand eines zweiten Verfahrens, das ebenfalls noch in diesem Jahr vor dem Verwaltungsgericht verhandelt werden soll.

Beim zentralen Thema „Lärm“ zeichnete sich ab, dass die Anwohner zwar mit einer steigenden Belästigung, nicht jedoch mit einer Gefährdung ihrer Gesundheit zu rechnen haben. Mit technischem Lärmschutz lasse sich dagegen nur begrenzt vorgehen, sagte der von der beklagten Stadt Hamburg bestellte Gutachter Christian Maschke. Für die Bewertung des Lärms sei wichtig, ob sich der Betreffende darüber ärgere. Er könne nur raten, Maßnahmen zu ergreifen, „die die Gelassenheit erhöhen“.

Die Kläger zweifelten an, dass der vorliegende Planfeststellungsbeschluss, der eine Verlängerung der Werkspiste einschließt, die tatsächlichen Pläne des Unternehmens abbildet. Dies hat bereits um eine weitere Pistenverlängerung gebeten. Der Grund dafür sei eine überraschende Nachfrage der Kunden nach einer Frachtversion des Riesenfliegers, erläuterte Airbus-Vertreter Hubertus Thulke. Damit habe seine Firma erst später gerechnet. Die Passagierversion des A380 würde jedoch auch ohne eine weitere Pistenverlängerung in Finkenwerder gebaut, versicherte Thulke. Die Frachtversion benötigt zum Landen eine längere Piste.

Kläger-Anwalt Rüdiger Nebelsieck schloss aus der Debatte über den zu erwartenden Lärm, dass der Werksausbau auf jeden Fall in die Rechte seiner Mandanten eingreife. Das sei nur zulässig, wenn es sich um ein gemeinnütziges Vorhaben handele. Die Produktion von Gütern, auch von Flugzeugen, sei das nicht. Den Versuch der Bürgerschaft, die Werkserweiterung per Gesetz für gemeinnützig zu erklären („Lex Airbus“), kommentierte Nebelsiecks Kollege Lenz mit den Worten: „Ich war eigentlich relativ entsetzt, als ich dieses Gesetz gesehen habe.“

Ralf Hüting, der Anwalt der Stadt, argumentierte, die Lex Airbus habe lediglich klar stellen sollen, dass die Bürgerschaft das Projekt für gemeinnützig hält. Ein solches Gesetz zu erlassen sei ihr möglich, da es der Wirtschaftsförderung diene, die Landessache sei. Im Übrigen habe das Bundesverwaltungsgericht in seiner Boxberg-Entscheidung sogar eine Enteignung zugunsten Privater für rechtmäßig erklärt. In Hamburg gehe es dagegen bloß um Lärmbelästigung. Auf dem Boxberg in Hessen wollte Daimler-Benz eine Auto-Teststrecke bauen.

Hans-Peter Jahnke, Anwalt der der Stadt beigeordneten Firma Airbus, versuchte, die Frage der Gemeinnützigkeit für irrelevant zu erklären. Es gehe lediglich um die Abwägung eines Eingriffs in private Rechte im Fachplanungsrecht. Nebelsieck hatte dagegen ausgeführt, Fachplanungsgesetze verfolgten im Allgemeinen gemeinnützige Ziele. Die Airbus-Pläne müssten so etwas schon in sich tragen, wollten sie bestehen.

Bei dem auf den Grundstücken der Kläger zu erwartenden Lärm wichen die Prognosen der Gutachter um bis zu neun Dezibel voneinander ab. Alle lagen sie aber über dem als kritisch eingestuften äquivalenten Dauerschallpegel von 55 Dezibel. Ein Gespräch in einem Meter Abstand wahrgenommen ist 60 Dezibel laut. Wegen der geringen Zahl an Starts und Landungen seien nur die Maximalpegel relevant, argumentierte Gutachter Maschke. Sein Kollege Rainer Guski dagegen fand, auf einen Vergleich der Dauerschallpegel könne man nicht verzichten.

Das Gericht ließ offen, ob es eine weitere Verhandlung ansetzt. Eventuell wird das Urteil noch in dieser Woche verkündet.