Versorgungsmangel: Hebamme, verzweifelt gesucht

Auf einer Deutschlandtour wollen Hebammen von Politiker*innen wissen, wie sie die Situation für Schwangere verbessern wollen.

Schreiende Babys, überforderte Neu-Mütter: Wochenbett-Hebammen können eine große Hilfe sein, wenn sie denn gefunden werden Foto: dpa

BREMEN taz | In Hannover, Kiel und Hamburg waren sie schon. Am heutigen Dienstagabend wollen Hebammen von Bremer Spitzenkandidat*innen wissen, wie die sich nach der Bundestagswahl für ihren Berufsstand einsetzen wollen. „Das ist kein Selbstzweck“, sagt Veronika Bujny, Vorsitzende des Hebammenverbandes Niedersachsen, der die Wahlprüfsteine-Tour „Unsere Hebammen“ mit den anderen Landesverbänden und dem Deutschen Hebammenverband organisiert hat. „Wir wollen, dass Frauen ihren Geburtsort frei wählen und ihr Recht auf Hebammenbetreuung wahrnehmen können.“

Gerade die erste Zeit nach der Geburt sei eine schwierige Übergangsphase, in der Hebammen helfen können, weil sie sowohl die Mutter als auch das Kind sowie deren Beziehung im Blick haben. Sie helfen beispielsweise bei Stillproblemen und anderen Startschwierigkeiten. „Wie wichtig eine gute Versorgung im Wochenbett ist, dafür fehlt es in unserer Gesellschaft leider an Wertschätzung“, findet Bujny.

Unterfinanziert nicht erst seit gestern

Zum Ausdruck komme das in der seit Jahren viel diskutierten Unterfinanzierung der freiberuflichen Hebammenarbeit durch die Krankenversicherungen. In ganz Deutschland haben deshalb in den vergangenen Jahren Hebammen ihre Arbeit niedergelegt – während die Geburtenrate gestiegen ist. Zunächst machte sich dies im ländlichen Raum bemerkbar. Geburtshäuser und Belegkliniken schlossen. Damit verloren die freiberuflichen Hebammen einen Teil ihres Einkommens. Nur von der Vor- und Nachsorge können sie wegen der weiten Wege auf dem Land nicht leben.

Frauen haben einen gesetzlichen Anspruch auf die Betreuung durch Hebammen vor, während und nach der Geburt. An der Umsetzung hapert es aus verschiedenen Gründen.

Die hohen Kosten für die Haftpflichtversicherung von freiberuflichen Hebammen, die im Geburtshaus, zu Hause oder als Beleghebamme in der Klinik Geburten begleiten, standen bisher im Fokus. Dieses Problem ist mit einer Zwischenlösung halbwegs gelöst: Hebammen bekommen von der Versicherung einen Sicherstellungszuschlag, um die Kosten aufzufangen.

Die meisten Freiberuflerinnen bieten nur Vor- und Nachsorgen an. Hebammenverbände fordern für diese eine höhere Vergütung.

In der Klinik angestellte Hebammen betreuen parallel mehrere Geburten und können sie nicht individuell begleiten.

„Fast überall in Niedersachsen müssen sich Frauen schon in der sechsten bis achten Woche eine Hebamme fürs Wochenbett suchen“, sagt Veronika Bujny vom Hebammenverband. „Das heißt eigentlich sofort, wenn sie realisiert haben, dass sie schwanger sind.“ Viele Frauen müssten sich aber erst an den Gedanken gewöhnen und seien mit anderem beschäftigt, als sich ans Telefon zu klemmen. Manche hätten vielleicht auch schon mal ein Kind in der Frühschwangerschaft verloren und wollten warten.

Mittlerweile sind davon auch Bewohnerinnen größerer Städte betroffen. Besonders gravierend ist der Mangel in Hamburg, wie mit einem Blick auf eine Landkarte des Hebammenverbandes zu sehen ist, auf der Eltern melden können, welche Betreuungsform sie nicht gefunden haben. „Je teurer die Lebenshaltungskosten in einer Stadt sind, desto weniger Hebammen können sich ihren Beruf noch leisten“, sagt Andrea Sturm, Vorsitzende des Landesverbands Hamburg. Einige satteln um, andere arbeiten nur noch auf 450 Euro Basis – als Zubrot zum Verdienst des Ehemanns, also in sehr begrenztem Umfang.

Kapazitäten nicht bedarfsgerecht

2015 hatte die Hamburger Gesundheitsbehörde unter freiberuflichen Hebammen eine Umfrage durchgeführt und kam zu dem Ergebnis, dass jede zweite Frau nicht im Wochenbett betreut wurde. „Es gibt Hinweise darauf, dass für eine bedarfsgerechte Versorgung zu wenige Kapazitäten zur Verfügung stehen“, heißt es dazu in dem Bericht.

Was das aus Sicht der betroffenen Frauen heißt, kann sich die Hamburger Verbandsfrau Andrea Sturm gut vorstellen. Jeden Tag rufen bei ihr zwei oder drei verzweifelte Schwangere an, die schon erfolglos 50 Hebammen abtelefoniert haben. Sturm kann ihnen als Berufsvertreterin nicht helfen. Eine zentrale, von der Stadt finanzierte Hebammenvermittlung wie etwa in Oldenburg gibt es in Hamburg nicht.

Viele Anruferinnen vertrösten muss auch Britta Höpermann, die Geschäftsführerin des Hamburger Geburtshauses. 180 Kinder kommen hier jährlich zur Welt. Es könnten wesentlich mehr sein. Seit Anfang 2016 beobachtet Höpermann eine gestiegene Nachfrage, seitdem gibt es auch eine Warteliste.

„Wir wollen expandieren“, sagt Höpermann, „damit so viele Frauen wie möglich die Geburtshilfe bekommen, die sie sich wünschen.“ Sie erklärt sich die steigende Nachfrage damit, dass immer mehr kleine Geburtskliniken geschlossen werden. „Wenn eine Frau dann in einer Klinik gebären soll mit jährlich 3.000 bis 4.000 Geburten, denkt sie vielleicht doch über Alternativen nach.“

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