piwik no script img

Verschwundene Studenten von IgualaVerhaftet und ans Kartell abgegeben

Für das Verschwinden von 43 Studenten in Südmexiko soll der Bürgermeister von Iguala verantwortlich sein. Protestierende zündeten daraufhin das Rathaus an.

Für die Aufklärung der Tat und ein Ende der Gewalt: Protest in Mexiko-Stadt. Bild: ap

MEXIKO-STADT ap/dpa | Nach dem Verschwinden Dutzender Studenten aus der südmexikanischen Stadt Iguala haben Ermittler den Bürgermeister als Drahtzieher der Tat entlarvt. José Luis Abarca habe Ende September die Polizeiattacke mit sechs Toten angeordnet, seit der die jungen Leute vermisst würden, teilte Generalstaatsanwalt Jesús Murillo Karam am Mittwoch mit. Zudem sollen der Rathauschef und seine Frau Hand in Hand mit dem Drogenkartell Guerreros Unidos zusammengearbeitet und von der Bande Bestechungsgelder in sechsstelliger Höhe kassiert haben.

Der mysteriöse Fall treibt die mexikanischen Behörden seit Wochen um. Am 26. September war es im 200 Kilometer südlich von Mexiko-Stadt gelegenen Iguala zu einer Auseinandersetzung zwischen Studenten und der Polizei gekommen. Die Beamten eröffneten das Feuer auf vier Busse, die die jungen Menschen gekapert hatten. Sechs Menschen kamen dabei um, zwölf weitere wurden verletzt. Seit dem Vorfall fehlt von 43 Studenten jede Spur. Die meisten von ihnen waren am Lehrerkolleg Aytozinapa eingeschrieben, das in Mexiko für radikalen Aktivismus bekannt ist.

Abarca habe die Verhaftung der Studenten befohlen, weil er eine angeblich von ihnen geplante Störaktion bei einem Auftritt seiner Frau befürchtet habe, sagte Generalstaatsanwalt Murillo Karam. Die jungen Leute seien dann zunächst auf eine Polizeiwache und dann der Bande Guerreros Unidos übergeben worden. Der inzwischen festgenommene Führer des Kartells, Sidronio Casarrubias, sagte den Angaben zufolge jedoch aus, einer der Beamten habe die Studenten als Anhänger einer rivalisierenden Verbrecherorganisation ausgegeben.

Zuletzt sollen sich die Studenten in einer Gegend am Stadtrand von Iguala aufgehalten haben. In jener Umgebung stießen die Behörden auf der Suche nach den Vermissten auf insgesamt neun Massengräber mit 30 Leichen. Doch ergaben vorläufige Gentests, dass es sich bei den Toten nicht um die Studenten handelt. Ein zweiter DNA-Test soll laut Murillo Karam bald Klarheit bringen.

Bürgermeister untergetaucht

In dem Fall wurden nach seinen Angaben 52 Personen festgenommen, darunter Polizisten, städtische Beamte und Bandenmitglieder. Doch Abarca und seine Frau María de los Ángeles Pineda Villa sind ebenso untergetaucht wie der örtliche Polizeichef.

Zunächst hatten Behörden lediglich von familiären Verbindungen zwischen der Bürgermeistergattin und Guerreros Unidos berichtet. Doch laut Bandenchef Casarrubias war Pineda Villa „führende Kraft hinter den kriminellen Aktivitäten“ in Iguala. Ihr Mann habe zudem alle paar Wochen umgerechnet 118.000 bis 173.000 Euro vom Kartell als Schmiergeld und Bezahlung seiner korrupten Polizeitruppe erhalten.

Die hohen Bestechungsgelder konnte sich Guerreros Unidos durch den zunehmend lukrativeren Anbau von Schlafmohn leisten, wie ein Sprecher der Bundesbehörden sagte. Dann wurde das Opium zur Heroinproduktion in die USA geliefert. Die jüngsten Enthüllungen werfen ein Schlaglicht auf die Macht der Verbrecherbanden und deren enge Bande mit der Verwaltung in dem von Kriminalität und Armut geplagten Staat Guerrero.

Aus Solidarität mit den Verschleppten gingen im ganzen Land Tausende auf die Straße. In Mexiko-Stadt zogen 50.000 Demonstranten unter dem „Lebend wurden sie genommen, lebend wollen wir sie zurück“ Unabhängigkeitsdenkmal zum zentralen Platz Zócalo. In der Provinzhauptstadt Chilpancingo drangen Kommilitonen der Vermissten in Verwaltungsgebäude der Bundesregierung ein. In Iguala steckten Vermummte das Rathaus in Brand. Zehn Randalierer wurden festgenommen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • Und wieder ein Beispiel für die Folgen der Drogenprohibition.Die Legalisierung des Koka- und Schlafmohnanbaus, sowie die legale Abgabe unter Auflagen / in Apotheken von Drogen würde die Macht der menschenverachtenden Kartelle brechen.