piwik no script img
taz logo

Verschwundene in MexikoDeutschland will helfen

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sagt in Mexiko deutsche Hilfe bei der Suche nach den offiziell über 100.000 Verschwundenen zu.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am 20. September in Mexiko-City Foto: Marco Ugarte/apMarco Ugarte/apMarco Ugarte/ap

Oaxaca taz | Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat den mexikanischen Behörden angeboten, das Land verstärkt bei der Aufklärung der Fälle des Verschwindenlassens von Menschen zu unterstützen. „Es ist ein Drama, dass die betroffenen Familien nicht wissen, was mit ihren Angehörigen passiert ist, weil sie einfach verschwinden“, sagte er während eines zweitägigen Besuches in Mexiko-Stadt am Mittwoch. Es sei zudem tragisch, dass viele Todesopfer nicht identifiziert werden könnten.

Über 105.000 Menschen gelten in Mexiko als vermisst. Viele werden von Mitgliedern der organisierten Kriminalität verschleppt, um Lösegeld zu erpressen oder sie zu zwingen, für die Kartelle zu arbeiten. Andere verschwinden, während sie sich in den Händen von Sicherheitskräften befinden. 97 Prozent der Betroffenen wurden verschleppt, seit der ehemalige Staatschef Felipe Calderón 2006 den Krieg gegen die Mafia erklärt hatte.

Seit 2017 gibt es eine nationale Suchkommission, auch in einigen Bundesstaaten existieren solche Einrichtungen. In erster Linie sind es jedoch die Angehörigen selbst, die nach ihren Söhnen, Töchtern oder Geschwistern suchen, unterstützt von Forensikern, Juristen und anderen Experten.

Mexikos Präsident Andrés Manuel López Obrador hat sich zwar nach seiner Amtsübernahme 2018 auf die Fahnen geschrieben, gegen dieses Verbrechen vorzugehen. Doch in seiner Amtszeit hat die Zahl der Verschwundenen noch zugenommen. Lediglich im Fall von 43 verschleppten Studenten, der international Schlagzeilen machte, kann die Regierung sichtliche Erfolge vorweisen.

Zehntausende unbekannte Leichen

Es gehe jetzt aber nicht darum, der mexikanischen Führung Vorwürfe zu machen, sondern Hilfe anzubieten, erklärte Steinmeier. Die Bundesregierung betreibt schon seit Jahren ein Programm, um mexikanische Gerichtsmediziner bei der Identifizierung und Erfassung von Leichen zu unterstützen. In den forensischen Instituten Mexikos liegen die Überreste von Zehntausenden Menschen, deren Identität bislang unbekannt ist.

Steinmeier betonte vor Journalisten, dass die deutsche Regierung die Hilfe verstärken werde. „Ich glaube, dass wir da ganz gute Fähigkeiten haben“, sagte der Präsident. Karla Quintana, die Leiterin der nationalen Suchkommission, verwies darauf, dass die tatsächliche Zahl der Verschwundenen wesentlich höher liegen dürfte als die offizielle von 105.000. Viele Menschen getrauten sich nicht, Anzeige zu erstatten, weil sie Angst vor Repressalien hätten.

Die Deutsche Menschenrechtskoordination Mexiko hatte Steinmeier vor seiner Reise aufgefordert, seine Besorgnis über die hohe Straflosigkeit zum Ausdruck zu bringen, so die Koordinatorin Françoise Greve. Über 95 Prozent der Fälle werden nicht strafrechtlich verurteilt.

Das bestätigten auch Angehörige, die Steinmeier während seines Besuchs traf. So etwa Ana Enamorado, deren Sohn 2010 verschleppt wurde. Die Verantwortlichen müssten bestraft werden, sagte sie, „sonst werden die Fälle des Verschwindenlassens nicht aufhören“.

Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen

Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!
taz zahl ich illustration

tazzahl ich

Bei uns haben Sie jeden Tag die Wahl

Denn auf taz.de sind alle Inhalte der taz ohne Paywall und frei zugänglich. Sie können wählen, ob und wie viel Sie dafür bezahlen möchten. Falls Sie gerne und regelmäßig zu Besuch sind, würden wir uns sehr über Ihre Unterstützung freuen. Ihr Beitrag sichert die Unabhängigkeit der taz.

  • Ja, ich will
  • Unterstützen Sie die taz jetzt freiwillig mit Ihrem Beitrag
  • Vielen Dank, dass Sie die taz unterstützen
  • Schon dabei!