Verschwundene Studenten in Mexiko: Proteste am Jahrestag
Vor acht Jahren wurden 43 Studenten eines Lehramtsseminars in Mexiko verschleppt. Bislang wurde niemand verurteilt.
In der Nacht auf den 27. September 2014 wurden die 43 Studenten des linksgerichteten Lehramtsinternats Ayotzinapa in der südmexikanischen Stadt Iguala von Sicherheitskräften und Kriminellen verschleppt. Seither kämpfen die Mütter, Väter und Geschwister der Verschwundenen dafür, dass der Fall aufgeklärt wird und die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden.
„Sie haben sich nur über uns lustig gemacht“, fasste eine Sprecherin der Angehörigen die Arbeit der Ermittler auf einer Kundgebung zusammen. Keine Regierung habe ihnen eine Antwort gegeben. Kein einziger Täter wurde strafrechtlich verfolgt.
Auch in mehreren anderen Städten Mexikos kam es am Montag zu Solidaritätsaktionen. Die Angehörigen, Ayotzinapa-Studenten sowie Unterstützer*innen demonstrieren bereits seit mehreren Tagen in der mexikanischen Hauptstadt. Vor der israelischen Botschaft forderten sie vergangene Woche die Regierung des Landes auf, den ehemaligen Polizeichef Tomás Zerón auszuliefern. Zerón, gegen den wegen der Vereitelung der Ermittlungen ein Haftbefehl läuft, ist nach Israel geflüchtet. Am Freitag fand vor dem Sitz des Militärs eine Protestaktion statt. Aktivist*innen warfen Feuerwerkskörper, Steine und Molotowcocktails auf das Gelände. Auf Plakaten brachten sie zum Ausdruck, wen sie für das Verbrechen verantwortlich machen: „Es war das Militär.“
Haftbefehle gegen Militärs wieder aufgehoben
Nachdem eine Wahrheitskommission im August ihre Ergebnisse vorstellte, haben sich die Auseinandersetzungen verschärft. Das Gremium bestätigte, dass die Armeeführung an der Tat beteiligt gewesen sei und der damalige Generalstaatsanwalt Jesús Murillo Karam die Ermittlungen manipuliert habe, um die Hintergründe zu verschleiern. Ein Gericht stellte daraufhin 83 Haftbefehle gegen Militärs, Behördenvertreter, Polizist*innen und Kriminelle aus. Murillo Karam wurde verhaftet.
Vor wenigen Tagen wurde jedoch bekannt, dass ein Richter 21 der Haftbefehle wieder aufgehoben hat. 16 der „entlasteten“ Personen sind Militärs. Ohnehin wurden bislang nur vier Haftbefehle umgesetzt. Obwohl sich Präsident Andrés Manuel López Obrador für die Aufklärung starkmacht, scheint die Macht der Armee also weiterzureichen als die des Staatschefs.
Die Angehörigen sind deshalb schon vor einem Jahr auf Distanz zu dem Staatschef gegangen. Ganz unabhängig von der Frage der Täterschaft besitze die Armee eine enorme Menge an beweiskräftigem Material, das zur Aufklärung beitragen könne, sagte deren Anwalt Vidulfo Rosales. „Aber es gibt keine Kraft in diesem Land, die das Militär davon überzeugen könnte, diese Informationen herauszurücken“, so Rosales. Alles deute darauf hin, dass das Verbrechen straflos bleibe.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anbrechender Wahlkampf
Eine Extraportion demokratischer Optimismus, bitte!
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei