Verschwinden eines Vietnam-Kritikers: Blogger mutmaßlich entführt
Der regimekritische vietnamesische Exil-Blogger Thai Van Duong verschwand am Flughafen von Bangkok. Dahinter könnte Vietnams Geheimdienst stecken.
Duong hat sehr gute Quellen innerhalb Vietnams regierender kommunistischer Partei und berichtet immer wieder über interne Machtkämpfe und Korruptionsskandale. Am Vormittag seines Verschwindens hatte er noch ein Interview beim UNHCR gehabt, weil er sich in Thailand nicht mehr sicher fühlte und in die USA übersiedeln wollte. Seit Donnerstag ist Duongs Handy tot, in den sozialen Netzwerken gibt es keine Nachrichten mehr von ihm.
Nachbarn hätten in Thailand arbeitenden vietnamesischen Exiljournalisten gesagt, dass Duong an dem Morgen mit dem Motorrad weggefahren sei und danach nicht wiedergesehen wurde. Sein Haus sei verschlossen.
Eine Festnahme durch thailändische Behörden schließen die Exiljournalisten aus. Hinzu kommt: Eine kleine vietnamesische Lokalzeitung berichtete am Sonntag von der Festnahme des Bloggers, weil der angeblich zu Fuß und ohne Ausweispapiere die vietnamesische Grenze überquert habe.
Sieben Entführungen vom Ausland nach Vietnam seit 2003
Die vietnamesischen Exiljournalisten informierten das UNHCR-Büro in Bangkok. Der in Berlin lebende Chefredakteur des Exilmediums Thoibao.de, Trung Khoa Le, hat über Kontakte in die Hanoier Regierung erfahren, dass Duong bereits seit Donnerstag in Hanoi inhaftiert sein soll.
Sollte sich die Entführung bestätigen, wäre das das siebte Kidnapping vietnamesischer Staatsbürger im Ausland durch Vietnams Geheimdienst seit 2003. Am spektakulärsten war die Entführung des abtrünnigen Politikers Trinh Xuan Thanh aus Berlin im Sommer 2017. Er hatte dort politisches Asyl beantragt und sitzt seit seiner Entführung in Vietnam in Haft. Die Bundesregierung fordert vergeblich seine Ausreise nach Deutschland.
Aus Kambodscha wurden 2003 der Mönch und Dissident Thich Tri Luc, 2007 der Dissident Le Thi Tue sowie 2012 der abtrünnige Wirtschaftsfunktionär Duong Chi Dung nach Vietnam verschleppt. Luc und Dung wurden anschließend in Vietnam vor Gericht gestellt und inhaftiert, Tue verschwand spurlos.
Es gab auch schon Entführungen aus Thailand: 2010 traf es das Ehepaar Pham Ba Huy und Pham Thi Phuong, zwei anerkannte Flüchtlinge, sowie 2019 den Journalisten Trong Duy Nhat, der für US-Sender arbeitete. Auch sie wurden in Vietnam vor Gericht gestellt und sind seitdem inhaftiert.
Vietnam bestreitet Entführung, Indizien sprechen aber dafür
Vietnam bestreitet offiziell alle diese Entführungen ab. Eine gerichtliche Untersuchung gab es nur in dem Berliner Fall. Alle anderen Angaben beruhen auf Aussagen der Entführten nach ihrer Freilassung, auf Indizien und Zeugen am Tatort sowie in je einem Fall auf Aussagen des UNHCR und einer schwedischen Diplomatin.
In Thailand gibt es eine große vietnamesische Exilgemeinde. Darunter sind viele geflohene Blogger und JournalistInnen, die höchst gefährdet sind, wie auch eine Mitarbeiterin des in Berlin ansässigen Onlinemagazins Thoibao.
Für Daniel Bastard von Reporter ohne Grenzen (ROG) in Berlin zeigt diese erneute mutmaßliche Entführung durch Vietnams Geheimdienst die „wachsende Skrupellosigkeit vietnamesischer Behörden bei der Verfolgung unabhängiger Stimmen. Der Fall wirft auch die Frage auf, inwiefern sich thailändische Behörden durch Passivität mitschuldig machen.“ ROG fordert die Vereinten Nationen auf, die thailändischen und vietnamesischen Behörden zur Verantwortung zu ziehen.
Disclaimer: Die Autorin ist auch Mitarbeiterin des vietnamesischen Exilmediums „Thoibao.de“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Stellenabbau bei Thyssenkrupp
Kommen jetzt die stahlharten Zeiten?