Verschwundener Blogger mutmaßlich entführt

Der vietnamesische Geheimdienst dürfte mit einer Entführung hinter dem Verschwinden des regimekritischen Exil-Bloggers Thai Van Duong am Flughafen von Bangkok stecken. Es wäre nicht der erste solcher Fälle

Von Marina Mai

Offenbar hat Vietnams Geheimdienst erneut einen Regimekritiker entführt: Am letzten Donnerstag verschwand der Blogger Thai Van Duong am Flughafen Bangkok, wo er einen Freund abholen wollte. Der 41-jährige Duong, dessen Youtube-Kanal 120.000 Abonnenten zählt, lebte seit 2018 als vom UN-Flüchtlingshochkommissariat UNHCR anerkannter politischer Flüchtling in Thailand.

Duong hat sehr gute Quellen innerhalb Vietnams regierender kommunistischer Partei und berichtet immer wieder über Machtkämpfe und Korruptionsskandale. Am Vormittag seines Verschwindens hatte er noch ein Interview beim UNHCR, weil er sich in Thailand nicht mehr sicher fühlte und in die USA übersiedeln wollte. Seit Donnerstag ist Duongs Handy tot, in den sozialen Netzwerken gibt es keine Nachrichten mehr von ihm.

Nachbarn hätten in Thailand arbeitenden Exiljournalisten gesagt, dass Duong an dem Morgen mit dem Motorrad weggefahren sei und danach nicht wiedergesehen wurde. Sein Haus sei verschlossen. Eine Festnahme durch thailändische Behörden schließen die Exiljournalisten aus. Hinzu kommt: Eine kleine vietnamesische Lokalzeitung berichtete am Sonntag von der Festnahme des Bloggers, weil der angeblich zu Fuß und ohne Ausweispapiere die vietnamesische Grenze überquert habe.

Die vietnamesischen Exiljournalisten haben das UNHCR-Büro in Bangkok informiert. Der in Berlin lebende Chefredakteur des Exilmediums Thoibao.de, Trung Khoa Le, hat über Kontakte in die Hanoier Regierung erfahren, dass Duong bereits seit Donnerstag in Hanoi inhaftiert sein soll.

Sollte sich die Entführung bestätigen, wäre das das siebte Kidnapping vietnamesischer Staatsbürger im Ausland durch Vietnams Geheimdienst seit 2003. Am spektakulärsten war die Entführung des abtrünnigen Politikers Trinh Xuan Thanh aus Berlin im Sommer 2017. Er sitzt seitdem in Vietnam in Haft, die Bundesregierung fordert seine Ausreise nach Deutschland.

Aus Kambodscha wurden 2003 der Mönch und Dissident Thich Tri Luc, 2007 der Dissident Le Thi Tue sowie 2012 der abtrünnige Wirtschaftsfunktionär Duong Chi Dung nach Vietnam verschleppt. Luc und Dung wurden anschließend in Vietnam vor Gericht gestellt und inhaftiert, Tue verschwand spurlos.

Es gab auch schon Entführungen aus Thailand: 2010 traf es das Ehepaar Pham Ba Huy und Pham Thi Phuong, zwei anerkannte Flüchtlinge, sowie 2019 den Journalisten Trong Duy Nhat, der für US-Sender arbeitete. Auch sie wurden in Vietnam vor Gericht gestellt und sind seitdem inhaftiert.

Vietnam bestreitet offiziell alle diese Entführungen ab. Eine gerichtliche Untersuchung gab es nur in dem Berliner Fall. Alle anderen Angaben beruhen auf Aussagen der Entführten nach ihrer Freilassung, auf Indizien und Zeugen am Tatort sowie in je einem Fall auf Aussagen des UNHCR und einer schwedischen Diplomatin.

In Thailand gibt es eine große vietnamesische Exilgemeinde. Darunter sind viele geflohene Blogger und JournalistInnen, die höchst gefährdet sind, wie auch eine Mitarbeiterin des in Berlin ansässigen Onlinemagazins Thoibao. Für Daniel Bastard von Reporter ohne Grenzen (ROG) zeigt diese erneute mutmaßliche Entführung durch Vietnams Geheimdienst die „wachsende Skrupellosigkeit vietnamesischer Behörden bei der Verfolgung unabhängiger Stimmen. Der Fall wirft auch die Frage auf, inwiefern sich thailändische Behörden durch Passivität mitschuldig machen.“ ROG fordert die Vereinten Nationen auf, die thailändischen und vietnamesischen Behörden zur Verantwortung zu ziehen.

Disclaimer: Die Autorin ist auch Mitarbeiterin des vietnamesischen Exilmediums „Thoibao.de“.