Verstorbene Sängerin Françoise Cactus: Kakteen und Kerzen vor der Haustür
Brezel Göring moderiert die letzte Radiosendung seiner verstorbenen Frau Françoise Cactus. Es wird geheult und gelacht.
Sechs Tage ist es her, dass Françoise Cactus, die Sängerin der Berliner Band Stereo Total, im Alter von nur 57 Jahren an der fiesen, miesen Krankheit Krebs gestorben ist. Die Stimme der anderen Hälfte von Stereo Total, der von Brezel, ist brüchig, noch brüchiger als sonst. Er moderiert die letzte Sendung von Françoise Cactus auf Radioeins, „diesmal leider ohne Françoise Cactus“, wie er öfter wiederholt. „Wir werden viel weinen müssen“, sagt er ganz am Anfang. „Aber auch lachen.“
Natürlich weiß keiner, der Stereo Total auch nur ein einziges Mal auf der Bühne erlebt hat, wie es ohne diese großartige Band, diese großartige lässige Sängerin und Schlagzeugerin mit dem liebenswerten Akzent und dem alles überstrahlenden Selbstbewusstsein – die übrigens auch mal in der taz gejobbt hat –, weitergehen soll.
1985 kam sie nach Berlin, hatte erst mal eine Punkband und gründete 1993 mit ihrem Lebensgefährten Brezel Göring Stereo Total. Alle Leser*innen, an denen die größten Hits der Band wie „Liebe zu dritt“ oder „Schön von hinten“ bis heute vorbeigegangen sind, sei Nachsitzen angeraten, dafür ist es nicht einmal jetzt zu spät, verdammt.
Auf den Kopf gestellte Genderklischees
Aber Brezel Göring hat nicht zu viel versprochen. Bei seiner Sendung wird nicht nur geflucht und geheult, von Bestatterinnen und Totengräberinnen berichtet, sondern auch gekichert. Françoise war viel zu lustig, um das auszulassen. Einer der Höhepunkte in dieser Beziehung ist die kleine Geschichte, in der Brezel von den Psychoanalysesitzungen erzählt, die sie gemeinsam spielten. „Als ich auch mal der Patient sein wollte, wurde es uninteressant“, sagt Brezel noch kurz vorneweg.
Und präsentiert dann einen Mitschnitt. Françoise berichtet darin vom kleinen Dorf im Burgund, in dem sie aufgewachsen ist – und wo sie mit ihren Kumpels eine Band namens „Die Hormone“ gründete, um kurz darauf, als sie mit der Gitarre ankam, von den Jungs wieder ausgeschlossen zu werden. „Sie sagten zu mir, dass ich auf dem Piano sitzen darf“, plaudert sie, und bricht darauf in das schönste und dreckigste Gelächter aus.
Man muss nach dieser Geschichte nicht mehr sehr viel dazu sagen, was Françoise vielen weiblichen Fans und Musikern bedeutet hat in einer Welt, da nach wie vor die männlichen Hormone dominieren. Sie war ein absolutes Role Model, bewundernswert. Brezel aber auch. Sie waren halt auch ein Traumpaar, weil sie alle Geschlechterklischees auf den Kopf stellten.
Vielleicht nur diese Anekdote aus der Sendung noch, die man sich übrigens noch immer auf der Website des Radiosenders anhören und downloaden kann. Jedes Mal, wenn er rausgeht, erzählt er, stehen da neue Blumen, Kerzen und Kakteen vor seiner Haustür. Berlin ohne Françoise: Es wird nicht ganz einfach.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
BGH-Urteil gegen Querdenken-Richter
Richter hat sein Amt für Maskenverbot missbraucht
Streit in der SPD über Kanzlerkandidatur
Die Verunsicherung
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Biden genehmigt Lieferung von Antipersonenminen
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit