Verschwendung: Wolfsburger rennen gegen die Mauer
Der deutsche Meister VfL Wolfsburg spielt den SC Freiburg an die Wand und schafft doch mit Mühe nur ein 2 : 2. Was heißt das für das große Champions League-Spiel am Dienstag gegen Manchester United?
Das 2 : 2 des deutschen Fußballmeisters VfL Wolfsburg gegen Aufsteiger SC Freiburg muss man wohl zu jenen bizarren Normalitäten rechnen, die zum Fußball gehören. Wolfsburg hatte 28 : 5 Schüsse, 10 : 4 Schüsse aufs Tor, 10 : 0 Ecken und - auch, aber längst nicht nur als Folge zweimaliger Freiburger Führung - 74 Prozent Ballbesitz. Obwohl der einst für Fußballkultur stehende SC "eigentlich nur mauerte", wie der Ex-Freiburger Sascha Riether sagte, spielte der VfL Chance um Chance heraus. Kurzum: "Wir müssen das Spiel haushoch gewinnen", sagte der Wolfsburger Trainer Armin Veh.
Niemand konnte oder wollte ihm widersprechen. "Ein mehr als glücklicher Punkt", sagte Freiburgs Trainer Robin Dutt. In bemerkenswerter Demut sprach er davon, dass "Leidenschaft im Defensivverhalten" und sein Torhüter Simon Pouplin das Zustandekommen des Remis "unterstützt" hätten. Nicht nur aus Wolfsburger Sicht bestand ein zusätzlicher unterstützender Faktor darin, dass Schiedsrichter Winkmann bei Idrissous 0 :1 (19.) eine Abseitsstellung übersah und Banovics Elfmeter zum 1 : 2 (51.) kein Foul von Schäfer an Caligiuri vorausging, wie das Schiedsrichterteam glaubte.
Es stellt sich selbstverständlich die Frage, warum der VfL die vielen Großchancen nicht in Tore umwandelte. Das lag zum einen an Pouplin, der zwar das Eigentor seines Verteidigers Bastians zum 1 : 1 (27.) durch halbherziges Herauslaufen mitverschuldete, auf der Linie aber spektakulär agierte. Zum anderen lag es an Edin Dzeko. Bei aller gebotenen Vorsicht muss man den Bosnier mittlerweile als Weltklassestürmer bezeichnen. Dzeko hatte außergewöhnliche 14 Schüsse, was zeigt, wie stark und präsent er war - aber keiner landete im Tor. Um wenigstens zum Remis zu kommen, brauchte es eine Willensleistung des eingewechselten Linksverteidigers Fabian Johnson, der nach einem Doppelpass mit Misimovic das 2 : 2 erzielte (81.).
Der VfL hat nun in den Heimspielen gegen die drei Aufsteiger Mainz (2 : 2), Nürnberg (2 : 3) und Freiburg nur zwei Punkte geholt, mindestens fünf zu wenig, weshalb man nicht mitten in der Bundesligaspitze platziert ist, sondern auf Platz acht und damit am Ende des Feldes jener acht Teams, die Meisterschaft und Qualifikation für europäische Wettbewerbe unter sich ausmachen. Genau da stand man vor Jahresfrist mit dem damaligen Trainer Felix Magath auch.
Im Gegensatz zum Vorjahr ist die Stimmung etwas angespannt. Vereinzelte Teile des Publikums stimmten bei Stand von 1 : 2 ein "Armin raus" an. Das ist grundsätzlich eine Unkultur, hatte in diesem Fall aber fast etwas Rührendes. Denn man hat es selten, dass bei solchen Stereotypen der Nähe signalisierende Vorname verwendet wird. So gesehen war es bemerkenswert, wie das Team Vehs Ballbesitzfußball durchzog. Sie schoben den Ball weiter und lauerten geduldig auf die Lücke, statt aktionistisch irgendeinen langen Ball zu schlagen - obwohl auf den Rängen das Murren anschwoll. "Nicht hektisch werden in einer Situation, in der alle unzufrieden sind; weiter über außen spielen - das hat meine Mannschaft gelernt und das ist wichtig", sagt Veh. Vielleicht müssen die Zuschauer ihre Automatismen auch erst noch neu einüben.
Und nun kommt Manchester United. Am Dienstag (20.45 Uhr) geht es um den Einzug ins Achtelfinale der Champions League. Wenn ZSKA Moskau in Istanbul gewinnt, muss der VfL auch gewinnen. Verliert ZSKA, reicht dem VfL sogar eine Niederlage. So oder so: Es ist ein großes Spiel in der Geschichte der VW-Tochter. Gegen den größten Fußballklub der Welt wird Veh sein Team tiefer positionieren als gegen Freiburg. Er wird vorsichtiger agieren lassen. "Es ist ein völlig anderes Spiel", sagt er. "Wir werden weniger Chancen haben." Nun ist es aber so, dass Edin Dzeko zwar manchmal fünf Großchancen vergibt. Aber an einem anderen Tag kann einer wie Dzeko sogar aus keiner Chance das Tor machen.
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