Verschwörungstheorien und die Truppe: Rechte Lügen aus der Bundeswehr-Uni
Internetnutzer an den Bundeswehr-Unis verbreiten im Online-Lexikon Wikipedia Verschwörungstheorien. Sie ändern Beiträge und verfälschen Fakten.
Diese Verschwörungstheorie schlug im US-Wahlkampf unter dem Namen „Pizzagate“ ein. Belege gab es keine. Trotzdem verbreiteten Rechtsextreme und Trump-Anhänger die Story millionenfach im Internet. Online macht die Geschichte immer noch Karriere – und das auch mithilfe der Bundeswehr: Aus dem Netzwerk der Bundeswehr-Universität Hamburg wurde das Märchen im Juli auf Wikipedia verbreitet. Nicht der einzige Fall, in dem von Rechnern der Armee rechte Lügen verbreitet werden.
Am 21. Juli um 16.54 Uhr veränderte der Nutzer aus Hamburg den Lexikoneintrag über das Pizzagate. Einen Namen oder ein Pseudonym gab er nicht an, seine IP-Adresse lautete aber 139.11.79.83 – eine Nummer, die zum Computernetz der Bundeswehruni gehört. Vor der Änderung wurde das Pizzagate im Artikel als „Falschmeldung“, „Verschwörungstheorie“ und „Verleumdungsaktion“ bezeichnet. Der mutmaßliche Bundeswehr-User löschte diese Begriffe. Stattdessen schrieb er, in fehlerhafter Grammatik, als sei es eine Tatsache: „Unter dem Schlagwort ‚Pizzagate‘‘ wur ein Skandal rund um einen Kinderschänderring aufgeklärt, der der im amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf 2016 stattfand.“
Eine Woche zuvor veränderte ein Nutzer aus dem Netzwerk der Bundeswehr-Uni München den Wikipedia-Eintrag über die Ziele der Arbeiterbewegung. Aus der „Erkämpfung von politischen Rechten“ machte er die „Erkämpfung von (unverdienten) Privilegien (sog. ‚politischer Rechte‘)“ und schrieb als Notiz an andere User dazu: „Zur Klarstellung des vorher rotgewaschenen Textes.“
Im Mai machte sich ein Nutzer der gleichen Hochschule am Wikipedia-Eintrag über die Uni selbst zu schaffen. Den Absatz über rechtsextreme Umtriebe an der Bundeswehr-Einrichtung kürzte er. Die Hinweise auf Offiziersanwärter, die in der rechtsextremen Identitären Bewegung und bei Einrichtungen der Neuen Rechten mitmischen, strich er aus dem Artikel. In anderen Einträgen machten sich Nutzer aus den beiden Bundeswehr-Unis am menschengemachten Klimawandel, an sozialer Gerechtigkeit und Gendermainstreaming zu schaffen.
Sprecher der Hochschulen sagten auf Anfrage der taz, dass die Internetzugänge ihrer Einrichtungen eigentlich nur dienstlich genutzt werden dürften. Der Zugang in München werde „ausschließlich von Angehörigen der Universität genutzt“. Auf den in Hamburg hätten auch bestimmte externe Nutzer Zugriff, die ebenfalls als Urheber der Änderungen in Fragen kommen.
Von Rechnern der Hochschulen und anderer Bundeswehreinrichtungen wird auf Wikipedia aber nicht nur rechte Hetze verbreitet. Ausweislich der IP-Adressen arbeiten Bundeswehrangehörige auch fleißig an den Artikeln zu Bruce Springsteen, Céline Dion und der Teenie-Serie Dawson’s Creek mit.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
Social-Media-Verbot für Jugendliche
Generation Gammelhirn
Krieg in der Ukraine
USA will Ukraine Anti-Personen-Minen liefern