piwik no script img

Versorgung von AsylbewerberInnenKoalition erhöht Flüchtlingshilfe

Der Koalitionsgipfel beschließt, sechs Milliarden Euro für Flüchtlingshilfe bereitzustellen. Einige Asylsuchende sollen allerdings auch schneller zurückgeschickt werden.

Gerade angekommen: Ein Flüchtling am Hauptbahnhof in München. Foto: dpa

Berlin dpa | | Mit einem milliardenschweren Maßnahmenpaket will die Bundesregierung die Versorgung und Unterbringung von Flüchtlingen in Deutschland in den Griff bekommen. Unter dem Druck wachsender Asylbewerberzahlen erhöht der Bund die Mittel im Haushalt 2016 um drei Milliarden Euro. Bundesländer und Kommunen sollen weitere drei Milliarden Euro erhalten, heißt es in einem Papier, das die Spitzen der großen Koalition in der Nacht zum Montag beschlossen. 2015 hat der Bund eine Milliarde Euro für Flüchtlingshilfe bereitgestellt.

Die Koalition will außerdem den Kreis der sogenannten sicheren Herkunftsstaaten per Gesetzesänderung um Kosovo, Albanien und Montenegro erweitern. Diese Einstufung dient dazu, Asylbewerber aus den betroffenen Länder schneller wieder in die Heimat zurückzuschicken. Bargeldbedarf in Erstaufnahmeeinrichtungen soll so weit wie möglich durch Sachleistungen ersetzt werden.

Endgültige Entscheidungen sollen am 24. September bei einem Bund-Länder-Gipfel fallen. Bundestag und Bundesrat sollen im Oktober abstimmen. „Bund, Länder und Kommunen stehen in einer Verantwortungsgemeinschaft und müssen mit einer großen nationalen Gemeinschaftsaktion in kurzer Zeit die Voraussetzungen für die Aufnahme einer beispiellos hohen Zahl von schutzbedürftigen Menschen und die Rückführung vollziehbar Ausreisepflichtiger schaffen“, heißt es.

Ferner wird Deutschland die Mittel im Haushalt des Auswärtigen Amtes für Krisenbewältigung und –prävention um jährlich 400 Millionen Euro aufstocken. Bei der Bundespolizei werden 3.000 zusätzliche Stellen für die kommenden drei Jahre geschaffen, der Bundesfreiwilligendienst soll um bis zu 10.000 neue Stellen aufgestockt werden.

Legale Migration mit Arbeitsvertrag

2014 hatte die Bundesregierung angesichts einer großen Zahl an aussichtslosen Asylanträgen bereits Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina als sichere Herkunftsländer klassifiziert. Angehörige der dann sechs als sicher eingestuften Balkanstaaten sollen Möglichkeiten der legalen Migration zur Arbeitsaufnahme in Deutschland bekommen: „Wer einen Arbeits- oder Ausbildungsvertrag mit tarifvertraglichen Bedingungen vorweisen kann, soll arbeiten oder eine Ausbildung aufnehmen dürfen“, heißt es in dem Maßnahmenpapier.

Auf europäischer Ebene verlangt die Regierung unter anderem „eine solidarische und faire Verteilung und Aufnahme schutzbedürftiger Flüchtlinge durch die EU-Mitgliedsstaaten“, eine wirksame Bekämpfung der Schleuserkriminalität sowie ein verstärktes EU-Engagements zur Bekämpfung der Fluchtursachen in den wichtigsten Herkunftsländern.

Der Bund will Länder und Kommunen beim Ausbau von etwa 150.000 winterfesten Plätzen in menschenwürdigen Erstaufnahmeeinrichtungen für Flüchtlinge „verstärkt unterstützen“. Man werde „hierzu alle verfügbaren Plätze in Bundesliegenschaften zur Unterbringung von Flüchtlingen auf Anforderungen sofort und mietzinsfrei zur Verfügung stellen und die Kosten für die Herrichtung übernehmen“.

30.000 Plätze für Flüchtlinge

Die Staatsbank KfW legt ein Förderprogramm in Höhe von 300 Millionen Euro zum Bau von Flüchtlingsunterkünften auf. Nach KfW-Angaben können Städte und Gemeinden zinslose Darlehen mit einer Laufzeit bis zu 30 Jahre und 10 Jahren Zinsbindung erhalten. Mit dem Programm sollen bis zu 30.000 Plätze für Flüchtlinge geschaffen werden.

Zunächst überschattet war das Spitzentreffen von einem Streit in der Union über die humanitäre Geste von Kanzlerin Angela Merkel (CDU), Tausende Flüchtlinge aus Ungarn nach Deutschland einreisen zu lassen. Angesichts der von höchster Stelle erteilten Genehmigung forderte CSU-Chef Horst Seehofer von Merkel eine klare Position zur Verteilung Asylsuchender in der EU. Er warnte am Sonntag vor einem Stimmungsumschwung in punkto Willkommenskultur. Politiker von CDU und SPD wiesen die Angriffe aus Bayern umgehend zurück.

Nach Merkels Einreiseerlaubnis für mehrere tausend Flüchtlinge aus Budapest sagte Seehofer: „Wir können nicht als Bundesrepublik auf Dauer, bei 28 Mitgliedsstaaten, beinahe sämtliche Flüchtlinge aufnehmen. Das hält auf Dauer keine Gesellschaft aus.“ Die Aufnahme der in Ungarn festsitzenden Flüchtlinge in Deutschland wurde im CSU-Präsidium als „falsche Entscheidung“ gerügt, wie Generalsekretär Andreas Scheuer am Samstagabend sagte. Mehrere Präsidiumsmitglieder hätten vor einer „zusätzlichen Sog-Wirkung“ gewarnt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • Kraft- und Planlos, so sollte unsere Landes-und Bundesregierung heißen.

     

    Die Westbalkanländer müssen zu sicheren Herkunftsländern erklärt werden (Warum macht man nicht stattdessen Zuwanderungsregeln?) und gleichzeitig muss die Entwicklungshilfe für die Länder massiv aufgestockt werden, denn es ist allemal günstiger und besser, vor Ort die Umstände zu verbessern. So käme der Strom der Wirtschaftsflüchtlinge aus der Region zum Erliegen. Wenn unsere Landes- und die Bundesregierung dann noch kapieren, dass es zurzeit wichtiger ist beim Registrieren der Flüchtlinge zu helfen, anstatt die Einhaltung des Mindestlohngesetzes zu kontrollieren (10-jährige Aufzeichnungspflicht, bei Verstößen bekommt man die immer noch dran) dann könnten die frei werdenden Kräfte vom Zoll unsere Behörden unterstützen und diese würden vielleicht wieder Herr der Lage. Nicht dass Sie mich falsch verstehen, wenn ich auf dem Westbalkan leben würde, würde ich auch meine Frau und Kinder packen, um dem Elend zu entfliehen und jeder andere von uns mit genug Mumm in den Knochen würde ähnlich handeln. Die jetzt von den Grünen getätigte Äußerung „Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt: "Entscheidend ist: Gibt es für Balkan-Flüchtlinge einen anderen Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt?"" (Quelle RP) verwundert mich, will man hier eine Mehr-Klassengesellschaft bei den Zuwanderern schaffen?

  • Die Flüchtlinge, die bei uns bleiben, müssen wir als Chance sehen und begreifen, nur dafür müssen wir diese schneller in Ausbildung und Arbeit bringen (ganz wichtig schneller anerkennen), sonst haben diese Menschen wieder das Problem der Perspektivlosigkeit. Sitzen Sie mal sechs Monate in einem Flüchtlingsheim, verdammt zum Nichtstun, mit der täglichen Angst der Abschiebung im Nacken, ich garantiere Ihnen, wir kommen aus Langeweile auf die dümmsten Gedanken. Wegweisend ist hier der Antrag der FDP Landtagsfraktion http://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMD16-9512.pdf.

  • Die EU muss andere Wege der Flucht ermöglichen, so dass die Flucht auch mit einer normalen Fähre oder Flugzeug gelingen kann und damit den Schlepperbanden das Geschäft entzogen wird, aber noch viel wichtiger ist, dass die Gefahren der Flucht minimiert werden.

     

    Geradezu erbärmlich ist die Haltung unserer Landes- und Bundesregierung bei der Übernahme der Kosten. Sicherlich hören sich die genannten Summen gut an, doch wird es spätestens bei den Haushaltsberatungen sichtbar werden, dass die Mittel noch nicht mal ein Drittel der Kosten decken, die in den Kommunen entstehen.

     

    Dass Flüchtlinge auch eine wirtschaftliche Chance darstellen, beweist auch vieler Orts unsere deutsche Geschichte, wie z. B die von Monschau:

     

    „Als Begründer der Monschauer Feintuchproduktion gilt der am Ende des 16. Jahrhunderts wegen der Begleitumstände der Aachener Religionsunruhen von dort ausgewanderte protestantische Tuchmacher Arnold Schmitz, der im sogenannten Schmitz'schen Hof an der Rur die ersten Feintuche in der Stadt herstellte. Diese benötigten allerdings, im Unterschied zu den bis dahin in Heimarbeit im Umland hergestellten groben Tuchen, Wolle von besserer Qualität, die von auswärts importiert werden musste. Dafür ließ sie sich europaweit exportieren und bot den Fabrikanten große Gewinne. Der aus dem bergischen Land zugezogene protestantische Pfarrersohn Johann Heinrich Scheibler führte schließlich die Textilindustrie der Stadt im 18. Jahrhundert zu ihrem Höhepunkt.