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Versuche wider die Wahrnehmungskrise

■ 2. Triennale der Photographie versucht sich im viedeutigen „reality check“

Kultursenatorin Dana Horáková spricht von einer „Krise der Realität“. Organisator F. C. Gundlach von einer „Krise der Wahrnehmung“. Und Wilhelm Hornborstel, Direktor des Museums für Kunst und Gewerbe, sagt: „Wir haben uns bemüht, dem Motto der diesjährigen 2. Triennale der Photographie inhaltlich so gut wie möglich gerecht zu werden.“

Gar mannigfach sind die Deutungen von „reality check“, dem diesjährigen Triennale-Motto, vorgestellt gestern in hochkarätiger Besetzung im Rathaus. Vielfältig und eigentlich unter kein Motto zu bringen sind die Ausstellungen der zehn Museen und zahlreichen Galerien, die sich von Mitte April bis Ende September an dem Foto-Event beteiligen: Das Außenprojekt No Memory Access von Michael Najjar etwa hat Cato Jans artlounge-projects vorbereitet: „Wir wollten, dass das Medium Foto, das oft hinter verschlossenen Türen zu sehen ist, dem öffentlichen Raum zurückgegeben wird“, sagt er zur Digital-Schau, die ab Freitag an die Außenfassade der Galerie der Gegenwart projiziert wird. Der Künstler spielt darin mit allen Tricks der Digitalfotografie. Menschen, die in Bilder hinein- und wieder herausmontiert werden, erscheinen auf den Projektionen, die genau das demonstrieren, was Gundlach als Essenz der Triennale bezeichnet: jene permanenten Veränderungen des Mediums Fotografie, die letztlich Zweifel an der eigenen Wahrnehmung provozieren, frei nach der Devise: War da nun jemand oder nicht? Spuren hinterließ er jedenfalls keine.

Trotzdem beschwor Gundlach bei der Präsentation seinen Glauben an die Fotografie, an das statische Bild. Vielleicht auch deshalb, weil die Tatsache, dass man hier das Bildschnitt-Tempo selbst bestimmen kann, neue Bedeutung gewinnt. Weil man sich, sozusagen, vom durch Werbung aufgezwungenen Bildschnitt emanzipieren kann.

Stille zelebriert auch die Schau Andere Räume im Kunstverein. Sie vereint Aufnahmen junger Fotografen, die Räume festhielten, in denen – so Direktor Yilmaz Dziewior – „andere Gesetzmäßigkeiten herrschen als anderswo“. Längst dem Braunkohle-Tagebau zum Opfer gefallene Dörfer hat etwa Natalie Czech abgelichtet, in Museen dämmernde Wächterinnen On Kawara.

Dem Mythos St. Pauli widmet sich eine Schau im Museum für Kunst und Gewerbe – und zwar, so Direktor Hornborstel, „gerade nicht den bekannten Klischees, sondern ihrer Analyse“. 80 Prozent der 500 präsentierten Fotos – großenteils Serien – seien eigens für diese Ausstellung entstanden.

Aus eigenen Beständen – in jüngster Zeit erstmals aufgearbeitet – speist sich die Schau Indianer 1853–1923. Photographische Reisen von Alaska bis Feuerland im Museum für Völkerkunde. Historische Aufnahmen – künstlerisch gelungen und trotzdem ethnographisch aussagekräftig – versprach Direktor Wulf Köpke: eine seltene Kombination. Zudem seien viele der 500 gezeigten Fotos Unikate und erstmals überhaupt ausgestellt.

Daniel und Geo Fuchs wiederum haben – in der Schau Famous Eyes – Prominente um Augen-Porträts gebeten. Mutig. Denn da wurden Menschenaugen auch schonmal auf Hundegesichter montiert...

Petra Schellen

Vernissage Me, Myself and I, Andreas Herzau: Donnerstag, 18. April, 18 Uhr, Museum der Arbeit , Maurienstraße 19

Vernissage Mythos St. Pauli: Freitag, 19. April, 20 Uhr, Museum für Kunst und Gewerbe, Steintorplatz 1

Vernissage Evolutions-Labor, Klaus Elle: Sonnabend, 20. April, Ausbesserungswerk Hamburg-Harburg, Schlachthofstraße 3

Vernissage Famous Eyes: Montag, 22. April, 19 Uhr Kunsthaus, Klosterwall 15

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