Verschwundene Studenten von Ayotzinapa: Der Wandel des López Obrador
Erst war nur Enttäuschung über das gebrochene Versprechen von Mexikos Präsidenten. Jetzt diffamiert er offen Organisationen für Menschenrechte.
Wenige Tage zuvor hatte López Obrador das Menschenrechtszentrum Centro Prodh, das sich in enger Kooperation mit den Angehörigen um den Fall kümmert, massiv diffamiert. Die Organisation vertusche Tatsachen und agiere im Interesse der Täter, weil sie dem Staat schaden wolle, erklärte der Staatschef. Die Angehörigen fühlten sich verletzt: „Was der Präsident über das Centro Prodh sagte, ist ein Ausdruck der Respektlosigkeit gegenüber uns.“ Der Präsident wolle nicht hinnehmen, dass das Militär in die Tat involviert gewesen sei. Davon wolle er mit seinen Attacken ablenken.
Was zunächst nur wie ein Wortgefecht von vielen klingt, ist de facto Ausdruck einer tiefen Zerrissenheit zwischen Menschenrechtsorganisationen, Angehörigen von Verbrechensopfern sowie anderen Aktivist*innen und dem Populisten López Obrador. Kaum ein Tag vergeht, an dem der Präsident nicht gegen Akteure der Zivilgesellschaft hetzt. Doch der jüngste Angriff auf das Centro Prodh, und damit auch auf die Angehörigen der verschwundenen Studenten, bildet einen neuen Höhepunkt dieser Aggressionen.
Seit die jungen Männer in der Nacht auf den 27. September 2014 in der südmexikanischen Stadt Iguala von Kriminellen, Polizisten und Soldaten verschleppt wurden, kämpft das Zentrum mit anderen Menschenrechtsorganisationen dafür, die Hintergründe der Tat aufzuklären. Ohne ihre Hilfe wäre möglicherweise nie bekannt geworden, dass bei dem Verbrechen, wie die taz aufdeckte, illegal gelieferte Sturmgewehre der deutschen Firma Heckler&Koch im Einsatz waren.
Die große Enttäuschung über López Obrador
„Wir pflegen eine respektvolle und von Vertrauen geprägte Beziehung“, schreiben die Angehörigen über ihr Verhältnis zum Centro Prodh. Präsident López Obrador legte dagegen auf seiner täglichen Pressekonferenz 20 Minuten lang nahe, dass sie von den Aktivist*innen benutzt würden, um andere Interesse zu verfolgen, sprich um ihm zu schaden. Das Centro Prodh verhindere bewusst eine Strafverfolgung. So habe sich das Zentrum zum Beispiel dafür eingesetzt, dass mutmaßliche Täter freigelassen würden, deren Aussagen durch Folter erzwungen wurden. Dieses Vorgehen ist im internationalen Recht festgeschrieben. Abgesehen davon verweisen die Menschenrechtsverteidiger*innen darauf, dass die Freilassung nicht auf ihrer Forderung, sondern auf einer gerichtlichen Entscheidung beruhe.
Die Angehörigen fühlen sich vom Präsidenten nicht als eigenständige Subjekte ernstgenommen. Man gebe ihnen zu verstehen, dass sie sich den Organisationen unterwerfen würden, schreiben sie. „Sie denken, dass wir keine eigene Meinung und keine persönlichen Kriterien hätten, um die Ermittlungen einzuordnen.“
Lange Zeit hofften sie darauf, dass López Obrador dafür sorgen könnte, den Verbleib ihrer Söhne aufzuklären. Schließlich hatte der Präsident Schritte in diese Richtung unternommen, während die Strafverfolger unter dessen Vorgänger Enrique Peña alles dafür taten, die Hintergründe zu verschleiern.
Doch je mehr deutlich wurde, dass auch das in Iguala stationierte Militär in die Tat verstrickt war, umso weniger konnte oder wollte der Staatschef ausrichten. Bis heute blockiert die Armeeführung die Herausgabe wichtiger Dokumente. Und bis heute wissen die Angehörigen nicht, was mit ihren Liebsten passiert ist.
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